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Scheidender Staatssekretär zieht Bilanz

Staatssekretär Franz von Däniken: Die Schweiz braucht Alliierte. Keystone

Franz von Däniken, Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), tritt auf Mitte Februar 2005 zurück.

Der Stellvertreter von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey blickt im swissinfo-Interview zurück auf seine Zeit im Bundeshaus.

swissinfo: Franz von Däniken, warum quittieren Sie den Dienst im EDA, eine Ihrer Meinung nach “faszinierende Stelle”?

Franz von Däniken: Es sind jetzt über fünf Jahre, dass ich die Tätigkeit des Staatssekretärs ausübe. Eine Tätigkeit, die mir viel Erfahrungen und Bereicherungen gebracht hat.

Und damit stellte sich für mich die Frage, vor allem nach dem Abschluss der Bilateralen Verhandlungen II, ob ich nochmals eine diplomatische Aufgabe im Ausland aufnehmen oder nicht etwas völlig Neues versuchen sollte. Und ich habe mich für diese zweite Variante entschieden.

swissinfo: Sie werden der Stiftung Drosos vorstehen. Bestehen schon gewisse Ideen, in welche Richtung es gehen soll?

F.v.D.: Die Stiftung steht noch am Anfang und hat breite Zielsetzungen. Im weitesten Sinn geht es darum, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen weltweit zu leisten. Dazu können Projekte in Entwicklungsländern gehören.

Einen besonderen Akzent wird die Stiftung auf die Förderung kreativer Fähigkeiten von Jugendlichen setzen. Eine dritte Zielsetzung besteht in der Hilfe an kranke Leute.

Aber das sind so umfassende Ziele, dass wir notwendigerweise, um nicht einfach mit der Giesskanne um die Welt zu gehen, Schwerpunkte bilden und konzeptionell Ideen entwickeln müssen.

swissinfo: Wer steht hinter dieser Stiftung?

F.v.D.: Die Stifterschaft will ihre Anonymität bewahren. Dieser Wunsch ist zu respektieren. Die Stiftung will nicht Persönlichkeiten in den Vordergrund stellen, sondern ihre Ziele über konkrete Projekte wirken lassen.

swissinfo: Ist das nicht etwas heikel, so wenig über eine Stiftung zu wissen? Vor kurzem ist ja eine Ständerätin fast über Stiftungsgelder gestolpert.

F.v.D.: Diese Gefahr besteht im Fall der Drosos-Stiftung nicht. Über die Herkunft der Mittel gibt es keine Zweifel.

swissinfo: Hat Ihr Abschied auch etwas mit den Sparmassnahmen in Ihrem Departement, dem EDA zu tun?

F.v.D.: Nein! Aber er erfolgt in einem Moment, da alle Departemente vor der Notwendigkeit stehen, ihre Aufgaben zu durchleuchten und Einsparungen zu erzielen.

Das Aussenministerium der Schweiz ist, im Vergleich zu anderen Departementen, relativ ausgabenarm. Das EDA beansprucht knapp drei Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Aber auch im EDA sind schmerzhafte Schnitte unvermeidlich.

swissinfo: Welche Bedeutung hat der Abschluss der Bilateralen Verträge für Sie?

F.v.D.: Diese Abkommen regeln Probleme, sie sind wirtschaftlich interessant und vertiefen die Zusammenarbeit mit der Union. Sie liegen im Interesse der Schweiz.

Wir kommen der Europäischen Union, unserem Nachbarn, in einem wichtigen Anliegen entgegen. In andern Bereichen macht die Europäische Union Konzessionen.

Der politische Vorteil dieser Abkommen liegt darin, dass sie so oder so Sinn machen, sei es, wenn die Schweiz nicht der Europäischen Union beitritt, oder sei es im Hinblick auf einen späteren Beitritt. Sie nehmen nichts voraus, sie sind sinnvoll in jedem Fall. Darin liegt ihr politischer Charme.

swissinfo: Wie sehen Sie die Chancen für die zweiten Bilateralen Verträge im Volk?

