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Hochspannung um Konzernverantwortung

Kinderarbeit
Wie können multinationale Unternehmen sicherstellen, dass ihre Tochtergesellschaften die Menschenrechte in den verschiedenen Teilen der Welt respektieren, in denen sie tätig sind? Keystone/Abir Abdullah

Zehn Tage vor der Abstimmung am 29. November will eine Mehrheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger die Initiative für verantwortungsbewusste multinationale Unternehmen annehmen. Dasselbe gilt auch für das Begehren zum Verbot von Schweizer Investitionen in die Kriegsindustrie.

Das doppelte Ja ist aber noch keineswegs in Stein gemeisselt, wie die zweite Trendumfrage der SRG zeigt (siehe Box).

Denn die gegnerischen Lager haben gegenüber der ersten Umfrage an Boden gutgemacht.

Aktuell sagen noch 57% Ja zur Konzernverantwortungs-Initiative.Externer Link Diese will multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz verpflichten, Standards betreffend Umweltschutz und Arbeitsrecht einzuhalten. Gleich, wo sie aktiv sind.

41% sind dagegen und 2% sind noch unentschlossen. In der ersten Befragung Mitte Oktober waren noch 63% für die Volksinitiative.

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Coronakrise nützt eher Gegnern

Das Bröckeln auf Seiten der Befürworterinnen und Befürworter ist gewissermassen Standard, folgt die Entwicklung doch dem klassischen Muster linker Initiativen. Diese büssen im Zuge der Meinungsbildung ausserhalb des Lagers der klaren Befürworter tendenziell an Boden ein, wie die Meinungsforscher des Instituts gfs.bern betonen, welche die Befragung durchführten.

Die Corona-Krise scheint somit eher dem Nein-Lager zugute zu kommen, legte dieses doch während der Kampagne um acht Prozentpunkte zu. «Das Nein hat nicht nur die Unentschlossenen überzeugt, sondern auch solche, die anfänglich eher für die Initiative waren», so die Autorinnen und Autoren von gfs.bern.

Das Hauptargument der Gegner scheint zu verfangen. Sie sagen, dass das Begehren die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft schwächen würde, die bereits unter der Covid-19-Pandemie stark leide. Die Initiative schade, weil sie Schweizer Unternehmen in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes strengeren Regeln unterwerfen würde, während die ausländische Konkurrenz ohne solche Auflagen agieren könne.

Für die zweite Trendumfrage zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 29. November 2020 hat das Institut gfs.bern zwischen dem 2. und 11. November 10’069 Stimmberechtigte befragt, die repräsentativ ausgewählt und auf alle Sprachregionen der Schweiz verteilt waren. Die statistische Fehlerquote liegt zwischen +/-2,7 Prozentpunkten.

Die Befürworter sind aber nach wie vor in der Mehrheit, und ihre Argumente haben gar am rechten Rand des politischen Spektrums leicht an Ansehen gewonnen, wie die Umfrage zeigt. Das Ja-Lager ist der Ansicht, dass gehandelt werden müsse. Denn unverbindliche Massnahmen allein reichten nicht aus, um Fälle von Ungerechtigkeit zu verhindern, die sich Schweizer Firmen im Ausland zuschulden lassen kommen.

Dass der Wahlkampf schon lange dauert und sich bei den Stimmbürgerinnen und -bürgern bereits gefestigte Meinungen herauskristallisiert haben, könnte laut gfs.bern dem Ja-Lager zugutekommen.

Der Urnengang vom 29. November verspricht daher Hochspannung. Das Zünglein an der Waage dürften je 11% bilden, die sich aktuell «eher für» die Initiative ausgesprochen haben. Ob sie dabei bleiben, wird sich am übernächsten Sonntag zeigen.

Kriegsgeschäfte

Ähnlich sieht es bei der zweiten Vorlage aus: Eine Volksinitiative Externer Linkwill in der Verfassung festschreiben, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB), Stiftungen und Pensionskassen künftig nicht mehr in Unternehmen investieren dürfen, die Kriegsmaterial produzieren. 50% der Befragten beabsichtigen, die von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und den Jungen Grünen lancierte Initiative zu unterstützen. 45% sind dagegen und 5% wissen noch nicht, wie sie abstimmen werden.

Seit der ersten Trendumfrage vor einem Monat ist auch hier das Nein-Lager gewachsen. Mit 4% Prozentpunkten ist der Zuwachs allerdings weniger stark als bei der ersten Vorlage. Laut gfs.bern sind im Ja-Lager viele Frauen, und das über die linken Parteien hinaus. Auch ist die Zustimmung in der Süd- und in der Westschweiz grösser als in der Deutschschweiz, wo das Nein dominiert.

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Laut gfs.bern scheint die Befürchtung seitens von Wirtschaftskreisen mehr und mehr zu verfangen, dass die Vorlage Schweizer Unternehmen und dem Schweizer Arbeitsmarkt schaden könnte.

«Die leichte Tendenz zum Nein entspricht dem Szenario, das typischerweise bei Vorlagen anzutreffen ist, die ohne grosse Intensität debattiert werden. Diese Tendenz hält in der Regel bis zum Ende der Kampagne an, was erwarten lässt, dass die Initiative abgelehnt wird».

Mehr Ja-Stimmen unter den Auslandschweizern

Bemerkenswert ist, dass die beiden zur Abstimmung stehenden Initiativen bei den Auslandschweizerinnen und -schweizern mehr Unterstützung finden. 76% sprechen sich für die Konzernverantwortungs-Initiative aus und 58% unterstützen das Verbot von Investitionen in Kriegsmaterial. Die Zahlen entsprechen der Erfahrung, dass die «Fünfte Schweiz» im Allgemeinen eher links abstimmt.

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