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Nobelpreisträger haut in Davos auf den Tisch

Keystone

Die Menschheit nehme den Schaden, den sie dem Planeten Erde zufüge, immer noch zuwenig ernst, sagt Friedensnobelpreisträger Rajendra K. Pachauri.

Pachauri, Präsident des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), spricht sich am WEF in Davos für die Einführung eines Marktpreises für sauberes Wasser aus.

Der Klimawandel ist zum Alltags-Thema geworden. Alle sprechen davon.

Letztes Jahr sind der ehemalige amerikanische Vize-Präsident Al Gore und das IPCC vom Nobelpreis-Komitee ausgezeichnet worden.

Nun kommt das World Economic Forum (WEF) in Davos – wie bereits 2007 – erneut auf das Thema zu sprechen. Aber wie geht es dem Planeten tatsächlich? Laut Rajendra K. Pachauri steht uns die grosse Herausforderung noch bevor.

swissinfo: Wie würden Sie den aktuellen Zustand des Planeten beschreiben?

Rajendra K. Pachauri: Sein Gesundheitszustand ist nicht sehr gut. Wir müssen diesen Zustand so bald als möglich korrigieren.

swissinfo: Tut denn die Wirtschaft genug dafür?

R.K.P.: Die Wirtschaft, die Regierungen, die Zivilgesellschaft, der Mann von der Strasse: wir alle tun nicht genug!

swissinfo: Was müssen wir denn in erster Linie tun?

R.K.P.: Zuerst müssen wir die Natur des Problems begreifen. Das Problem verlangt nach Modellen, die sich an einer nachhaltigeren Entwicklung orientieren. Das aktuelle Modell ist nicht nachhaltig.

Man muss sehen, dass der Klimawandel lediglich eine Dimension eines viel breiteren Problems darstellt. Das Problem ist, dass wir unsere Ökosysteme und die natürlichen Ressourcen in einer Art und Weise benutzen, die ihnen das Überleben nicht ermöglicht.

Wir müssen also die Art und Weise korrigieren, wie wir Entwicklungen anstreben, wirtschaftlich wachsen und konsumieren. Der Übergang kann nur gelingen, wenn wir eine CO2-Abgabe einführen.

Wir müssen uns der Wirkung unseres Handelns auf die Ökosysteme unseres Planeten bewusst werden und wir müssen diese Sorge unbedingt bei all unseren Entscheiden einbeziehen, um zu einem System zu gelangen, das weniger auf der Umwelt lastet.

swissinfo: Das Wort Rezession ist in Davos ein Thema. Um die Gefahr abzuwenden macht man alles, um die Konsumenten zum Konsumieren anzuhalten. Ihre Meinung dazu?

R.K.P.: Lasst uns konsumieren! Aber wir müssen Güter und Dienstleistungen konsumieren, welche die ökologischen Probleme nicht noch verschärfen.

Nichts steht einem nachhaltigen Konsum im Weg. Vor Tausend Jahren konsumierte die Welt viel Seide, viel Baumwolle und viel Bauholz. Aber all dies in einer nachhaltigen Art und Weise. Im Gegensatz zu heute hat man damals die Ressourcen des Planeten nicht geopfert.

swissinfo: Die Entscheidungsträger reden in Davos viel vom Wasser und von der Idee, das Wasser mit einer Abgabe zu belasten. Welches ist ihre Position zu diesem Thema?

R.K.P.: Wir müssen das Wasser mit einer Abgabe belasten. Das Wasser ist eine rare Ressource, die man nicht als wertloses, abstraktes Gut behandeln kann. Der Wert des Wassers muss auch auf dem Markt eine Rolle spielen.

Gleichzeitig müssen wir auch eine Lösung finden, damit die Armen nicht unter der Preisgestaltung leiden werden. Wie bei andern Gütern muss man sich auch hier die Möglichkeit von Subventionen überlegen.

swissinfo: Die Schweiz ist laut einer in Davos veröffentlichten Studie der Universität Yale das umweltfreundlichste Land der Welt. Was denken Sie über solche Ranglisten?

R.K.P.: Die haben ihre Daseinsberechtigung. Es ist allerdings schwierig, eine definitive Beurteilung der Resultate solcher Rankings vorzunehmen.

Dennoch denke ich, dass sie nützlich sind. Sie geben ein Bild über die Leistungsfähigkeit eines Landes. Es handelt sich nicht um ein definitives Urteil, sondern vielmehr um eine Basis zum Dialog.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson, Davos
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

Der 67-jährige Ökonom und Umweltexperte ist seit 2002 Präsident des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC).

Weiter ist der gebürtige Inder Direktor des Umweltinstituts The Energy and Resources Institute (TERI) in Dehli.

Der Weltklimarat, in dem Experten aus der ganzen Welt vertreten sind, hat seinen Sitz in Genf. Er wurde vor rund 20 Jahren von der Uno gegründet.

2007 ist der vierte Uno-Weltklimabericht erschienen.

Das WEF 2008 in Davos dauert von 23. bis 27. Januar. Es steht unter dem Motto “The Power of collaborative innovation” (Innovation durch Zusammenarbeit).

Erwartet werden 27 Staats- und Regierungschefs, 113 Minister, Leiter diverser internationaler Organisationen, 1370 Unternehmensführer, darunter 74 der 100 grössten Unternehmen der Welt.

Die Zivilgesellschaft wird durch 340 Vertreter aus Religion, Kultur und NGO repräsentiert.

Die Schweizer Regierung ist mit allen Mitgliedern, mit Ausnahme der neuen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, am WEF anwesend.

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