Auf der Suche nach dem besten grünen Treibstoff
Fliegen gehört zu den schlimmsten Dingen für den persönlichen CO2-Fussabdruck. Nachhaltige Düsentreibstoffe könnten die Luftfahrt klimafreundlicher machen. Schweizer Forschungsinstitute erforschen nun Möglichkeiten zur Herstellung von Treibstoff aus erneuerbaren Ressourcen.
Heute sind Flugzeuge für 2-3% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ihr Anteil ist aber schnell wachsend und wird sich bis 2050 voraussichtlich verdreifachen, da die Nachfrage nach Flügen – sowohl für Passagiere als auch für Fracht – weltweit steigt.
Gemäss Experten gibt es kein Patentrezept, um die Luftfahrt umweltfreundlicher zu machen. Deshalb muss in den kommenden Jahrzehnten eine Reihe von Massnahmen umgesetzt werden. Dazu gehören effizientere Flugzeugdesigns und Elektroflugzeuge.
Aber die beste mittelfristige Lösung, um den CO2-Fussabdruck der Luftfahrt zu verändern, könnte in nachhaltigen Treibstoffen (Sustainable Aviation Fuels – SAFs) liegen, die 2008 erstmals auf den Markt kamen. Sie produzieren bis zu 80% weniger Kohlenstoffemissionen als herkömmlicher Düsentreibstoff und werden aus Biomasse (Pflanzen oder Abfall) oder recyceltem Kohlenstoff hergestellt.
Heute sind sie teuer und werden nur in begrenzten Mengen von Fluggesellschaften als Beimischung zum normalen Treibstoff verwendet. Doch der Dachverband der Fluggesellschaften (IATA), will den Einsatz von SAFs bis 2025 massiv ausbauen. Der Plan erfordert eine stärkere Beteiligung von Fluggesellschaften, Industrie, Regierungen und Wissenschaft, um Wege zu finden, mehr und billigere nachhaltige Kraftstoffe herzustellen.
Das Paul Scherrer Institut (PSI) und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben im Januar die gemeinsame Forschungsinitiative «Synfuels»Externer Link im Wert von 6,2 Mio. Franken ins Leben gerufen, die genau darauf abzielt.
«Nachhaltige Drop-in-Treibstoffe [Flugzeugtreibstoffe, die in die Flugzeugtanks gefüllt werden können, ohne dass Änderungen am Flugzeug vorgenommen werden müssen, die Red.] sind der ideale Übergangspfad», sagt PSI-Forscher Peter Jansohn gegenüber SWI swissinfo.ch.
Sein Kollege Björn Niesen von der Empa stimmt dem zu: «Alternative Flugzeugantriebe wie Wasserstoff und Batterien, die für Langstreckenflüge noch viel zu schwer sind, werden noch lange nicht einsatzbereit sein. Wir brauchen also wirklich eine Drop-in-Lösung. Es gibt keine andere schnelle Alternative», sagt er.
Wie wird es gemacht?
In den nächsten drei Jahren werden die PSI/Empa-Wissenschaftler verschiedene Techniken zur Herstellung von SAFs untersuchen. Bereits heute gibt es mehrere Produktionswege für solche Kraftstoffe. Bei den Verfahren werden Kohlendioxid und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gewonnen und dann zu längerkettigen Molekülen kombiniert.
Die Herstellung eines flüssigen Düsentreibstoffs aus erneuerbaren Quellen kann verschiedene Methoden und einen oder mehrere Zwischenschritte beinhalten, wie z.B. zunächst die Herstellung von Kohlenmonoxid, Methanol, Ethylen oder Dimethylether, sagen die Schweizer Wissenschaftler.
«Die Syntheseroute über Methanol und Dimethylether ist eher etabliert. Die Empa beschäftigt sich mit dem weniger etablierten Herstellungsweg über Ethylen», sagt Niesen. Dieser ist weniger erforscht und technisch unsicherer, erlaubt aber einen einfacheren Weg zum Endprodukt, so die Wissenschaftler.
Biomasse
Die zurzeit zugelassenen Jet-Biokraftstoffe werden über eine etablierte Technik hergestellt, bei der ein Kohlenwasserstoff aus Biomasse – zum Beispiel Abfall, Pflanzenöl, Algen oder Zuckerrohr – entnommen und durch einen thermischen Prozess in Kohlenmonoxid und Wasserstoff aufgespalten wird. Diese werden über den sogenannten Fischer-Tropsch-Prozess – eine Ansammlung von chemischen Reaktionen – in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt.
«Der Nachteil bei der Fischer-Tropsch-Synthese ist, dass man den Prozess nicht immer exakt steuern kann», sagt Jansohn. «Man erhält immer ein Spektrum von Kohlenwasserstoffen, und man muss einen abschliessenden Raffinationsprozess durchführen, um diejenigen herauszufiltern, die wirklich der Qualität von Flugzeugtreibstoff ähneln.»
