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Gereizte Stimmung vor Lohnverhandlungen

Wieviel sollen Manager verdienen? Keystone

Die Lohnungleichheiten in der Schweiz sind im Hinblick auf die Lohnverhandlungen ein delikates Thema. Die Gewerkschaften haben ihre Forderungen deponiert. Dies auch im Zusammenhang mit den aus ihrer Sicht zu hohen Managerlöhnen.

Eine Umfrage der Handelszeitung bei 70 Firmen, die zusammen 200’000 Personen beschäftigen, ergab, dass die Arbeitgeber lediglich zu Lohnerhöhungen im Rahmen von 1,5% bereit sind – und das unabhängig von der Teuerung.

Der Direktor des Arbeitgeberverbandes, Thomas Daum, warnte davor, dass die unter dem starken Franken leidende Exportindustrie kaum in der Lage sein werde, die Löhne der Angestellten zu erhöhen.

Es wird erwartet, dass die Lohnverhandlungen in diesem Herbst in einer angespannten Atmosphäre stattfinden werden. Die Schweizer Wirtschaft leidet unter einer Abkühlung, in den Nachbarländern geht die Furcht vor einer Rezession um, und der starke Franken verringert die Margen der Exportwirtschaft.

Lohnschere klafft auseinander

Die Gewerkschaften kritisieren zudem, dass sich die Schere zwischen den Löhnen der Angestellten und den Salären der Manager immer weiter öffne.

Im vergangenen April veröffentlichten die Gewerkschaften Statistiken, die aufzeigten, dass der Lohn von gut verdienenden Angestellten zwischen 1998 und 2008 um 10,3% angestiegen ist, währendem Spitzenverdiener 28% mehr Lohn erhielten.

Die kleinen und mittleren Saläre stiegen in der gleichen Periode lediglich zwischen 2% und 4% Prozent, argumentieren die Gewerkschaften mit Blick auf die veröffentlichten Zahlen. Sie halten zudem an ihrer Forderung nach einem Minimallohn fest.

Hohe Managerlöhne in Finanzbranche

Die hohen Managerlöhne sind spätestens seit 2008 zu einem nationalen Politikum geworden. Damals reichte der Unternehmer Thomas Minder seine Volksinitiative “gegen die Abzockerei”, also gegen die hohen Managerlöhne, ein.

Das Parlament tut sich seit Monaten schwer damit, eine klare Haltung zur Initiative einzunehmen, respektive damit, sie abzulehnen, dem Volk zur Annahme zu empfehlen oder einen Gegenvorschlag auszuarbeiten.

Laut der Anlage-Stiftung Ethos sind die Löhne der Manager und Verwaltungsräte der 48 grössten Schweizer Unternehmen im Jahr 2010 um 2% auf eine Summe von insgesamt 1,29 Milliarden Schweizer Franken angewachsen.

Währendem in den meisten Sektoren die Mangerlöhne eher stagnierten, seien sie in der Finanzbranche im Jahr 2010 um 8% gewachsen, berichtete Ethos im vergangenen Juni.

Laut Ethos verdienten Manager in der Finanzbranche im letzten Jahr im Schnitt 4,2 Millionen Franken, währendem die Industrie ihre obersten Führungskräfte mir durchschnittlich 2,5 Millionen Franken entlöhnte.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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CEO verdienten 2010 weniger

Die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Studie. Demnach ist das Lohn-Gefälle bei den absoluten Topverdienern grösser als bei den Geschäftsleitungs-Mitgliedern der Top-Firmen.

Die CEO der 20 grössten Schweizer Firmen erhielten im Jahr 2010 ein durchschnittliches Salär von 7,2 Millionen Franken. Das entspricht einer Reduktion von 12,5% im Vergleich zum Jahr 2009.

Die CEO der 28 nächstgrösseren Firmen erhielten 2010 einen Durchschnittslohn von 2,8 Millionen Franken, was einer Reduktion von 6,3% entspricht.

Ausserdem haben die Führungskräfte mit den tiefsten Löhnen 2010 eine Lohnerhöhung erhalten, während die Spitzenverdiener eine Lohnreduktion hinnehmen mussten.

Kulturwandel

Auch die Boni fielen 2010 weniger grosszügig aus als in den Jahren zuvor. Laut Robert Kuipers von PWC sind die tieferen Boni und Löhne auf den öffentlichen Druck, aber auch auf die schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen zurückzuführen.

“Bei der Festlegung der Boni geht es nicht lediglich um den Gewinn einer Firma, sondern auch um andere Faktoren”, sagte Kuipers gegenüber swissinfo.ch. “Die Firmen wissen, dass auch die besten finanziellen Resultate mit den Regulierungen übereinstimmen müssen.”

Der Wechsel von an den kurzfristigen Profiten einer Firma orientierten Boni zu längerfristig ausgelegten Zielen ist im Gang. “Noch vor wenigen Jahren wollte praktisch jeder in den Gremien sitzen, welche die Boni verteilen. Heute sind dieselben Gremien nichts mehr für Leute mit dünnen Nerven” sagte Kuipers gegenüber swissinfo.ch.

In den meisten Branchen der Schweizer Industrie sind die alljährlichen kollektiven Lohnverhandlungen institutionalisiert.

In etlichen Fällen handeln die Gewerkschaften den Teuerungsausgleich und die Lohnerhöhungen für den ganzen Sektor aus.

In anderen Fällen werden die Verhandlungen lediglich mit einzelnen Firmen geführt.

60% der Angestellten in der Schweiz sind direkt vom Ausgang der Lohnverhandlungen betroffen.

Weitere 25% erhalten höhere Löhne, wenn eine führende Firma in ihrem Sektor mit den Gewerkschaften höhere Löhne aushandelt.

Die Versicherungen sind eine der grössten Branchen, in welcher es keine kollektiven Lohnverhandlungen gibt.

(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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