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Vasella enthüllt die Chemie hinter Novartis

Novartis-Chef Daniel Vasella. Novartis

Laut Novartis-Chef Daniel Vasella wäre jegliche Fusion mit dem Basler Rivalen Roche sowohl für die Schweiz wie auch für deren Pharmaindustrie positiv.

Aber wie Vasella gegenüber swissinfo in einem Exklusivinterview erklärte, ist es unsicher, ob eine solche Fusion je zustande kommt.

Vasella betrachtet die Beteiligung an Roche als eine langfristige, strategische Investition. Seiner Ansicht nach würde eine Fusion die Wettbewerbsfähigkeit stärken und hätte das Potenzial zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Vasella leitet Novartis seit deren Gründung 1996. Er verteidigt auch seine Doppelrolle als Verwaltungsrats-Vorsitzender und CEO des Konzerns.

Letzten Monat wurde Vasella in einer Umfrage bei Schweizer Finanz- und Geschäftsfachleuten zum dritten aufeinander folgenden Mal zum Direktor des Jahres ernannt. Als Hauptgründe für diese Ernennung wurden Strategie, Visionen und nachhaltige Konzernleitung genannt.

In der gleichen Umfrage wurde Novartis zur Schweizer Firma mit dem besten Verwaltungsrat ernannt, vor Nestlé und UBS.

Sein vor kurzem erschienenes Buch “Magic Cancer Bullet” rückte Vasella noch zusätzlich in den Blick der Öffentlichkeit. Darin erzählt er, wie er die Entwicklung von Gleevec (ausserhalb der USA als Glivec bekannt) leitete, die weit herum als der aufregendste Durchbruch in der Krebsforschung angesehen wird.

swissinfo: Wohin führen Sie Novartis? Welche Strategie haben Sie?

D.V.: Zunächst konzentrieren wir uns auf das Gesundheitswesen und innerhalb dieses Bereichs auf Pharmazeutika. Das ist unser Kerngeschäft. Innovation ist der Schlüsselfaktor für den Erfolg, und in sie setzen wir unsere ganze Energie.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie mit Roche fusionieren wollen. Welche Vorteile sähen Sie darin? Warum würde eine Fusion die richtige Chemie schaffen?

D.V.: Unser Hauptinteresse für dieses Land ist es natürlich, die Pharmaindustrie sehr stark zu halten. Der wichtigste Aspekt, den man dabei im Auge behalten muss, ist die Konsolidierung der Industrie in den letzten Jahren. Wir haben nun einige Konkurrenten, die bedeutend grösser sind als wir. Dies bringt uns natürlich in eine Konkurrenzsituation, in der wir hart kämpfen müssen. Grösse ist nicht der einzige bestimmende Faktor für den Erfolg, aber sie ist ein wichtiges Element.

Wie lange müssen Sie Ihrer Ansicht nach warten? Bisher stiessen ja all Ihre Angebote in den Familien Hoffmann und Oeri, den Mehrheitsaktionären der Roche, auf taube Ohren.

D.V.: Ich weiss nicht, ob sie auf taube Ohren stiessen. Auf jeden Fall zeigten sie kein Interesse, überhaupt Gespräche aufzunehmen. Ich möchte nur sagen, dass unser Anteil (32,7%) an Roche eine Investition ist, an die wir glauben, und wir haben nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Wir sagten von Anfang an, dass es eine langfristige Investition mit einer strategischen Komponente ist. Dazu stehen wir nach wie vor.

Würde eine Fusion nicht zum Abbau von Hunderten oder gar Tausenden von Stellen führen?

D.V.: Nein, im Gegenteil: Unsere Fusion [Ciba-Geigy und Sandoz vereinigten sich 1996 zur Novartis] zeigt, dass wir mittelfristig Stellen schufen und nicht abbauten. Nach einem ersten Abbau von Doppelbesetzungen schufen wir neue Arbeitsplätze. Heute haben wir auch in der Schweiz mehr Stellen als je zuvor, und zwar dank einem gesunden Wachstum und dem Wettbewerb. Falls es je zu einer solchen Fusion kommt, was vollständig unsicher ist, sehe ich das Potenzial für neue Stellen für Basel und die Schweiz sowie für unsere Wettbewerbsfähigkeit sehr positiv.

Sie wurden als einer der dynamischsten und charismatischsten Konzernleiter der Schweiz gefeiert. Was motiviert Sie?

D.V.: Wenn jemand eine solche Frage stellt, ist man immer skeptisch und fragt sich, was damit wirklich gemeint ist. Ich weiss, wie zerbrechlich ein solches Image ist, wie schnell es aufgebaut und wie schnell es auch wieder zerstört ist. Ich denke, man muss sehr nüchtern sein und bleiben. Aber wenn Sie mich fragen, was mir wirklich Freude macht, dann ist es, wenn wir Erfolg haben, wenn wir eine innovative Zusammensetzung, ein innovatives Medikament auf den Markt bringen, welches das Leben der Menschen verändert. Das ist für uns wirklich sehr bedeutsam und ist ja auch Sinn und Zweck der Firma.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil bei Novartis beschreiben?