Nachhaltige Flugkraftstoffe haben ihre Kritiker, zum Beispiel Greenpeace. Die Umweltorganisation behauptet, dass Jet-Biotreibstoffe aus Biomasse eine «falsche Lösung für das Klima» sind. Sie argumentiert, dass die Verwendung von Pflanzen für Biokraftstoffe das Risiko birgt, das fragile Ökosystem stärker zu belasten, und dass die Menschen einfach weniger fliegen sollten.
Alternative Wege
Jansohn stimmt zu, dass begrenzte Biomasse-Ressourcen bedeutet, «andere Kohlenstoff-Ressourcen anzapfen zu müssen», damit in Zukunft genügend SAFs produziert werden könen. Das Recycling und die Wiederverwendung von CO2 aus verschiedenen Quellen – wie industriellen Prozessen oder der Atmosphäre – werde entscheidend sein, sagt er.
Aber auch die Herstellung solcher alternativen synthetischen Kraftstoffe, auch Power-to-Liquid-Kraftstoffe oder E-Fuels genannt, aus recyceltem oder direkt abgeschiedenem CO2 und kohlenstoffarmem Strom ist kein einfacher Prozess. Synthetische Kraftstoffe benötigen viel erneuerbare Energie zu ihrer Herstellung, was sie sehr teuer macht. Ausserdem haben sie einen Kohlenstoff-Fussabdruck, den das PSI/Empa-Team untersuchen wird.
Die PSI/Empa-Initiative ist nicht das einzige SAF-Projekt in der Schweiz, das sich mit alternativen Produktionsmethoden beschäftigt. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die Lufthansa Group eine Partnerschaft mit dem Schweizer Solartreibstoff-Entwickler Synhelion eingegangen ist. Synhelion ist ein Schweizer Startup, das aus der ETH Zürich hervorgegangen ist und eine Technik nutzt, die aus Sonnenlicht und Luft kohlenstoffneutrale Treibstoffe herstellt.
Grosse Chancen, grosse Herausforderungen
Die Luftfahrtindustrie setzt grosse Hoffnungen in SAFs. Da die führenden Fluggesellschaften der Welt eine Netto-Null-Emission bis 2050 in Betracht ziehen, sind SAFs «vielleicht die grösste Chance, dieses Ziel zu erreichen und darüber hinauszugehen», so die branchenübergreifende Air Transport Action Group (ATAG) in ihrem im letzten September veröffentlichten Dokument Waypoint 2050Externer Link.
Die Steigerung der Produktion ist eine grosse Herausforderung. Laut ATAG wird die Industrie bis 2050 wahrscheinlich 450-500 Millionen Tonnen SAFs pro Jahr benötigen. Die aktuelle Produktion liegt bei 64’000 Tonnen pro Jahr.
Aber die Aufgabe ist «bei weitem nicht unüberwindbar», sagt die Gruppe. Eine höhere Produktion könne durch «strenge Nachhaltigkeitskriterien» und durch eine Diversifizierung der Produktion erreicht werden, um eine «Reihe von Rohstoffen von Non-Food-Pflanzen bis hin zu Abfall und schliesslich eine Verlagerung zu Power-to-Liquid-Kraftstoffen» zu nutzen, so die Einschätzung der ATAG.
Politische Rahmenbedingungen und finanzielle Investitionen werden eine entscheidende Rolle spielen, sowie die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten, die mehr für umweltfreundlichere Flüge zu bezahlen bereit sind. Letzten September hat das Schweizer Parlament eine Kohlenstoffsteuer auf Flugtickets beschlossen, von der ein Teil in einen «Klimafonds» und die Produktion nachhaltiger Kraftstoffe fliessen wird.
Verbindliche Massnahmen erforderlich
Die EU arbeitet an Zielvorgaben für Fluggesellschaften, um einen Mindestanteil an SAFs festzulegen. Bislang jedoch vergeblich, aufgrund der hohen Kosten und der schwachen Nachfrage bei den Fluggesellschaften, die sich traditionell gegen verbindliche Quoten wehren. SAFs sind mehr als doppelt so teuer wie herkömmlicher Düsentreibstoff, und die Gewinne der Fluggesellschaften haben im Zuge der Corona-Pandemie einen massiven Einbruch erlitten, was Investitionen in alternative Treibstoffe kurzfristig erschwert.
Inzwischen haben einige Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing eigene Pläne. Boeing will bis zum Ende des Jahrzehnts mit der Auslieferung von Verkehrsflugzeugen beginnen, die mit 100% Biokraftstoff fliegen können.
Die PSI/Empa-Teams sagen, dass verschiedene Seiten Interesse an ihrem Projekt gezeigt haben, darunter das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt und das Verteidigungsministerium. Jedoch sind keine kommerziellen Partner oder Luftfahrtunternehmen derzeit beteiligt.
«Wir sind mit der Technologie und der Entwicklung noch nicht so weit, um grosse Mengen an Treibstoff produzieren zu können», sagt Niesen. «Die Idee ist, uns bis zu einem Stadium vorzubereiten, in dem wir mit industriellen Partnern über die Errichtung von Pilotanlagen und Systemen sprechen können.»
(Übertragung aus dem Englischen: Giannis Mavris)
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