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Zimbabwe – Als Medizinstudent nach Afrika

Heinz Läubli bei seiner Arbeit im Spital von Musiso, Zimbabwe. K. Morello

Nicht in Afrika auf den Helfertrip gehen, sondern eine andere Welt "von innen" kennen lernen – dies will der Zürcher Medizinstudent Heinz Läubli in Zimbabwe.

Bei seinem Einsatz im Musiso-Spital im ländlichen Süden des Landes hat der 24-Jährige dazu Gelegenheit: Eine Erfahrung, die herausfordert und bisweilen überwältigt.

In einer Sache hatte Heinz Läubli sich gründlich getäuscht. “Nie hätte ich gedacht, dass es in Afrika so kalt werden könnte”, erzählt er. Nach seiner Ankunft in Harare Ende Juni habe er vor Kälte kaum schlafen können.

Nur mit Faserpelzjacke und Regenhose über dem Pyjama liessen sich die Nächte überstehen. Inzwischen sind die Temperaturen in Zimbabwe wieder gestiegen.

Eigene Entscheide fällen

Nun arbeitet der Medizinstudent aus Horgen im Spital von Musiso, weit unten im ländlichen Süden Zimbabwes. Besonders gefällt ihm dabei, dass er nach fünf Jahren Studium hier auch wirklich etwas tun kann:

“Ich darf eigene Entscheidungen treffen und lerne, mit meinem bisherigen Wissen um zu gehen.” Solche Erfahrungen seien bei einem Praktikum in der Schweiz nie zu machen. Da stehe man stets nur daneben und schaue zu.

In Musiso wird der 24-Jährige mit Problemen und Situationen konfrontiert, wie er sie an Schweizer Spitälern nie gesehen hat: Tuberkulose, Malaria, Aids, schwierige Geburten, Geschwüre an allen Körperteilen – und alles in fortgeschrittenem Stadium.

Bis zu 100 Patienten pro Tag

Die Bewohner und Bewohnerinnen dieser armen Gegend kommen erst ins Spital, wenn wirklich nichts mehr geht. Heinz Läubli öffnet riesige Abszesse, näht, gipst gebrochene Arme und Beine und begleitet den Arzt auf seinen Patientenrunden.

Stets gibt es alle Hände voll zu tun. Täglich kommen oft über hundert Patienten ins Ambulatorium. Die meisten werden von den Krankenschwestern behandelt. Erst wenn die Pflegenden nicht mehr weiterkommen wird der Arzt konsultiert. Anders könnte dieser die Fülle der Arbeit nicht bewältigen.

Der wirtschaftliche Niedergang Zimbabwes ist auch in Musiso an allen Ecken und Enden zu spüren: Geht ein Instrument kaputt, besteht wenig Hoffnung auf Ersatz, Verbandstoff wird so lange gewaschen und wieder verwendet, bis er in Stücke zerfällt.

Auch in der Apotheke mangelt es stets an grundlegend notwendigen Medikamenten. Zur Zeit fehlen solche für Schwangere mit Bluthochdruck, Pilzmittel und Cortison.

Gelassenheit, Geduld und Humor

Die Armut und ihre Folgen übersteigen immer wieder das europäische Vorstellungsvermögen. Bedrückend ist oft das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Umso erstaunlicher wirkt es auf den von aussen Kommenden, mit wie viel Geduld und Gelassenheit, gar Humor, schwierigste Umstände ertragen werden.

Da kommt zum Beispiel ein alter Mann mit einer juckenden Hautkrankheit ins Ambulatorium. Wann es damit angefangen habe, wird er gefragt. “Als ich 13 Jahre alt war”, lautet die Antwort.

Warum er dann erst jetzt komme? Der Mann zuckt nur die Schultern. Man sagt ihm, dass weitere Untersuchungen gemacht werden müssten, er solle sich einstweilen auf die Bank im Korridor setzen. – “Für wie viele Tage?”, fragt darauf der Alte.

“Manchmal sind mir die Menschen hier fast zu schicksalsergeben”, findet Heinz Läubli. Ihm fällt das Achselzucken schwer.

Intensivpflege nicht möglich

Einmal verbringt er eine ganze Nacht am Bett eines zweijährigen Kindes, das an einer schweren Lungenentzündung erkrankt ist. Stundenlang horcht er auf den Atem des Kleinen, saugt Schleim ab, beatmet, wenn es nötig ist, überwacht die Infusion. Dank seinem Engagement überlebt das Kind.

Ein solcher Einsatz ist nicht üblich. “Es ist tragisch, aber wir können es uns nicht leisten, für einen einzelnen Patienten so viel Zeit aufzuwenden”, erklärt die einheimische Spitalleiterin. Eine Intensivstation zu führen, liegt für das Musiso-Spital nicht drin.

Ohnehin mangelt es an qualifiziertem Pflegepersonal. Einheimische Fachkräfte nutzen gegenwärtig aus politischen und wirtschaftlichen Gründen jede Möglichkeit, zur Arbeit ins Ausland abzuwandern.

Was löst bei Heinz Läubli der Vergleich mit seiner Heimat aus? “Ich möchte die Probleme, mit denen man in Schweizer Spitälern zu tun hat, nicht abwerten”, sagt er, “Wenn ich jedoch sehe, wie sehr Menschen hier leiden, gibt mir manches schon zu denken.”

swissinfo, Katharina Morello in Zimbabwe

Das Musiso-Spital ist ein katholisches Missions-Spital. Es verfügt über 220 Betten und hat ein grosses Ambulatorium. In einem Gebiet von der Fläche des Kantons Tessin ist es für rund 240’000 Menschen fast der einzige Ort, wo kontinuierlich ärztliche Hilfe zu finden ist.

Nur ganz abseits gelegen, gibt es noch ein kleineres staatliches Spital, das jedoch in den vergangenen Jahren über längere Zeit ohne Arzt war. Gegenwärtig sind dort zwei kubanische Ärzte stationiert.

Im Musiso-Spital arbeiten zur Zeit zwei Schweizer Ärzte, die vom zimbabwischen Staat angestellt sind. Sie wurden durch die Schweizer Entwicklungsorganisation SolidarMed vermittelt.

SolidarMed unterstützt Musiso zudem mit Sachhilfe: Lieferung von Medikamenten, Vermittlung von “gebrauchten” Instrumenten und Einrichtungs-Gegenständen aus Schweizer-Spitälern und Arztpraxen, sowie gelegentlichen Geldspenden, über deren Verwendung die anwesenden Schweizer Ärzte mitbestimmen können.

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