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Wie die Vogelgrippe gestoppt werden kann

Laut dem Schweizer FAO-Experten Samuel Jutzi zeigt die Erfahrung, dass die Vogelgrippe eingedämmt werden kann. Keystone

Die Ausbreitung der Vogelgrippe auf Zucht-Geflügel kann verhindert werden, sagt ein Schweizer Experte der UNO-Organisation für Nahrung und Landwirtschaft.

Für Samuel Jutzi, Direktor der FAO-Abteilung Tierproduktion und Gesundheit, ist das Impfen – unter strikten Regeln – eine wirksame Massnahme, wie die Erfahrung zeige.

swissinfo: Lässt sich mit den Massnahmen, die wir bisher gesehen haben – Stallzwang und beschränktes Impfen -– das Übergreifen der Vogelgrippe auf Geflügel wirksam verhindern?

S.J.: Wenn der Stallzwang mit den erforderlichen Massnahmen der Biosicherheit gepaart wird – Menschen, die mit den Tieren in Kontakt kommen, sowie alles zugeführte Material [Nahrung, Stroh] müssen sicher und sauber sein – dann lassen sich Geflügelzuchten ohne weiteres vor den Gefahren einer Ansteckung schützen.

Dass die Europakommission für gewisse Sektoren der Geflügelproduktion in Frankreich und den Niederlanden das Impfen freigegeben hat, scheint mir ein kluger Entscheid gewesen zu sein…

Es ist möglich, das Virus aus dem Geflügelbereich zu verbannen and es gibt Beispiele von Ländern, denen es gelungen ist, das Virus ganz zu eliminieren.

Während vier Monaten haben wir in Vietnam keine weiteren Krankheitsausbrüche beobachtet und auch Ansteckungen beim Menschen haben sich in diesem Zeitraum keine ereignet.

swissinfo: In der Schweiz haben die Behörden das Impfen von Geflügel ausgeschlossen. Sie sagen, durch allgemeines Impfen verkleinere sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus entdeckt würde. Ist das klug?

S.J.: Ich will das Vorgehen der schweizerischen Veterinärbehörden in keiner Weise kritisieren. Die Situation ist in jedem Land anders und jede Behörde muss das entsprechende Risiko selbst beurteilen.

An der Wirksamkeit der Impfung gibt es keine Zweifel. Aber eine Impfkampagne muss sorgfältig überwacht werden, zum Beispiel indem man in jedem geimpften Tierbestand auch einige so genannte “Wachen” hält, das sind Tiere, die nicht geimpft wurden.

swissinfo: Ist es normal, dass Viren dieses Typs auf andere Arten überspringen? Vermutlich erhöht sich das Risiko, je mehr andere Arten dem Virus ausgesetzt sind.

S.J.: Beim H5N1-Influenza-Virus handelt es sich um ein RNA-Virus, das ziemlich dynamisch mutiert und sich an neue Wirte anpasst. Das Überspringen des Virus beobachtet man seit einiger Zeit, zuletzt bei Katzen in Europa.

Die Artengrenze wird übersprungen, auch zu Menschen und Schweinen. Das ist nicht unbedenklich, denn Schweine und Menschen können als so genannte “Mischgefässe” dienen. Wenn beide mit einem Menschengrippe- und Vogelgrippe-Virus infiziert sind, kann es zu einem Überspringen kommmen. In diesem Fall würde die Kombination des genetischen Materials dann ein von Mensch zu Mensch übertragbares Virus mit der Sterberate eines H5N1 hervorbringen.

Es besteht also durchaus Grund zur Sorge. Wir schauen uns gegenwärtig die Rolle der Katzen in der ganzen Krise genauer an, besonders in Indonesien. Es ist nämlich nicht auszuschliessen, dass die Rolle der Katzen in der Krankheits-Epidemiologie bisher unterschätzt wurde.

swissinfo: Impfstoffe gegen eine allfällige menschliche Pandemie sind in Entwicklung. Wie ist deren Wirksamkeit einzuschätzen? Und ist es angesichts der zu vermutenden Riesennachfrage realistisch, mit einer ausreichenden Produktion zu rechnen?

S.J.: Zurzeit werden verschiedene Impfstoffe produziert, aber ob sie den Menschen im Falle einer Pandemie wirksamen Schutz bieten würden, lässt sich nicht sagen.

Wenn man das doch ein bisschen optimistischer sehen möchte, kann man auch sagen, die Angst vor einer menschlichen Pandemie hat bewirkt, dass riesige Summen in die Forschung investiert wurden. Unsere Industrie dürfte heute entsprechend besser in der Lage sein, bei Bedarf effizient und schnell grosse Mengen von Impfstoffen zu produzieren. Bei der zu erwartenden riesigen Nachfrage muss allerdings immer noch mit enormen Verzögerungen gerechnet werden.

swissinfo: Es gibt Experten die befürchten, die Vogelgrippe könnte unter den Wildvögeln Europas endemisch werden. Teilen Sie diese Meinung?

S.J.: Das ist eine ziemlich heikle Frage und es ist nicht immer klar, ob denn nun eine Krankheit in einer gewissen Gegend endemisch geworden sei oder nicht.

H5N1 ist ein ziemlich aggressives Virus und meist haben gerade bösartige Krankheits-Erreger eher Mühe, sich über lange Zeit zu halten, denn sie töten ja ihren Wirt und ohne Wirt können sie nicht überleben.

Es besteht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass dieses Virus gar nicht in der Lage ist, unter den Wildvögeln Europas heimisch, bzw. endemisch zu werden – es sei denn es gebe unter den Wildvögeln solche, die das Virus in sich tragen können, ohne daran zu sterben. Aber darüber wissen wir heute noch sehr wenig.

swissinfo-Interview: Jonas Hughes
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

In der Schweiz wurden bisher 10 Fälle von Vogelgrippe bei Wildvögeln gemeldet. Beim Geflügel gab es bisher keine Ansteckungsfälle.

Seit dem 20. Februar ist die Freilandhaltung von Geflügel bis auf Widerruf verboten, doch das Bundesamt für Veterinärwesen hat nicht die Absicht, eine allgemeine Geflügel-Impfkampagne durchzuführen.

Das benachbarte Frankreich hat bisher als einziges Land der Europäischen Union Ansteckungsfälle beim Geflügel gemeldet und hat begonnen, Geflügel zu impfen

Die Abteilung Tierproduktion und Gesundheit der FAO befasst sich in erster Linie mit der Verbesserung und Entwicklung der Viehzucht in der ganzen Welt.
Erste Priorität hat dabei die Sicherheit der Tierprodukte für den menschlichen Konsum.
Daneben hilft die Abteilung Bauern in ärmeren Ländern, ihre Produkte auf den Märkten der Welt zu verkaufen.

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