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Schweizer Fussballer für WM 2006 qualifiziert!

Keystone

Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft hat in Istanbul gegen die Türkei zwar 2:4 verloren, sich dank der Auswärtstore aber für die WM 2006 qualifiziert.

Nach dem Spiel griffen türkische Spieler mehrere Schweizer tätlich an – Stéphane Grichting musste gar im Spital behandelt werden.

Der Höhenflug des Schweizer Fussballs hält unvermindert an: Die Kicker Köbi Kuhns fahren nächstes Jahr an die Weltmeisterschaft in Deutschland!

Zwar hat die Schweizer Nationalmannschaft am Mittwoch im Hexenkessel des Sükrü-Saracoglu-Stadions in Istanbul vor 42’000 fanatisierten Zuschauern das zweite Entscheidungsspiel gegen die Türkei 2:4 verloren. Auch die acht gelben Karten, die der belgische Schiedsrichter de Bleeckere zückte, drei davon gegen Schweizer, geben nur einen ungenügenden Eindruck vom zuweilen brutalen Einsteigen der Gastgeber.

Doch Alex Frei und Marco Streller holten mit ihren beiden Treffern in der 2. respektive 84. Minute für die Schweiz die Kohlen aus dem Feuer.

Im ersten Barrage-Spiel am vergangenen Samstag in Bern hatten die Schweizer die Türkei mit 2:0 besiegt. Weil in der Barrage bei gleicher Anzahl Siege (je einer) und geschossener Tore (beide Teams je vier) die Auswärtstreffer doppelt zählen, hätten die Türken noch ein weiteres Tor zum 5:2 erzielen müssen, damit sie an Stelle der Schweizer qualifiziert gewesen wären.

Endlich: Streller trifft

Nach der Pause wollte die Zeit für die Schweizer kaum zerrinnen, bis Marco Streller für die vermeintliche Erlösung sorgte. Der Basler, der in Deutschland beim VfB Stuttgart spielt, nutzte einen Konter nach 84 Minuten, bei dem er noch souverän den Goalie ausspielte, mit seinem ersten Länderspieltor zum 3:2.

Aber noch einmal kamen die Türken nahe an die Qualifikation heran, als Dreifach-Torschütze Tuncay per Kopf das 4:2 schoss. Die letzten Spielminuten – vier Minuten wurden nachgespielt – wurden für die Schweizer und deren Fans zur Qual.

Die Qualifikation der Schweiz ist auch mit viel Glück zustande gekommen. Doch ist der Erfolg der Rot-Weissen der gerechte Lohn für eine ausgezeichnete Leistung in der gesamten Qualifikation. Vor der Niederlage in Istanbul hatte die Mannschaft Köbi Kuhns während 14 Spielen nicht mehr verloren.

Gefasster Köbi Kuhn

Ruhig wie immer und mit einer Prise Galgenhumor analysierte der Coach rund dreiviertel Stunden nach dem Abpfiff, was sich zuvor auf dem Rasen abgespielt hatte. “Es hat sich schon vor und während des Spiels gezeigt, dass es keine Ehrenrunde gibt. Die Freude ist unter diesen Umständen nicht so zum Ausdruck gekommen.”

Es sei eines jener Spiele gewesen, die unheimlich an die Nerven gingen. “Nach den beiden Schweizer Toren haben die Türken jedes Mal ihrerseits wieder mit Toren reagiert. Dabei hätten wir den Sack schon frühzeitig zumachen können.”

Selbst um Ruhe gebracht

Die Schweizer hatten sich den grossen Vorteil der frühen Führung alsbald nehmen lassen. Im Unterschied zur souveränen Leistung beim 2:0-Sieg im Hinspiel in Bern verloren sie die Mehrzahl der Zweikämpfe und – besonders gravierend – viele Kopfballduelle.

Mit zwei solcher Szenen kamen die vom fanatischen Publikum angepeitschten Türken noch in der ersten Halbzeit ins WM-Geschäft zurück. Zuerst verwandelte Fenerbahce-Stürmer Tuncay nach 25 Minuten eine Freistossflanke von Emre, und sieben Minuten vor der Pause gelang wiederum Tuncay nach einer hohen, weiten Flanke und Vorarbeit von Routinier Hakan Sükür das 2:1.

