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Wissenschaftliche Kooperation: Gewinnen alle?

Aminata Traoré und Mario Molina: Die Schriftstellerin und der Nobelpreisträger. swissinfo.ch

Profitabel für beide Seiten. Das sollte die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd sein. Die technische Hochschule Lausanne widmet ihr zwei Tage.

Dem Optimismus des amerikanischen Nobelpreisträgers steht die Skepsis der afrikanischen Schriftstellerin gegenüber.

Seit über 30 Jahren arbeitet die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) mit Forschungsinstituten des Südens zusammen. Dieses Jahr hat die Hochschule erstmals zwei Tage diesem Thema gewidmet.

Unter den Rednern des Forums an der EPFL waren Prominente zu finden wie Mario Molina; Nobelpreisträger der Chemie 1995 und Aminata Traoré, Schriftstellerin und frühere Kulturministerin von Mali.

Wenn Molina eher optimistisch auf diese Art von Partnerschaft schaut, betont Traoré unermüdlich den ungleichen ökonomischen Austausch zwischen Nord und Süd. Sie ist der Meinung, dass auch der wissenschaftliche Austausch diesem Mechanismus nicht entfliehen kann.

Die Luft von Mexiko

Molina Professor am prestigeträchtigen M.I.T. (Massachusetts Institute of Technology), gilt heute als einer der weltbesten Spezialisten im Bereich der Luftverschmutzung.

Als Beispiel für die Zusammenarbeit verweist er auf seine Arbeit zur Überwachung der Luftqualität in seiner Heimatstadt Mexiko City, einer Stadt mit über 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier haben Amerikaner, Mexikaner und Europäer gemeinsam die Luft gemessen, die lange Zeit als die dreckigste der Welt galt.

“Unsere Arbeit hat die Behörden innert kurzer Zeit dazu gebracht, entsprechende Massnahmen zu ergreifen”, sagte der Nobelpreisträger gegenüber swissinfo. “Und weil die Öffentlichkeit Kenntnis von den Messungen nahm, übte sie ebenfalls Druck aus.”

Für Molina ist die Arbeit mit den Leuten vor Ort der Schlüssel zum Erfolg einer Operation. Und Mexiko sei nur ein Beispiel. Allein in Lateinamerika geben es zahllose Erfolgsgeschichten zu vermelden.

“Gegen die Luftverschmutzung zu kämpfen, ist kein humanitärer Akt. Es ist eine Sorge, die uns alle betrifft”, erinnerte der Professor.

Eine “Win-Win-Situation”

Auch Michel Molitor von der katholischen Universität Louvain in Belgien ist überzeugt. Er gilt als Koryphäe der Nord-Süd-Zusammenarbeit. Für ihn “geht es nicht um das Ansehen der einen Seite und die Bedürfnisse der anderen”.

Es gehe vielmehr darum, den Mechanismus der Abhängigkeit zu durchbrechen, den eine bestimmte Art der Entwicklungshilfe propagierte. “Wir gehen von der Vision unserer Partner im Süden aus, die ihre Bedürfnisse selber bestimmen”, ergänzte Molitor.

So könnten die Wissenschafter beider Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren und ihre Errungenschaften teilen. Man spricht hier von einer “Win-Win-Situation”.

Die Plünderung Afrikas

“Eine schöngefärbte Sicht der Dinge” protestierte Aminata Traoré, Autorin mehrerer Werke zum Thema “Plünderung Afrikas”.

“Vergleichen Sie doch einmal die Realitäten eines europäischen und eines afrikanischen Forschers”, gab die frühere Kulturministerin zu bedenken. “Während der meisten Zeit lebt der afrikanische Forscher in Not und überlegt sich ständig, wie er auswandern könnte.”

Für Traoré ist klar: Der gegenwärtige Zustand des schwarzen Kontinents zeige nachdrücklich das Versagen der Entwicklungshilfe der vergangenen 40 Jahre.

Und die wissenschaftliche Zusammenarbeit könne dieser westlichen “Logik des Profits” nicht ausweichen. “Die Mächtigen haben den Ländern des Südens wirtschaftliche Reformen aufgezwungen, die ihnen freies Spiel geben, sich aufzuführen wie die Räuber”, so Traoré gegenüber swissinfo.

“Sie bezahlen nur für das, was ihnen Profite garantiert. Heute interessieren die Kosmetika viel mehr als etwa Medikamente gegen Malaria.”

Nachhaltig

Doch als Pessimistin will sich Traoré nicht sehen. “Ich habe einfach die Pflicht einer intellektuellen Ehrlichkeit. Der Ansatz zu Lösungen liegt dort, wo man die Probleme beim Namen nennt”, erinnert sie.

Eine Feststellung, der niemand im Saal widersprechen will. Nicht einmal der überzeugte Mario Molina, der weiss, dass die heute gefundenen Lösungen ihre Wirkung erst in der Zukunft voll entfalten werden.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die EPFL hat erstmals Tage der wissenschaftlichen Kooperation gehalten
Ihr Motto: “Win-Win”
Konferenz, Debatten und Workshops richteten sich an Wissenschafter und Entwicklungshelfer

Seit 1994 existiert in der Schweiz die Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE). Ihr Ziel: Die Zusammenarbeit mit und in einem Land selber fördern, um damit einen Beitrag an eine nachhaltige Entwicklung der Welt zu leisten.

Zu diesem Ziel hat die KFPE elf Prinzipien formuliert. Hauptsächlich geht es darum, dass Forschungsinstitute des Nordens und des Südens gemeinsam Forschungsthemen bestimmen und sich die möglichen Gewinne fair aufteilen.

An der Arbeit des Chemie-Nobelpreisträgers Mario in Mexiko City ist auch die EPFL beteiligt. Es geht um die Qualitätskontrolle der Luft, die noch bis vor kurzem als die schmutzigste der Welt galt.

Amerikanische, mexikanische und europäische Forscher arbeiten Hand in Hand.

Die EPFL ist an zwei Fronten dabei: Einerseits mit einem neuen Analyse-System an Fesselballonen in der Atmosphäre. Mit ihnen kann der Anteil Partikel in gewissen Luftschichten gemessen werden.

Andererseits mit computer-basierten Modellen der Atmosphäre. Mit ihrer Hilfe sollen Voraussagen über deren Entwicklung und die Effizienz der Massnahmen möglich werden.

Diese Zusammenarbeit erlaubt den Schweizer Forschern, ihre Instrumente unter realen Bedingungen in einer Megalopolis mit 20 Millionen Einwohnern zu testen.

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