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Stammzellenforschung scheidet die Geister

Embryonale Stammzellen: Hoffnungsträger und Angstmacher zugleich. Keystone

Die Forschung an Stammzellen soll auch in der Schweiz erlaubt werden. Grosse Hoffnungen aber auch Ängste sind damit verbunden.

Aus ethischen Gründen haben verschiedene Gruppierungen das Referendum gegen das Stammzellenforschungs-Gesetz ergriffen.

Embryonale menschliche Stammzellen sind Zellen, die noch nicht auf eine spezielle Funktion ausgerichtet sind. Sie stammen aus “überzähligen” Embryos, die für die künstliche Befruchtung erzeugt, aber nicht eingesetzt wurden.

Von diesen Zellen erhofft sich die Forschung, dass sie je nach Bedarf eingesetzt werden könnten, um beispielsweise heute unheilbare Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs zu behandeln.

Der Bundesrat und eine Parlamentsmehrheit unterstützen das Stammzellenforschungs-Gesetz, das die Forschung an diesen Zellen in der Schweiz regeln und einschränken soll.

Drei Komitees aus grünen und kirchlichen Kreisen äusserten ethische Bedenken und ergriffen mit über 87’000 Unterschriften erfolgreich das Referendum. Daher befinden die Schweizer Stimmberechtigten am 28. November über das Stammzellenforschungs-Gesetz.

Strenge Regeln

Das neue Gesetz über die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen soll klare und strenge Schranken setzen. Jedes Forschungsprojekt soll auf ethische und wissenschaftliche Kriterien hin geprüft werden müssen. So soll ein Missbrauch wirksam verhindert werden.

Die Gewinnung von embryonalen Stammzellen soll nur mit einer Bewilligung vom Bundesamt für Gesundheit erlaubt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So muss unter anderem das Paar, von dem der überzählige Embryo stammt, ein schriftliches Einverständnis vorlegen. Das konkrete Forschungsprojekt muss von der zuständigen Ethikkommission befürwortet werden.

Ausserdem muss das Forschungsprojekt “von hoher wissenschaftlicher Qualität sein und zum Ziel haben, die Biologie des Menschen besser zu verstehen oder schwere Krankheiten zu erkennen, zu verhindern oder behandeln zu können”, heisst es im Gesetz.

Falls das Forschungsziel auch mit adulten Stammzellen oder solchen von Tieren erreicht werden kann, soll das Projekt die Bewilligung zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen nicht erhalten.

Handel verboten

Überzählige Embryos dürfen nur bis zum 7. Tag für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen genutzt werden. Die Embryos dürfen nicht speziell für die Forschung erzeugt und nur zur Gewinnung embryonaler Stammzellen verwendet werden.

Ausserdem sollen die Ein- und Ausfuhr und der Handel mit überzähligen Embryonen verboten werden. Embryonale Stammzellen sollen ein- und ausgeführt, aber nicht gehandelt werden dürfen.

Pro und Kontra

Die Hoffnung für viele Kranke sei der Hauptgrund, warum er für das Gesetz sei, betont Johannes Randegger, Nationalrat der Freisinnig-Demokratischen Partei FDP und Interessenvertreter der Pharma-Industrie. Ein zweiter Grund sei der Spitzenplatz der Schweiz in der humanen Entwicklungsbiologie.

“Ich möchte, dass unsere Universitäten und Institute diesen Spitzenplatz halten können”, sagt er gegenüber swissinfo. Eine schnelle gesetzliche Regelung sei daher dringend nötig, um den Anschluss an die Wissenschaftswelt nicht zu verpassen.

“Mit diesem Stammzellenforschungs-Gesetz werden aus meiner Sicht klar ethische Grenzen überschritten”, kontert Ruth Genner, Parteipräsidentin und Nationalrätin der Grünen Partei (GPS).

In die Forschung an Stammzellen würden zu grosse Hoffnungen gesetzt, so Genner. “Es bestehen Alternativen in Form von adulten Stammzellen. Das heisst, man verbraucht keine Embryonen, sondern Stammzellen aus dem Körper.”

“Das sind eben keine echten Alternativen”, sagt Randegger. “Es ist nicht bekannt, auf Grund von welchen Vorgängen in den Zellen diese adulten Stammzellen entstehen.”

Ethische Debatte

Ausserdem dürften die Embryos nur bis zum siebten Tag entnommen werden, betont Randegger. Sie würden zwar sterben, doch sei dies “für einen ethisch hochstehenden Zweck”, nämlich der möglichen Therapie heute unheilbarer Krankheiten.

Doch Genner befürchtet, diese Grenze könnte später weiter hinausgeschoben werden. Frauen würden durch das Gesetz “instrumentalisiert, sozusagen Forschungsgut bereitzustellen”. Daher gelte hier die Parole “Ethik gegen Profit”.

Da es sich beim Stammzellen-Forschungsgesetz um eine Gesetzesrevision, respektive ein Referendum dagegen handelt, ist am 28. November einzig das Volksmehr ausschlaggebend.

swissinfo, Christian Raaflaub

Ein überzähliger Embryo soll nur bis zum 7. Tag genutzt werden dürfen.
Die Forscher versprechen sich Therapiemöglichkeiten für degenerative Krankheiten (Alzheimer, Parkinson, Krebs).

Die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen in der Schweiz soll geregelt werden.

Dies sehen der Bundesrat und eine Parlamentsmehrheit im Stammzellenforschungs-Gesetz vor.

Gegen das Gesetz haben drei Organisationen erfolgreich das Referendum ergriffen. Es kommt daher am 28.11. vors Volk.

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