Endgültig in Teufels Küche gerieten die Schweizer nach 52 Minuten durch einen Foulpenalty, der vermutlich keiner war: De Bleeckere ahndete eine Intervention von Marco Streller gegen Serhat, obwohl der Schweizer sein Bein zurückzog und sich der Türke theatralisch fallen liess.

Übergriffe auf Spieler und Betreuer

Nachdem sich die Spieler Kuhns fast 40 Minuten lang kaum mehr richtig im türkischen Strafraum gezeigt hatten, bekamen sie Mitte der zweiten Halbzeit plötzlich wieder Platz für gefährliche Konter. Die beste Chance in dieser Phase vergab Alex Frei, der aus bester Position nach Vorarbeit des offensiv wirkungsvollsten Schweizers Tranquillo Barnetta über das Tor schoss.

Mit dem erlösenden Abpfiff des Schiedsrichters verliessen die Schweizer Spieler und Betreuer fluchtartig den Rasen. Sie mussten sich vor aggressiven türkischen Fans in die Kabinen in Sicherheit bringen.

Nach ersten Informationen wurden Spieler und Trainer – genannt wurde Goalietrainer Erich Burgener – beim Verlassen des Spielfeldes von Fans mit Wurfgegenständen eingedeckt und attackiert. Interviews mit den “Helden von Istanbul” liessen deshalb lange Zeit auf sich warten.

Grichting am Schlimmsten betroffen

Mittelfeldspieler Tranquillo Barnetta war schliesslich der Erste, der sich am Schweizer Fernsehen äusserte. Er war zwar glücklich über die Qualifikation, doch sichtlich schockiert von den Ereignissen nach dem Schlusspfiff.

“Türkische Spieler und Betreuer haben Schweizer Spieler in den Katakomben verprügelt, als die Offiziellen nicht hingeschaut haben.” Das gehöre nicht zum Fussball, so Barnetta. Er hoffe, dass er so etwas nie mehr erlebe.

Nach Informationen des Schweizer Fernsehens musste Ersatzspieler Stéphane Grichting nach einem schweren Tritt in den Unterleib in Spitalpflege gebracht werden. Dort wurden innere Blutungen diagnostiziert. Offenbar wurden noch weitere Schweizer Spieler bei den Attacken verletzt.

FIFA interveniert

FIFA-Präsident Sepp Blatter hat nach den Vorkommnissen ein hartes Durchgreifen angekündigt. Von Null bis zur Suspension des türkischen Verbandes oder einem Ausschluss von der nächsten WM-Teilnahme könne alles passieren. “Das macht mich rasend. Da stimmt etwas im Fussball nicht, was da passiert ist. Das habe ich noch nie erlebt”, sagte Blatter.

Der Präsident des Weltfussballverbandes kündigte aber an, dass da hart durchgegriffen werde. Vor der Auslosung am kommenden 9. Dezember in Leipzig müsse der Fall vom Tisch sein.

swissinfo und Agenturen

Alle Teilnehmer der WM 2006:
Europa: Deutschland (als Gastgeber gesetzt), Portugal, Grossbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Kroatien, Polen, Schweden, Serbien-Montenegro, Ukraine, Schweiz, Tschechien, Spanien.
Südamerika: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Ecuador.
Nord-, Zentral- und Mittelamerika: Mexiko, USA, Costa Rica, Trinidad & Tobago.
Afrika: Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Tunesien, Togo.
Asien: Iran, Japan, Südkorea und Saudiarabien.
Ozeanien: Australien.

Die Schweiz hat sich trotz der 2:4-Niederlage gegen die Türkei zum insgesamt achten Mal für eine Fussball-Weltmeisterschaft qualifiziert.

Sie ist im nächsten Sommer mit den besten 32 Teams der Welt in Deutschland dabei.

Das letzte Mal spielte die Schweiz 1994 in den USA an einer WM-Endrunde.

Unter Trainer Köbi Kuhn hat sich die Schweiz als erfolgreiche Mannschaft etabliert.

Vor Istanbul war seine Equipe 14 Spiele unbesiegt geblieben.

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