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Regierung verurteilt Geheimpapier-Publikation

Bundesrat Christoph Blocher hat die Bundesanwaltschaft eingeschaltet. Keystone

Die Schweizer Landesregierung verurteilt die Veröffentlichung eines geheimen Dokuments über mutmassliche CIA-Gefängnisse in Osteuropa.

Der Menschenrechts-Spezialist und grüne Nationalrat Ueli Leuenberger fordert im Gespräch mit swissinfo den Bundesrat auf, zur Existenz dieser Gefängnisse Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme zur so genannten “Fax-Affäre”, welche der Bundesrat am Mittwoch durch seinen Sprecher Oswald Sigg veröffentlichen liess, verurteilt die Landesegierung die Weiterleitung des fraglichen Dokuments und dessen Veröffentlichung in der Ausgabe des SonntagsBlick vom letzten Sonntag.

Wer auf diese Weise handle, schädige das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Schweiz und mache sich zudem auch strafbar.

Der Bundesrat habe zur Kenntnis genommen, dass gegen die vorerst unbekannte Täterschaft, welche den militärisch klassifizierten Fax dem SonntagsBlick zugespielt habe, eine vorläufige Beweisaufnahme eingeleitet worden sei.

Ebenso habe die Regierung zur Kenntnis genommen, dass die Bundesanwaltschaft (BA) gegen die Zeitung ermittle und der Oberauditor der Armee gegen deren Chefredaktor sowie gegen zwei Mitarbeiter des Blatts ein militärgerichtliches Verfahren angeordnet habe.

Dick Marty, Ständerat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und Leiter einer Kommission des Europarats, welche die Geschichte um die CIA-Gefängnisse in Europa untersucht, äusserte sich gegenüber dem Westschweizer Radio skeptisch.

“Ich bedaure, dass man die Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, zu zeigen, dass man auf unserem Kontinent mit absolut inakzeptablen Methoden gegen den Terrorismus vorgeht.”

Wenn man über Kuba, Tunesien oder Burma spreche, würde die Menschenrechts-Situation immer heftig angeprangert. Das sei auch richtig so, sagte Marty weiter. “Doch wenn es sich um unseren grossen, mächtigen Verbündeten handelt, ist man extrem vorsichtig, das grenzt an Unterwürfigkeit.”

Auch Menschenrechts-Spezialist Ueli Leuenberger, Nationalrat und Vizepräsident der Grünen Partei (GPS), kritisierte im Gespräch mit swissinfo das Vorgehen des Bundesrats.

swissinfo: Der Bundesrat hat zwar zur Publikation Stellung genommen, sagte aber nichts über den Inhalt des Papiers, die Existenz von geheimen Gefängnissen der CIA. Was ist ihre Reaktion?

Ueli Leuenberger: Dem Bundesrat bleibt nichts anderes übrig, als die Veröffentlichung von geheimen Informationen zu verurteilen. Doch dies ist nicht die Frage.

Die Frage ist vielmehr, warum eine Information im Besitz der Schweizer Geheimdienste nicht richtig eingesetzt wurde. Beispielsweise, warum man sie nicht an Dick Marty weitergeleitet hat, der für den Europarat einen Bericht über die CIA-Gefängnisse vorbereitet.

Weiter hätte die Regierung bei den USA protestieren sollen. Und genau weil der Bundesrat nicht richtig reagiert hat, ist diese Sache nun in die Presse gekommen.

swissinfo: Was erwarten Sie nun von der Regierung?

U.L.: Ich hoffe, dass sie sich die Mühe gibt, die Machenschaften der USA anzuprangern und die Wahrheit über diese Gefängnisse herauszufinden, um schliesslich die Quelle des Lecks zu finden.

Ich erwarte von der Regierung, dass sie aufhört, vor den USA in dieser Frage den Bückling zu machen. Dass sie sich standhaft zeigt.

swissinfo: Sie meinen also, der Regierung stünde eine breite Palette von Möglichkeiten zur Verfügung, in diesem Sinne zu agieren oder nicht?

U.L.: Der Druck der Öffentlichkeit könnte wichtig werden. Wir sprechen hier von einer Verletzung der Menschenrechte und von schweizerischem Recht, die verurteilt werden muss.

Diese Verletzungen bestärken nur diejenigen, die weltweit die internationalen Gesetze nicht einhalten.

Ich muss auch sagen, wie viele andere Grüne, dass ich mich ein wenig betrogen fühle. Anfang Dezember haben Nationalrat Daniel Vischer und andere Interpellationen zum Thema im Parlament eingereicht. Die Regierung wusste davon (vom Inhalt des Fax, die Red.), doch sie hat uns nicht informiert.

swissinfo und Agenturen

Die Veröffentlichung eines als geheim eingestuften abgefangenen ägyptischen Faxes über CIA-Gefängnisse in Europa wirbelt in der Schweiz Staub auf.
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