F.v.D.: Die eidgenössischen Räte, da bin ich zuversichtlich, werden diesem Vertragswerk zustimmen. Und damit auch ein wichtiges Signal setzen für eine allfällige Abstimmung über das eine oder das andere dieser Abkommen.

swissinfo: Sie haben sich immer pointiert für einen EU-Beitritt ausgesprochen. Warum braucht die Schweiz Ihrer Meinung nach Partnerländer, Allianzen?

F.v.D.: Die internationalen Beziehungen sind so komplex geworden, die Internationalisierung aller Lebensbereiche ist so weit fortgeschritten, dass es eine Illusion wäre, zu glauben, dass die Schweiz die grossen Herausforderungen der Zukunft im Alleingang bewältigen kann.

Zudem haben wir Interessen zu wahren. Eine nüchterne Abwägung führt zur Erkenntnis, dass wir sie am besten mit gleichgesinnten Ländern verfolgen können.

swissinfo: Was ist Ihre persönliche Meinung zum EU-Beitritt?

F.v.D.: Im Gegensatz zu andern war ich nicht schon immer der Meinung, die Schweiz müsse in Richtung EU-Mitgliedschaft gehen. Ich habe diese Überzeugung in den 80er Jahren gewonnen, als ich während fünf Jahren in Brüssel bei der Mission bei der europäischen Gemeinschaft im Einsatz stand.

swissinfo: Wäre eine Freihandelszone mit den USA eine weitere Möglichkeit? Und wie stehen da die Chancen?

F.v.D.: Diese Frage beschäftigt mich im Moment stark. Verschiedene Gründe sprechen dafür, einmal ernsthaft mit den Vereinigten Staaten in Gespräche über den Abschluss eines Freihandels-Abkommens zu treten.

Die Schweiz hat in den letzten Jahren mit vielen Ländern Freihandels-Abkommen abgeschlossen. Es leuchtet mir nicht ein, warum wir mit einem so wichtigen Wirtschafts- und Handelspartner der Schweiz wie den USA nicht auch einmal versuchen sollten, über ein Freihandels-Abkommen zu sprechen.

swissinfo: Welche Rolle spielen die rund 600’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer für die schweizerische Diplomatie?

F.v.D.: Die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland hängt stark von der Wahrnehmung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger im Ausland ab. Aktive, energische Auslandschweizer-Gemeinden leisten einen wichtigen Beitrag zur internationalen Ausstrahlung der Schweiz.

swissinfo: Nur etwas über 80’000 Auslandschweizer haben sich zum Abstimmen eingetragen. Ist das nicht zu wenig?

F.v.D.: Ich glaube, dass wir mit einer regelmässigen Information über die politische Entwicklung in der Schweiz das Interesse noch mehr wecken können.

swissinfo: Wo sehen Sie die Rolle der Schweiz in der Zukunft?

F.v.D.: Die Schweiz steht für Vieles in der Welt: Für ihre humanitäre Tradition, den unparteiischen Einsatz zu Gunsten von Konfliktlösungen, für ihr Engagement in den Ländern des Südens.

Im Bereich der Friedensförderung hat die Schweiz in den letzten Jahren mehr Sichtbarkeit erhalten. Auf diesem Gebiet liegt sicher etwas, was die Staatenwelt von uns erwartet, und wo wir niemanden überraschen.

Wir haben keine historische Belastung, wir haben keine versteckten strategischen Interessen, wir sind “honest brokers”.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Der 55-jährige Diplomat Franz von Däniken ist seit 1999 Chef der Politischen Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Der Stellvertreter der Aussenministein Micheline Calmy-Rey ist seit 1976 im diplomatischen Dienst.

Auf Mitte Februar 2005 hat von Däniken seinen Rücktritt angekündigt.

Ausserhalb von Diplomatie und Verwaltung wird er eine neue Aufgabe übernehmen, indem er den Aufbau und Betrieb der Drosos-Stiftung leiten wird.

Diese Stiftung wurde Ende 2003 gegründet und verfolgt philanthropische Ziele.

Ihre Stifterschaft will im Hintergrund bleiben.

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