Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

“Obama ist Favorit für Präsidentschaftswahl 2012”

Amtierender Präsident zu sein, ist ein Trumpf für Barack Obama. Keystone

Er unterstütze Mitt Romney, sagt Wally Herger, republikanischer Abgeordneter mit Schweizer Wurzeln und Ko-Präsident der parlamentarischen Gruppe "Freunde der Schweiz". Aber Obama räumt er die grösseren Wahlchancen ein.

Wally Herger, Enkel von Schweizer Einwanderern aus dem Kanton Uri, ist seit 1987 Abgeordneter eines ländlichen Bezirks im Norden von Kalifornien. Im Interview mit swissinfo.ch äussert er sich über die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA, Amerikas Wirtschaftspolitik und die Präsidentschaftswahlen 2012.

swissinfo.ch: Wie beurteilen Sie die aktuellen Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz?

Wally Herger: Sie sind sehr wichtig. Ich bin stolz auf meine Wurzeln, denn die Schweiz war punkto Demokratie schon immer eines der führenden Länder. Und sie hat, als eines von wenigen Ländern, eine solide Wirtschaft. Das Schweizer Staatsbudget ist im Gleichgewicht, und in Verwaltungsfragen können wir viel von den Schweizern lernen.

Die Geschichte zeigt, dass die Schweiz immer ein befreundetes Land der USA war. Die USA sind der grösste ausländische Investor in der Schweiz und der zweitgrösste Käufer schweizerischer Produkte und Dienstleistungen. Wir haben also sehr gute und solide Beziehungen.

swissinfo.ch: Sie sind Mitglied der Finanzkommission im Kongress und beauftragt, Steuergesetze zu verfassen. Hat der Skandal um die Steuerhinterziehungen, von dem gewisse Schweizer Banken betroffen sind, die bilateralen Beziehungen beeinträchtigt?

W.H.: Gewiss, hier denkt man, dass alle Leute Steuern zahlen müssen und niemand das Gesetz brechen dürfe, weil sonst die Ehrlichen noch mehr unter Druck kämen. Aber wir haben enorme Fortschritte bei der Lösung dieses Problems gemacht, unter Berücksichtigung der Jahrhunderte alten Schweizer Banktradition. Die Bedürfnisse beider Staaten werden respektiert.

Wir haben bewiesen, dass wir miteinander sprechen und Lösungen erarbeiten können. Es ist Ausdruck der starken Verbindungen zwischen den beiden Ländern.

swissinfo.ch: Die USA haben Schulden von mehr als 15 Billionen Dollar. Sind Präsident Obama und sein Vorgänger Bush bzw. die Demokraten und Republikaner für diese enorme Last gleichermassen verantwortlich?

W.H.: Eindeutig. Wir müssen das Problem unter diesem Aspekt betrachten. Wir sitzen alle im gleichen Boot und müssen das Problem gemeinsam anpacken. Gegenwärtig haben wir grosse Differenzen, wie die Sache angegangen werden soll. Aber es ist klar, dass sich das grosse Defizit während der republikanischen wie demokratischen Präsidentschaften angehäuft hat. Niemand kann sich den Vorwürfen entziehen. Jetzt muss man einen Schritt weitergehen und sehen, wie sich die Situation retten lässt.

swissinfo.ch: Die Schulden und die Wirtschaft im Allgemeinen dürften die Kampagne um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im November 2012 dominieren?

W.H.: Ganz sicher. Wir befinden uns in der grössten Wirtschaftskrise seit der grossen Depression. Die Leute dürfen nicht über ihren Verhältnissen leben. Weshalb sollte das nicht auch für die Regierung gelten. Die Umfragen zeigen, dass dieses Problem die Amerikaner beschäftigt, und was meine Partei betrifft, ist es unser grosses Ziel, dies zum Thema zu machen.

swissinfo.ch: Die Tea Party hat 2010 eine entscheidende Rolle bei der Rückeroberung der Mehrheit im Kongress durch die Republikaner gespielt. Inzwischen scheint die Unterstützung im Volk gegenüber dieser ultra-konservativen Bewegung aber zu bröckeln. Oder wird die Tea Party in den Wahlen 2012 eine wichtige Rolle spielen?

W.H.: Alle aktiven Gruppierungen, die in die Selektion und Wahl der Repräsentanten einbezogen sind, werden eine wichtige Rolle spielen. Die Tea Party achtet sehr darauf, eine verantwortungsvolle Regierung zu haben und die Ausgaben zu kontrollieren. Sie wird nicht der entscheidende Faktor, aber eine jener Gruppen sein, die zum Entscheid beitragen, wer gewählt wird.

swissinfo.ch: Und was ist mit der Bewegung “Occupy Wall Street”?

