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Schweiz hat bei der Entwicklungshilfe noch Potenzial

Wasserversorgung auf der Krim - eines der Entwicklungsprojekte der Schweiz. Keystone

Die Schweiz sollte ihre Entwicklungshilfe weiter erhöhen und gleichzeitig auf weniger Länder und Sektoren konzentrieren, rät die OECD. Globalisierungsgegner kritisieren, die OECD hätte mit ihren Forderungen weiter gehen können.

“Wenn ich die Schweizer Entwicklungshilfe benoten müsste, würde ich ihr 8 von 10 Punkten geben. Lediglich die nordischen Länder machen es besser”, sagte Eckhard Deutscher, Vorsitzender des Entwicklungsausschusses der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Bern.

Die OECD stellte am Montag ihren Länderbericht über die Schweiz vor. Demnach hat die Schweiz 2008 ihre Entwicklungshilfe gegenüber dem Vorjahr um 6% auf 2,2 Mrd. Franken gesteigert. Das entspricht 0,42% des Bruttoinlandeinkommens (BNE). Die Schweiz hat damit ihr eigenes Ziel von 0,4% leicht übertroffen.

Gleichwohl sollte sie laut der OECD eine Quote von 0,5% anstreben und dabei das UNO-Ziel von 0,7% im Auge behalten. Bei einem derart international vernetzten Land wie der Schweiz sei eine Erhöhung der Hilfe angebracht, erklärte Deutscher. Luxemburg und Schweden wendeten fast 1% des BIP für Entwicklungshilfe auf, der Schnitt der OECD-Geberländer liege bei 0,47%.

Der Direktor der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (Deza), Martin Dahinden, wies darauf hin, dass das Parlament Ende 2008 eine Aufstockung der Hilfe auf 0,5% des BIP beschlossen hatte. Angesichts der angespannten Lage der Bundesfinanzen liesse sich dieses Ziel aber nicht so schnell umsetzen, wie es entwicklungspolitisch wünschbar wäre, so Dahinden.

Forderung nach mehr Kohärenz

Die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft Alliance Sud zeigt sich kritisch gegenüber dem Länderbericht der OECD. “Wir verstehen nicht, wieso der Bundesrat die Forderung des Parlaments zurückgewiesen hat, die Quote bis 2015 auf 0,5% zu erhöhen”, sagt Pepo Hofstetter, Kampagnenleiter bei Alliance Sud.

Einig geht Hofstetter mit der OECD in der Frage, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bundesämtern verbessert werden müsse. “Eine kohärente Entwicklungspolitik müsste die gesamte Aussenpolitik – also Bereiche wie Handel, Finanzplatz, Umwelt oder Migration – harmonisieren.”

Auch die OECD ortet bei der politischen Kohärenz einen gewissen Nachholbedarf. Die Schweiz müsse noch besser klären, wie sich die andern Bereiche mit den Entwicklungszielen vereinbaren liessen. Einen ersten Schritt habe das Land gemacht, indem es in sechs Jahren 1,7 Mrd. Franken an gestohlenen Vermögenswerten an Entwicklungsländer zurück erstattet habe.

Doppelspurigkeiten verhindern

Dahinden verwies in dieser Frage auf den aussenpolitischen Bericht 2009. Dieser hält fest, dass Anliegen der Entwicklungspolitik auch in andere Bereiche der Politik einfliessen sollten. Überdies habe die Schweiz den Entwicklungsländern zahlreiche Zollerleichterungen für Agrarimporte gewährt.

Die schweizerische Entwicklungshilfe wird vom Aussendepartement (via Deza) und vom Volkswirtschaftsdepartement (via Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco) gesteuert. Zwar gebe es Koordinierungsbestrebungen, doch müsse die gemeinsame strategische Ausrichtung zwischen beiden Departementen verbessert werden, um Doppelarbeit und Kosten zu verringern, rät die OECD.

Mehr Konzentration nötig

Zwei Drittel der öffentlichen schweizerischen Entwicklungshilfe fliessen an die ärmsten Länder. Laut OECD-Meinung ist die Hilfe aber immer noch auf zu viele verschiedene Länder und Sektoren verteilt. Eine weitere Konzentration sei nötig.

Hier hat die Schweiz laut Dahinden schon erste Schritte eingeleitet. Seit 2003 wurde die Zahl der Schwerpunktländer schrittweise von 24 auf 12 reduziert, die Zahl der Sonderprogramme auf 6, wie Deza-Direktor Dahinden ausführte.

Der OECD-Entwicklungsausschuss überprüft laufend die nationalen Entwicklungspolitiken seiner Mitglieder. Der “Peer Review” für die Schweiz wurde Mitte Oktober unter der Leitung von Belgien und den Niederlanden durchgeführt.

Isabelle Eichenberger, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Sie ist zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe des Bundes.

Die Deza erbringt ihre Leistungen mit rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im In- und Ausland sowie 1000 lokalen Angestellten und einem Jahresbudget von 1,4 Mrd. Franken (2008).

Sie arbeitet in direkten Aktio­nen, unterstützt Programme multilateraler Organisationen und finanziert Programme schweizerischer und internationaler Hilfswerke. Dies in den Bereichen regionale und globale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit mit Osteuropa.

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