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Das Burka-Verbot hat weniger Wellen geschlagen als die Minarett-Abstimmung

Verschleierte Frau am Genfersee
Auch die reichen Touristinnen aus der Golfregion werden die Burka in Genf nicht mehr tragen dürfen - so wie in der ganzen Schweiz. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Die Annahme der Initiative zum Verbot der Vollverschleierung hat weltweit ein breites Medienecho gefunden. Präsenz Schweiz, die Promotionsagentur der Regierung im Ausland, beobachtet einen generell sachlichen Ton. Vereinzelt wird der Entscheid aber auch als islamfeindlich ausgelegt.

Zahlreiche Medien im Ausland haben über die eidgenössische Abstimmung vom 7. März über die «Anti-Burka-Initiative» berichtet, die mit 51,2% der Stimmen angenommen wurde. «Das Ergebnis der Abstimmung wurde überwiegend sachlich und ausgewogen vermeldet, auch in den Medien muslimisch geprägter Länder», bilanziert Nicolas Bideau, Leiter von Präsenz Schweiz, rund eine Woche nach dem Urnengang.

Tatsächlich heben die Artikel sowohl das knappe Abstimmungsergebnis als auch die Tatsache hervor, dass sich die Schweiz anderen europäischen Ländern anschliesst, die das Tragen des Vollschleiers bereits verboten haben. Die ungewöhnliche Konstellation der politischen Kräfte, die an dieser Abstimmung beteiligt waren, wurde ebenfalls von mehreren Medien festgestellt.

«Die rechtspopulistische Initiative konnte nur dank der zufälligen Unterstützung einiger linker Wähler durchkommen, die für das feministische Argument empfänglich waren», kommentierte zum Beispiel die französische Tageszeitung Le Monde.

Einige Beachtung fand auch die Kritik der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, wonach die Initiative Muslime diskriminiere.

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Eine symbolische Entscheidung

Einige ausländische Medien veröffentlichten in den Tagen nach der Abstimmung kritische Kommentare oder Analysen. Das deutsche Magazin Der Spiegel Externer Linkbeispielsweise glaubt, dass die Entscheidung des Schweizer Volkes ein bitteres Signal an die muslimische Gemeinschaft sendet.

«Wieder einmal ist es Populisten in einem europäischen Land gelungen, Stimmung gegen Muslime zu machen – und aus dieser Stimmung eine Regelung abzuleiten, die inhaltlich wenig, symbolisch aber viel verändert», so die Wochenzeitung, die an ihr Verdikt den Hinweis anschliesst, dass in der Schweiz nach Angaben der Regierung nur etwa 30 Frauen den Niqab tragen.

«Wieder einmal ist es Populisten in einem europäischen Land gelungen, Stimmung gegen Muslime zu machen.»

Der Spiegel

Die pakistanische Zeitung DawnExterner Link zögert nicht, das Verbot der Vollverschleierung mit dem «Streben nach Reinheit» zu vergleichen, wie es die Faschisten in Europa Mitte des 20. Jahrhunderts angestrebt hatten.

«Anstatt Integration und Koexistenz zu fördern, werden solche Massnahmen nur die Kluft zwischen ethnischen und religiösen Mehrheiten und Minderheiten in Europa vergrössern», so die Zeitung.

Die Berliner Tageszeitung tazExterner Link sieht im Abstimmungsergebnis einen «Verlust für die offene und solidarische Gesellschaft in der Schweiz». Die Autorin des Leitartikels glaubt, dass ein Verbot niemandem hilft. «Im Gegenteil, es schadet den wenigen ohnehin marginalisierten Frauen, die in der Schweiz den Niqab tragen und die sich jetzt plötzlich strafbar machen.»

Einige Medien aus muslimischen Ländern sehen im Burka-Verbot einen Beleg für eine zunehmende Islamophobie in der Schweiz. «Empörendes Referendum in der Schweiz, wo die Feindschaft gegen islamische Werte wieder auflebt», titelte die türkische Zeitung Milli GazeteExterner Link. Die pakistanische Zeitung Express TribuneExterner Link befand, die Urheber der Initiative versuchten nur, «Muslime und Einwanderer zu dämonisieren».

Demgegenüber stehen positive Kommentare in der ausländischen Presse, wie etwa in der konservativen britischen Zeitschrift The SpectatorExterner Link. Sie weist darauf hin, dass auch einige Länder mit muslimischer Mehrheit den Vollschleier verbieten, wie der Tschad und Tunesien, und sich dabei auf säkulare Werte berufen. «Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, Länder wie die Schweiz und Frankreich zu beschuldigen, islamfeindlich zu sein», so das Fazit.

Gibt es einen Imageschaden?

Angesichts der zum Teil heftigen Kritik kann der Bund einen Imageschaden nicht ausschliessen. Nicolas Bideau sagt, die Haltung der muslimischen Länder selbst gegenüber der Vollverschleierung werde dabei entscheidend sein. «Es darf nicht vergessen werden, dass es auch in manchen muslimischen Ländern Debatten zu diesem Thema gibt und die Gesichtsverhüllung dabei zum Teil kontrovers diskutiert wird.»

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Es ist nicht das erste Mal, dass ein Schweizer Volksentscheid, der sich auf den Islam bezieht, im Ausland für Schlagzeilen sorgt. Im Jahr 2009 warf das Ja zum Minarettverbot in den Medien hohe Wellen. Der Entscheid sei jedoch auf mehr Kritik gestossen als das Burkaverbot, stellt der Direktor von Präsenz Schweiz fest.

«Die ausländischen Medien werteten die Minarette als ein wichtiges Symbol für den Islam, das durch die Annahme der damaligen Abstimmung angegriffen wurde. Der Verhüllung wird eine solche Symbolik weniger stark zugeschrieben.»

Ausserdem stelle die Schweizer Entscheidung diesmal keine Ausnahme dar, da andere Länder bereits eine solche Massnahme ergriffen hätten. «Damit steht die Schweiz weniger alleine im negativen Fokus als bei der Abstimmung zum Minarettverbot im Jahr 2009», kommentiert Nicolas Bideau.

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