D.V.: Wir sind auf jeden Fall erfolgsorientiert. Das ist zweifellos unsere Zielsetzung, aber dabei muss man auch sehr klare Grenzen setzen. Es braucht organisatorische Disziplin und ethische Standards in der gesamten Organisation. Das Wichtigste für mich ist es, die richtigen Leute auszuwählen und ein dynamisches und professionelles Team aufzubauen. Das macht die Firma aus. Es ist nie eine einzelne Person.

Von Ihnen wurden Sätze zitiert wie: “Manchmal ist Aggression schön” und “Ich will, dass die Konkurrenz verliert und kann sogar Schadenfreude zeigen, wenn bei ihr etwas schief läuft”. Sind Sie so rücksichtslos, wie das tönt?

D.V.: Für mich tönt das mehr nach Spass als nach Rücksichtslosigkeit. Wie würde es denn tönen, wenn ich sagte ‚Ich bin sehr glücklich, wenn wir verlieren. Ich bin äusserst glücklich, wenn die Konkurrenz besser dasteht als wir’? Das wäre doch ziemlich lächerlich. Ich denke, das einzige Besondere daran ist, dass ich es direkt und offen ausgedrückt habe. Das ist ehrlich gesagt kein Geheimnis. Was ich aber für wirklich wichtig halte, ist der Zusatz ‚innerhalb der Grenzen eines fairen Wettbewerbs und des Gesetzes’. Da müssen wir die Grenzen immer neu setzen und die Organisation so führen, dass dies von allen verstanden wird.

Herr Vasella, Sie sind einer der wenigen, die noch immer die Doppelfunktion als Verwaltungsrats-Vorsitzender und CEO einer Schweizer Firma innehat. Inwiefern gibt es Ihrer Meinung nach da einen Interessenskonflikt?

D.V.: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es einen Interessenskonflikt gibt. Ich glaube eher, dass rund 50% der Geschäftsführer in der Schweiz und 80% in den USA diese kombinierte Funktion ausüben.

Man tendiert heute allgemein zu einer Trennung der beiden Funktionen. Der Grund dafür ist vor allem, dass die Leute denken, das Kontrollsystem sei besser, wenn diese Funktionen getrennt sind.

Ich bin auch der Meinung, dass eine Trennung richtig wäre, wenn kein anderer Kontrollmechanismus bestehen würde. In unserem Fall haben wir aber einen unabhängigen Lead Director, der auch die Exekutivsitzungen in meiner Abwesenheit leitet, und der dafür sorgt, dass meine Leistung beurteilt wird. Ausserdem bin ich in unserer Verwaltungsrats-Struktur der einzige Nicht-Unabhängige oder Insider. Wir, der Verwaltungsrat, fühlen uns sehr wohl mit unserem System.

Wie weit stehen Sie unter einem ständigen Druck, umgeben von profitorientierten Investoren und Analysten, welche die Entwicklung von Medikamenten mikroskopisch genau beobachten?

D.V.: Es ist eine Tatsache, dass man in einer solchen Position immer beobachtet wird, deshalb beobachtet man sich auch selber. Das ist vielleicht das Wichtigste. Wir versuchen, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Wert zu schaffen, indem wir unseren Kunden wertvolle Produkte liefern, deshalb können wir nicht kurzfristig planen. Sonst würden wir nicht so stark in die Forschung investieren wie wir das heute tun, denn da gibt es erst in fünf bis zehn Jahren Resultate. Wichtig ist die Transparenz in all dem, und dass man den Investoren kein falsches Bild vermittelt.

Glauben Sie, dass Sie bis zu Ihrer Pensionierung bei Novartis bleiben … oder haben Sie Karriereziele, die Sie vielleicht von Novartis wegführen könnten?

D.V.: Nein, ich denke, es wäre wirklich schwierig, mich wegzulocken. Ich glaube, ich werde bis zur Pensionierung bleiben, wann immer das auch sein wird. Ich hoffe, dass mein Mandat zu einem normalen Abschluss kommt und ich nicht, wie so viele andere, gefeuert werde. Natürlich möchte ich nachher anderes tun. Unsere Familie hat eine private Stiftung gegründet, und ich möchte mit der Zeit einige Projekte in den Entwicklungsländern aufbauen, vor allem für Kinder. Ich möchte nicht einfach Geld geben, sondern mich persönlich engagieren. Das würde mir gefallen.

Sie besitzen ein hochkarätiges BMW-Motorrad und fahren einen Porsche. Ist Daniel Vasella in seiner Freizeit ein wenig ein Playboy?

D.V.: Wenn der Begriff Playboy durch das Fahren eines Motorrades und eines Porsches definiert wird, dann wäre ich einer, aber ich definiere das nicht so. In Tat und Wahrheit habe ich nicht viel Zeit, sie zu fahren.

swissinfo-Interview: Robert Brookes
(Übersetzung: Charlotte Egger)

Novartis ging 1996 aus der Fusion der zwei Basler Firmen Ciba und Sandoz hervor.
Novartis ist der sechstgrösste Pharma-Konzern der Welt, mit einem Marktanteil von 4,2%.
2002 erwirtschaftete Novartis mit einem Umsatz von 32,4 Mrd. einen Gewinn von 7,3 Mrd. Fr.

Daniel Vasella wurde 1996 zum CEO von Novartis ernannt.

1999 wurde er Verwaltungsrats-Vorsitzender.

Vasella ist auch Mitglied des Verwaltungsrats von Pepsico und des Aufsichtsrats von Siemens.

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