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Wo Syriens Maggiwürfel herkommen

Produktionsfabrik von Nestlé in Damaskus. swissinfo.ch

Nestlé gehört in Syrien zu den grössten ausländischen Investoren ausserhalb des Energiesektors. Maggiwürfel und Nescafé werden hier nicht etwa importiert, sondern in einer Fabrik nahe bei Damaskus hergestellt – mit Schweizer Hygienestandards.

Die Plakatwerbung an der Bushaltestelle in Aleppo spricht eine deutliche Sprache: Vor leuchtend gelbem Hintergrund eine strahlende Ernährungsexpertin im weissen Kittel, neben sich einen Beutel Nido-Milchpulver von Nestlé und eine Waage, die den Eisengehalt von Kuhmilch und Nido-Pulvermilch vergleicht. Das Ergebnis: Nido enthält 21 Mal mehr Eisen als natürliche Milch. Auf dem nächsten Plakat entlang der Hauptstrasse ins Stadtzentrum wird der Proteingehalt verglichen, dann die Vitamine – immer ist Nido der Sieger.

Nestlé verkauft sein Milchpulver in Syrien wie Medizin, und dies mit durchschlagendem Erfolg. In den 1970er-Jahren wurde der Nahrungsmittelmulti wegen seiner Vermarktung von Säuglingsnahrung in Entwicklungsländern heftig kritisiert. Darauf verpflichtete sich das Unternehmen, den Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilch-Ersatzprodukten einzuhalten.

Problem Hygiene

Der Produktionsbetrieb von Nestlé Syrien liegt etwas ausserhalb von Damaskus, in der Region Khan al-Sheikh. Besucher bekommen eine Karte aus Umweltschutzpapier, in die sie allfällige Krankheiten eintragen sollen. “Wir legen grössten Wert auf Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz”, betont Hani Nahleh, Geschäftsführer von Nestlé Syrien, in seinem Chefbüro gegenüber swissinfo.ch. An der Wand hängt ein Schwarzweiss-Foto von Firmengründer Henri Nestlé.

Sicherheit und Hygiene seien der Hauptgrund, warum das Milchpulver in Syrien so gut verkauft werde. “Es gibt hier genug Kuhmilch, allerdings wird diese nicht immer unter hygienischen Bedingungen abgefüllt, gelagert und verkauft. Viele Eltern kaufen für ihre Kinder Nido, weil sie kein Risiko eingehen wollen”, sagt Nahleh. Nestlé sei das einzige ausländische Unternehmen in Syrien, das von der Produktion bis zum Vertrieb und Verkauf alles im Land abwickle.

Die Nestlé-Welt

Die Frage, was in einem Schweizer Betrieb grundsätzlich anders laufe als in einem syrischen, kann der Manager nicht aus eigener Erfahrung beantworten, stammt er doch aus einer libanesischen Textilindustriellen-Familie, wo er seine berufliche Karriere begann. Dann kam er direkt zu Nestlé, vorerst in Libanon, dann in Jordanien und jetzt in Syrien: “In der Nestlé-Welt zieht man weiter.”

Die Gesetze dieser Welt gelten in Syrien als vorbildhaft, weil sie hier längst nicht in allen Betrieben üblich sind: “Unsere Mitarbeiter erhalten einen schriftlichen Arbeitsvertrag, Sozialleistungen und Altersvorsorge. Wir investieren in unsere Leute durch Aus- und Weiterbildung. Bei guter Leistung kann es ein Verkäufer bei Nestlé Syrien bis zum Manager bringen.” Ausserdem arbeite das Unternehmen finanziell transparent gegenüber dem Staat und den Behörden: “Was wir umsetzen, deklarieren wir Eins zu Eins”, betont Nahleh. Die Frage, ob dies in Syrien nicht selbstverständlich sei, will er nicht beantworten.

Mit Haarnetz und Sicherheitsschuhen

Vor dem Rundgang durch den Betrieb müssen wir Uhren und Schmuck abgeben, einen weissen Kittel und ein Haarnetz überziehen und die eigenen Schuhe gegen so genannte Sicherheitsschuhe austauschen, die aussehen wie Wanderschuhe. Die Mitarbeiter tragen grüne Hosen. Auf dem Kittel steht ihr Name. “Amr Kheir” heisst der Betriebsleiter. “Waren Sie schon mal in einem Nestlé-Produktionsbetrieb?”, fragt er. “Sie werden in allen Betrieben, seien sie in der Schweiz oder in Asien, die gleichen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften antreffen”, sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Dann müssen wir wegen des lauten Stampfens der Verpackungsmaschine einen Gehörschutz anlegen. In der Halle werden auf einem Fliessband Tausende von Maggiwürfeln angeliefert, maschinell in Folienpapier und dann in bedruckte Schächtelchen verpackt. Mitarbeiter – auch sie mit Gehörschutz – kontrollieren die einzelnen Arbeitsschritte und schichten die Schächtelchen in braune Kartonschachteln für den Versand.

Beim Eingang zur Produktionshalle verweist Amr Kheir auf einen PC an der Wand: “Er dient der Arbeitszeiterfassung. Hier können die Mitarbeiter ihre Anträge für Freitage und Ferien eingeben.” Eigenverantwortung wird gross geschrieben. “Die Mitarbeiter sollen sich als Teil des Unternehmens fühlen, sich mit dem Betrieb identifizieren”, erklärt Geschäftsführer Hani Nahleh die Personalstrategie. So mahnt eine Schrifttafel über der Tür: “Arbeite mit grösster Präzision! Nicht nur, weil dein Chef dich kontrolliert, sondern weil du selbst es so willst!”

Nestlé war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Syrien präsent, als das Land noch unter französischem Protektorat stand. 1957 eröffnete die Firma ein Repräsentativbüro in Damaskus und 1997 eine Produktionsfabrik.

Hier werden Maggiwürfel und Maggisuppe, Nescafé, das Getreidepräparat Cerelac, das Malzgetränk Milo und das Milchpulver Nido hergestellt. Besonders beliebt sind in Syrien die Nescafé-Portionen-Päckchen “3 in 1” mit einer Fertigmischung aus Nescafé, Milchpulver und Zucker.

Der Nahrungsmittelkonzern war das erste ausländische Unternehmen ausserhalb des Energiesektors, der in Syrien investierte. Heute beschäftigt Nestlé in Syrien 486 Personen und erzielt im Land selbst einen Umsatz von 155 Mio. US-Dollar. Das Unternehmen gehört zu den grössten Steuerzahlern des Landes.

Neben dem Produktionsbetrieb in Damaskus gibt es operative Büros in Aleppo, Latakia, Homs und Jazeera, die den Verkauf und Vertrieb im Land organisieren.

Nestlé Syrien exportiert zudem an die Nachbarländer und nach Saudiarabien, Bahrain, Kuwait, Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Der Standort in Syrien ist Teil der Unternehmenseinheit Nestlé Nahost mit Hauptsitz in Dubai.

Damaskus

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