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WEF Davos: Sorge um hohe Nahrungsmittelpreise

Ngozi Okonjo-Iweala, Managing Director der Weltbank. Keystone

Die Generaldirektorin der Weltbank befürchtet negative Auswirkungen der Wirtschaftskrise in den USA und der hohen Nahrungsmittelpreise auf Afrika.

Die frühere Aussen- und Finanzministerin von Nigeria, Ngozi Okonjo-Iweala im Gespräch mit swissinfo.

Zahlreiche Experten am Weltwirtschaftsforum (WEF) Davos befürchten, dass die USA in eine Rezession schlittern könnten. Eine globale Rezession scheint dagegen unwahrscheinlich. Dennoch ist die Sorge mit Händen zu greifen.

swissinfo: Befürchten Sie negative Auswirkungen der amerikanischen Börsenkrise auf die Entwicklungsländer?

Ngozi Okonjo-Iweala: Ja, die Situation ist beunruhigend. Es sieht nach einer ernsthaften Rückentwicklung aus. Ich hoffe für die armen Länder, dass keine globale Rezession entsteht.

Denn im Moment stehen die Entwicklungsländer gar nicht so schlecht da. Sie haben ihre Wirtschaftspolitik verbessert. Ausserdem haben sie aus früheren Krisen gelernt, besonders aus der Finanzkrise Asiens.

Viele dieser Länder haben zur Zeit kein Defizit in ihrer Handelsbilanz. Sie haben Ersparnisse und Reserven angelegt. Sie haben sich dem Handel geöffnet und übernehmen moderne Technologien. Aber trotz des bisherigen Wachstums bleibt ihre Lage unsicher. Besonders diejenige der afrikanischen Länder.

Wenn sich eine ernsthafte Rezession in den USA auf Europa auswirkt – ein wichtiger Markt für afrikanische Produkte – könnte dies negative Folgen für die Nachfrage nach diesen Produkten haben.

swissinfo: Wird die absehbare Rezession in den USA direkte Auswirkungen auf Afrika haben?

N.O.-I.: Dies ist zu befürchten, wenn die Nachfrage nach den afrikanischen Exporten, besonders nach den Rohstoffen, abnimmt.

Allerdings könnte die Nachfrage aus China und Indien diese Verluste wieder wettmachen. Ich befürchte aber trotzdem negative Folgen für den Fall, dass sich die amerikanische Rezession auf China auswirkt.

swissinfo: Zur Zeit explodieren die Benzinpreise und die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide und Mais schnellen ebenfalls in die Höhe. Was bedeutet das für Afrika?

N.O.-I.: Für die rund 17 armen Länder, die grosse Mengen Nahrungsmittel importieren – die meisten sind afrikanische Länder – sind die hohen Preise ein grosses Problem.

Getreide, Reis, Gemüse, Öl: Länder wie Togo, Gambia, Eritrea und Senegal müssen das importieren. Wir müssen uns jetzt bereits Gedanken machen, wie wir bestimmte Länder unterstützen können, um Hungerkrisen abzuwenden.

Längerfristig ist es nötig, die Produktivität der afrikanischen Landwirtschaft zu erhöhen. Land gibt es genug. Aber die Bewirtschaftung muss verbessert werden, damit sich die Leute ernähren können.

swissinfo: Befürchten Sie, dass es wegen der hohen Lebensmittelpreise zu Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte?

N.O.-I.: Durchaus. Denken Sie an China. Das Land versucht, die Preise von Fleisch und anderen Produkten zu kontrollieren. Sie können sich vorstellen, zu was für Spannungen hohe Preise in afrikanischen Ländern führen können.

Das kann die Menschen dazu bringen, mit den Füssen abzustimmen. Nicht nur, indem sie auf die Strasse gehen, sondern auch, indem sie auswandern in Länder, wo sie sich ernähren können.

swissinfo: Wie erklärt sich der rasante Anstieg der Nahrungsmittelpreise?

N.O.-I.: Es gibt mehrere Faktoren auf der Angebotsseite. Man kann eine gesteigerte Nachfrage nach Biotreibstoffen feststellen. Bestimmte Getreide, die man zur Nahrungsproduktion verwenden könnte, werden in Äthanol und andere Energien umgewandelt.

Die Trockenheit in mehreren Ländern ist ein weiterer Grund. Ausserdem der Preisanstieg bei den Düngemitteln (eine Auswirkung des Preisanstiegs bei der Energie). Alle diese Faktoren führen zu einem Rückgang des Angebots. Wenn man einen Teil dieser Faktoren eliminiert, kann man das Angebot wieder erhöhen.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson, Davos
(Übertragung aus dem Französischen: Susanne Schanda)

Die 53-jährige Nigerianerin hat einen Abschluss von Harvard und einen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). 2003 bis 2006 war sie Finanzministerin, 2006 Aussenministerin des bevölkerungsreichsten Lands Afrikas.

Massgeblich an der Schuldentilgung Nigerias beteiligt, hat Ngozi Okonjo-Iweala bereits vor ihrer Karriere in der nigerianischen Regierung rund 20 Jahre bei der Weltbank gearbeitet. Nach ihrem Rücktritt ist sie nach Washington zurückgekehrt. Im vergangenen Oktober wurde sie von Weltbank-Präsident Robert Zoellick zur Managing Director ernannt.

Bundespräsident Pascal Couchepin hat am Mittwoch die 38. Ausgabe des WEF offiziell eröffnet. Er hat an die Staatenlenker und die Zivilgesellschaft einen Appell zur Zusammenarbeit und zur Verantwortung angesichts der globalen Probleme gerichtet.

Vor der Eröffnungszeremonie hat Couchepin mit der amerikanischen Aussenministerin Condoleezza Rice gesprochen. Dabei kamen der Status des Kosovo und die Situation im Nahen Osten zur Sprache, besonders Iran und Libanon. Die beiden Minister haben die “ausgezeichnete Zusammenarbeit” zwischen der Schweiz und den USA unterstrichen.

Zuvor hatte Condoleezza Rice ihre Schweizer Amtskollegin Micheline Calmy-Rey getroffen. Beide gaben ihrer Sorge über die humanitäre Lage im Nahen Osten Ausdruck. Auch Kosovo, Iran und Afghanistan kamen zur Sprache.

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