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Wie das Schweizer Frauenstimmrecht die Welt veränderte

Frau in Tripolis am Wählen
Die Schweiz engagiert sich im Ausland aktiv für die Gleichstellung von Männern und Frauen, etwa in Libyen. Mahmud TURKIA / AFP

Beim Durchbruch der politischen Gleichberechtigung vor einem halben Jahrhundert galt die Schweiz als zurückgebliebener Männerstaat. Heute agiert das Land als globale Vorreiterin für Frauenrechte.

Die südlibysche Oasenstadt Sebha schrieb in diesem Frühling Geschichte: An einer gut besuchten Gemeindeversammlung Mitte März wurde erstmals ein Handlungsplan für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Lokalpolitik beschlossen. Dabei machten die Frauen 45% der Teilnehmenden aus, sagt der tunesische Journalist Rachid Khechana zu SWI swissinfo.ch.

Laut dem langjährigen Libyen-Korrespondenten haben in den letzten Wochen auf Initiative und mit Unterstützung der Schweiz ähnliche Versammlungen mit Frauenbeteiligung in 43 weiteren libyschen Gemeinden stattgefunden. Nach dem mehrjährigen Bürgerkrieg einigten sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft kürzlich in Genf auf eine neue libysche Übergangsregierung: mit Najla Mangouch als Aussenministerin und Halima Ibrahim Abderrahmane als Justizministerin werden dabei erstmals Schlüsselministerien von Frauen besetzt.

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“In Friedensprozessen ist es entscheidend, dass Frauen mit am Verhandlungstisch sitzenAls Teil der Zivilgesellschaft, als Vertreterinnen von Konfliktparteien und als Mediatorinnen”, sagt Sara Hellmüller im Gespräch mit SWI swissinfo.ch. Die Bernerin ist Forscherin am Graduate Institute of International and Development Studies in Genf und organisierte schon eine Woche nach dem Tod Muammar Al-Gaddafis 2011 ein zivilgesellschaftliches Zukunftsforum in der libyschen Hauptstadt Tripolis.

Bis 2019 arbeitete Hellmüller beim Forschungsinstitut “swisspeace” und begleitete Friedensprozesse in kriegsgeplagten Gebieten wie Kongo, Darfur und Syrien: “Frauen sind von ihrer Natur her nicht zwingend friedlicher als Männer, aber ihre gemeinsame Identität als Frau kann verbindend wirken und zu neuen und tragfähigeren Lösungen beitragen”, betont Sara Hellmüller. Die Politikwissenschafterin gehört auch dem Netzwerk “Schweizerinnen in FriedensprozessenExterner Link” (SWiPP) des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) an, das am diesjährigen Internationalen Tag der Frau am 8. März lanciert wurde.

Das neue Netzwerk umfasst derzeit 15 Schweizerinnen, die sich im diplomatischen Dienst, für Nichtregierungsorganisationen oder für internationale Organisationen in den verschiedensten Weltregionen für den Frieden einsetzen. Es ist ein Beispiel dafür, dass sich die Schweiz heute auf internationalem Parkett zunehmend als Vorreiterin der Gleichberechtigung profiliert. Etwa im Rahmen der UNO-Kommission für die Stellung der Frau (CSW), wo die Schweiz an der aktuellen Sitzung in New York die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern thematisierte.

“Frauenrechte sind Menschenrechte und ohne Menschenrechte bleiben Frieden und Entwicklung leere Versprechen”, betont Botschafter Simon Geissbühler, der im EDA die Abteilung Frieden und Menschenrechte leitet. Dabei orientiert sich – so Geissbühler – die Schweiz an der “UNO-Resolution 1325”, die als globaler Pfeiler einer feministischen Aussenpolitik gilt.

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Diese Entwicklung wirkt sich auch bei der Belegschaft im Aussenministerium aus. So werden heute vier der sechs EDA-Topposten und 22 von 111 Botschafterposten von Frauen besetzt. (Die erste Schweizer Botschafterin Francesca Pometta vertrat die Schweiz ab 1987 in Italien.)

Paritätischer Verfassungsrat in Chile

Zu den von der Schweiz mitgetragenen internationalen Organisationen im Gleichberechtigungsbereich gehört International IDEAExterner Link. “Wir unterstützen Wahlbehörden weltweit beim Einbezug von Frauen in Wahl- und Abstimmungsprozesse”, sagt Rumbidzai Kandawasvika-Nhudu zu SWI swissinfo.ch. Die Simbabwerin leitet bei IDEA – einer Organisation mit 33 Mitgliedsstaaten – die Abteilung “Politische Rechte und Bürgerbeteiligung”: “Mit Hilfe der Schweiz engagieren wir uns für eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern in der Politik”. Als Beispiel nennt Kandawasvika-Nhudu den Verfassungsprozess in Chile: Dort wird am 11. April ein Verfassungsrat gewählt, der je zur Hälfte aus Frauen und Männern besteht.

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Im westafrikanischen Staat Benin unterstützt die Schweiz Frauen, die sich für ein politisches Amt zur Verfügung stellen. Dort hat sich der Anteil der gewählten Frauen in Gemeindeversammlungen in den letzten vier Jahren verdoppelt, wie einem BerichtExterner Link der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) entnommen werden kann. Anderswo fällt der Einbezug der Frauen noch schwerer, etwa in Saudi-Arabien: “In unserem Land schränken patriarchale Normen die Freiheiten und Rechte der Frauen bis heute ein”, sagt die saudische Frauenrechtlerin Hatoon al-Fassi im Gespräch mit SWI swissinfo.ch. Seit 2008 lehrt sie als Professorin für Frauengeschichte an der King Saud Universität in Riyadh.

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Bei der Förderung von Menschen- und Frauenrechten in autoritären Staaten gerät auch die neutrale Schweiz an ihre Grenzen: “In solchen Fällen braucht es viel Hartnäckigkeit hinter den Kulissen, und manchmal müssen wir  gemeinsam mit anderen Staaten ein Zeichen zu setzen”, sagt der Schweizer Menschenrechtsbotschafter Simon Geissbühler. Nach der Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen wie Hatoon Al-Fassi im letzten Herbst schloss sich deshalb die Schweiz im UN-Menschenrechtsrat einer Resolution an, welche das saudische Regime scharf verurteilte.

Diesem zivilgesellschaftlichen und internationalen Druck kann sich letztlich auch eine absolute Monarchie wie Saudi-Arabien nicht ganz entziehen. Die Regierung in Riad hat nun auch die “Internationale Konvention zur Beseitung aller Formen von Diskriminierung von FrauenExterner Link” ratifiziert. “Das gibt uns in Kombination mit den islamischen Prinzipien der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit doch eine gewisse Hebelwirkung”, sagt Hatoon Al-Fassi, deren Heimatland 2015 das Frauenstimmrecht einführte – als letztes Land überhaupt in der Welt.

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