Die Bauarbeiter streiken erneut
Rund 2000 Bauarbeiter haben am Donnerstag in Zürich und Basel 250 Baustellen blockiert, um ihrer Forderung nach einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Nachdruck zu verleihen.
In einigen Tagen finden entscheidende Verhandlungen zwischen Baugewerbe und Gewerkschaften statt.
Die streikenden Bauarbeiter aus Zürich und Basel liessen hunderte roter Ballone mit einer Warnung an die Baumeister aufsteigen. “Nur mit dem LMV (Landesmantelvertrag) gehts auf dem Bau wieder aufwärts”, hiess es auf an Ballonen angehängten Karten.
Zuvor waren die gegen 2000 Bauarbeiter und Gewerkschaftsfunktionäre beim Helvetiaplatz gestartet und über Limmatquai und Bahnhofstrasse lautstark – mit Trillerpfeiffen ausgerüstet – zum Bellevue gezogen.
Vor dem Start des rund zweistündigen Demonstrationszuges wandte sich Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), im Streikzelt auf dem Helvetiaplatz an die Menge. Er bedankte sich bei den Arbeitern für den Einsatz zur Verteidigung des von den Arbeitgebern gekündigten Landesmantelvertrag (LMV).
Der Kampf für diesen Vertrag sei nicht nur für die Baubranche wichtig, sondern habe Signalcharakter für andere Branchen. Sollte es nicht gelingen, den Arbeitgebern hier Paroli zu bieten, sei eine Abwärtsspirale auch bei den Arbeitsbedingungen in anderen Branchen zu befürchten, sagte Rechsteiner.
30 Grossbaustellen in Basel lahmgelegt
In Basel legte der Streik rund 30 Grossbaustellen wie Claraspital oder IKEA Pratteln lahm, wie ein Gewerkschaftssprecher sagte. Um neun Uhr hätten sich rund 150 Streikende beim lokalen Streikzentrum, der Baustelle St. Jakobs-Turm, eingefunden.
Nach Angaben der Gewerkschaften Unia und Syna beteiligten sich rund 1500 Bauarbeiter von 200 Baustellen im Grossraum Zürich bereits am Morgen an einem Umzug vom Helvetiaplatz zum Hauptbahnhof. Die Polizei sprach von rund 1300 Demonstranten.
Unia zufrieden mit Mobilisierung
Hansueli Scheidegger, Chef Bau bei der Gewerkschaft Unia, zeigte sich sehr zufrieden und positiv überrascht von der Mobilisierung der Arbeiter. Laut Scheidegger gab es kaum mehr eine Baustelle im Raum Zürich, auf der noch etwas lief.
Scheidegger räumte zwar ein, dass ein Teil der Baufirmen den Bauarbeitern frei gegeben habe, um den Streiktag zu schwächen. Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass der Warnstreik die Arbeiter im Grossraum Zürich stark mobilisiert habe.
Dem widerspricht der Schweizerische Baumeisterverband (SBV). Die Beteiligung der Basler und Zürcher Bauleute sei relativ gering, sagte SBV-Direktor Daniel Lehmann. Ein Grossteil der Streikenden kam seiner Meinung nach aus anderen Kantonen. “Wir wissen, dass eine stattliche Anzahl von auswärtigen Cars eingefahren wurden.”
Lehmann bestreitet zudem, dass es sich bei den Aktivitäten in Basel und Zürich um eigentliche Streiks handelt. “Das ist Wunschdenken der Gewerkschaften.” Vielmehr handle es sich um gelenkte Störaktionen von Gewerkschaftsfunktionären und Dritten.
Kampf um GAV
Mit den Streiks wollen die Gewerkschaften einen neuen Landesmantelvertrag (GAV in der Baubranche) für die über 80’000 Bauarbeiter in der Schweiz erzwingen. Der alte LMV lief Ende September aus, er war vom Baumeisterverband gekündigt worden.
Seit 1. Oktober herrscht daher in der Baubranche der vertragslose Zustand. Hauptstreitpunkt im Arbeitskampf sind die wetterbedingten Ausfallstunden, bei denen die Arbeitgeber mehr Flexibilität verlangen. Zudem befürchten die Gewerkschaften ohne LMV Lohndumping.
Im September und Oktober fanden in verschiedenen Städten Grosskundgebungen und Streiks statt, an denen sich Tausende Bauarbeiter beteiligten. Mitte Oktober ruhte die Arbeit auf den NEAT-Baustellen am Gotthard.
Der Baukonzern Implenia bereitet eine Klage gegen die am Streik von Mitte Oktober an den NEAT-Baustellen beteiligten Gewerkschaften vor. Die Klage soll in den nächsten 14 Tagen eingereicht werden, erklärte Implenia-Sprecher Luzi Gruber.
swissinfo und Agenturen
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GAV
Der Landesmantelvertrag, wie der Gesamtarbeitsvertrag in der Baubranche heisst, ist vom Schweizerischen Baumeisterverband im vergangenen Mai gekündigt worden. Ende September ist er ausgelaufen.
Im Bauhauptgewerbe arbeiten rund 80’000 Beschäftigte.
Die Sozialpartner finden keine gemeinsame Lösung. Die Baumeister möchten eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, um die saisonale Unterbeschäftigung im Winter zu vermeiden (Minusstunden-Regelung).
Die beiden Gewerkschaften Unia und Syna sehen darin eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, gegen die sie sich stemmen.
Die Arbeitsbedingungen seien ohnehin im Bau besonders hart.
Nach Warnungen sind Mitte Oktober die NEAT-Baustelle am Gotthard und Baustellen in Bern, Genf und Neuenburg bestreikt worden.
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