W.H.: Ich wünschte mir, dass sie mehr Lösungen vorschlagen und positivere Dinge einbringen würden.

swissinfo.ch: Welchen republikanischen Kandidaten unterstützen Sie für den Einzug ins Weisse Haus?

W.H.: Ich schätze alle republikanischen Kandidaten, aber ich unterstütze Mitt Romney. Angesichts seiner Erfahrung bei der Entwicklung und Restrukturierung leistungsschwacher Firmen, und der Art und Weise, wie er die Olympischen Spiele von Salt Lake City zu einem finanziellen Erfolg brachte, bin ich überzeugt, dass es Leute wie ihn braucht.

swissinfo.ch: Sie sind, wie Mitt Romney, Mormone. In Umfragen haben zahlreiche Amerikaner gesagt, dass sie die “Kirche der Heiligen der Letzten Tage” als Sekte betrachteten und Mitt Romney nicht wählten, weil er Mormone sei. Kann er dieses Hindernis überwinden?

W.H.: Ja, ich glaube schon. Ich erinnere mich, als John F. Kennedy sich für die Wahlen präsentierte, waren viele Leute beunruhigt, weil er katholisch war. Einige hatten geglaubt, dass man den Katholiken nicht vertrauen könne, und trotzdem gewann er die Wahlen. Letztlich sind die Amerikaner gerecht und messen jeden Kandidaten an der Frage, ob er ein guter Präsident sein würde oder nicht.

swissinfo.ch: Barack Obama hat sehr schwierige Probleme von seinen Vorgängern übernehmen müssen, und seine Popularität ist heute so gering wie jene von Jimmy Carter im damals gleichen Stadium seiner ersten – und letzten – Amtsperiode. Kann Obama trotzdem gewinnen?

W.H.: Gewiss. Der amtierende Präsident steigt jeweils als Favorit ins Rennen. Aber wenn er wiedergewählt würde, wäre es ein Desaster. Die ersten drei Jahre an der Macht haben sich auf wirtschaftlicher Ebene als totales Debakel erwiesen. Er hatte versprochen, dafür zu sorgen, dass die Arbeitslosigkeit nicht über 8 Prozent steige, inzwischen sind wir bereits bei 9 Prozent während fast der ganzen Präsidentschaftszeit.

Die Verschuldung ist seit seinem Amtsantritt um 3 bis 4 Billionen Dollar gestiegen. Trotzdem gibt es keinen Zweifel, dass er in der öffentlichen Meinung noch sehr viel Unterstützung geniesst, und die Tatsache, amtierender Präsident zu sein, ist ein sicherer Trumpf.

Zwischen 1700 und 2009 sind rund 460’000 Schweizer in die USA ausgewandert. Man schätzt, dass rund eine Million Amerikaner Schweizer Wurzeln haben. Gegenwärtig leben rund 75’000 Schweizer in den USA, also mehr als 10 Prozent der Auslandschweizer.

Mit der Unterzeichnung des “Memorandum of Understanding” zur Intensivierung der Beziehungen und der Lancierung eines regelmässigen politischen Dialogs im Mai 2006 wurden die Bande gestärkt.

Die Schweiz vertritt im Iran die amerikanischen Interessen und die kubanischen Interessen in den USA.

Die USA sind für Schweizer Investoren der wichtigste Markt  (2009 betrugen die Investitionen 165,9 Mrd Franken) und für Exporteure der zweitwichtigste Markt (2010: 20,6 Mrd Fr.).

Die amerikanischen Investitionen in der Schweiz belaufen sich auf 73,7 Mrd. Franken. Die USA sind mit 123,4 Mrd. Dollar der viertwichtigste, ausländische Direktinverstor in der Schweiz.

Rund 550 Schweizer Unternehmungen beschäftigen in den USA rund 400’000 Arbeitnehmer.

Landwirt, Chef einer kleinen Firma und seit 1987 republikanischer Abgeordneter aus Kalifornien.

Wally Herger ist 1945 geboren im Sutter County District, benannt nach dem Schweizer Einwanderer John Sutter, der Sacramento gegründet hatte, bevor es Hauptstadt Kalifoniens wurde.

Seine Grosseltern väterlicherseits und seine Grossmutter mütterlicherseits waren Schweizer.

Swiss Caucus: Wally Herger ist – an der Seite der demokratischen Abgeordneten Tammy Baldwin aus Wisconsin – Ko-Präsident der parlamentarischen Gruppe der Freunde der Schweiz.

Herger ist Mitglied der Kommission für öffentliche Finanzen des Kongresses und des Handelsausschusses. Er präsidiert auch den Gesundheitsausschuss. Während 8 Jahren war er Mitglied der Budget-Kommission.

In den Präsidentschaftswahlen 2012 unterstützt er den republikanischen Kandidaten Mitt Romney.  

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft