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Porträt: Ein Leben für die Ökumene

Frère Rogers Leben galt der Ökumene. Der von ihm gegründete Taizé-Orden war die erste ökumenische Gemeinschaft der Kirchengeschichte.

Doch nie hätte sich der Waadtländer träumen lassen, dass Taizé einen solch durchschlagenden Erfolg haben würde.

“Ich konnte nie verstehen, wieso Christen so viel Energie für die Rechtfertigung ihrer Differenzen verschwendeten. Ich wollte deshalb eine Gemeinschaft, in der die menschliche Solidarität gilt, unabhängig von allen Konfessionen”, betonte Frère Roger immer wieder.

Der Ökumene ist die Gemeinschaft in dem burgundischen Dorf bis heute treu geblieben: In Taizé leben etwa 100 Brüder aus 25 Nationen. Wichtig ist dabei die Achtung vor Andersdenkenden aller Glaubensrichtungen, ob orthodoxe Christen, Katholiken, Protestanten, Juden oder Muslime.

In Provence geboren

Roger Schutz-Marsauche wurde am 12. Mai 1915 in Provence im Kanton Waadt geboren. Seine Mutter war eine Französin aus Burgund, sein Vater ein reformierter Pfarrer aus der Schweiz. Von 1937 bis 1940 studierte er Theologie in Strassburg und in Lausanne.

Roger war 25 Jahre alt, als er auf ein Fahrrad stieg und nach Frankreich aufbrach, auf der Suche nach einem Haus für ein Leben mit Gebeten und Gastfreundschaft.

In burgundischen Taizé wurde er fündig. Schnell wurde das nahe der Demarkationslinie gelegene ehemalige Herrenhaus zur Unterkunft für Flüchtlinge, darunter vor allem Juden, die Schutz versteckte.

Liebe und Einheit

Roger selbst hat nie eine eigene Lehre oder Theologie angeboten. Seine Botschaft war einfach Liebe und Einheit unter allen Menschen. Nach Kriegsende nahm der Pfarrer auch deutsche Kriegsgefangene auf und gab damit ein Beispiel für die von ihm später immer wieder gepredigte Versöhnung.

1949 legten die ersten sieben Brüder die klassischen Ordensgelübde von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam ab. So entstand die “Communauté de Taizé”, deren Mitglieder sich zu einem mönchischen Leben und Solidarität mit anderen Menschen verpflichteten.

Die Brüder verdienen sich ihren Lebensunterhalt selbst, mit Handwerk, Druck und dem Vertrieb ihrer Bücher. Auf Spenden verzichten sie, gleichzeitig kümmern sie sich um Notleidende.

Vater der Gemeinschaft

Der charismatische Frère Roger war unbestritten der Vater der Gemeinschaft. Im Soge der 68er-Bewegung wurde aus Taizé ein Ort religiöser Happenings: Immer mehr junge Menschen waren vom einfachen Lebensstil der Brüder fasziniert.

Sogar Papst Johannes Paul II. besuchte im April 1986 die Gemeinschaft und lobte sie als “kleinen Frühling”. Doch trotzdem blieb Frère Roger bis zuletzt unzufrieden mit den Fortschritten der Ökumene.

Im letzten seiner jährlichen Glaubensbriefe forderte er, das Ziel der Ökumene nicht aus den Augen zu verlieren. “Es ist dringlich, Gemeinschaft heute wiederherzustellen; das kann nicht ständig auf später verschoben werden”. Am 17. August 2005 wurde er im Alter von 90 Jahren erstochen.

swissinfo und Agenturen

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