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“Sesam” wird geschlossen

"sesam" wird beendet: Zu wenig Mütter haben ihr Einverständnis gegeben. Keystone

Das umstrittene nationale Forschungsprojekt "sesam" lässt sich nicht realisieren. Dies, weil nicht genügend Studien-Teilnehmer gefunden werden konnten.

Vorgesehen war, mit einer Langzeitbeobachtung von Kindern ab ihrer Geburt die Entwicklung der psychischen Gesundheit zu untersuchen.

Das Projekt war ehrgeizig: Die Langzeituntersuchung “sesam” (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health) wollte durch das Beobachten von 3000 Familien während 20 Jahren Erkenntnisse über die psychische Gesundheit gewinnen.

Nun hat “sesam” beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF)die Einstellung der Kernstudie beantragt: Das angestrebte Ziel, innert zwei Jahren mehrere Tausend Studienteilnehmende zu rekrutieren, könne nicht mehr erreicht werden, teilte das “sesam”-Leitungsgremium (SEC) mit.

Unter diesen Umständen könne die Studie in der geplanten Form nicht erfolgreich durchgeführt werden.

“sesam”-Basis ist die Universität Basel. Beteiligt sind daneben Forschende in Genf, Lausanne, Bern und Zürich.

Erst knapp zwei Dutzend

In Basel hätten sich erst knapp zwei Dutzend Mütter von Kleinkindern zur Teilnahme bereit erklärt, hiess es beim SEC.

Basel hatte eine Leitfunktion: Teilnehmende wurden hier schon seit Oktober gesucht, anderswo wurde dagegen, wie in Bern, erst vor kurzem damit begonnen, oder die Projekte sind noch gar nicht bewilligt.

Das SEC gibt somit die Kernstudie auf. Weiterführen möchte es dagegen Teilstudien, bei denen die Teilnehmenden unabhängig von der Kernstudie rekrutiert werden.

Zudem solle die zentrale wissenschaftliche Fragestellung – die Erforschung von Faktoren für die gesunde seelische Entwicklung – weiter untersucht werden.

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SNF

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) ist eine privatrechtliche Stiftung, die im Auftrag des Bundes hauptsächlich die Grundlagenforschung in der Schweiz unterstützt. Der SNF fördert alle Disziplinen, von Philosophie über Biologie bis zu Nanowissenschaften und Medizin. Die Hauptaufgabe des SNF besteht darin, die von Forschenden eingereichten Projekte wissenschaftlich zu begutachten und diese im Rahmen der verfügbaren Mittel…

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Umfrangreiche Vorarbeit geleistet

Dazu seien bereits umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten geleistet worden, zu denen erste Ergebnisse vorlägen, hiess es in der Mitteilung. Eigens geschaffen wurde auch die nötige Infrastruktur. Auch der Antrag auf Weiterführung der Teilstudien müsste aber laut Auskunft des SEC vom Nationalfonds noch bewilligt werden.

Die Ethik-Kommisssionen beider Basel hatten dem Projekt vor Jahresfrist zugestimmt. Allerdings formulierten sie sieben Auflagen. Nicht gestattet wurde dabei die Gewebeentnahme zwecks Untersuchung der genomischen DNA bei Kindern. Insbesondere dieses Vorhaben hatte zuvor zu anhaltender Kritik geführt.

Basler Appell: “Riesenflop”

Der Basler Appell gegen Gentechnologie, der 2006 eine Petition mit 12’000 Unterschriften gegen das Projekt eingereicht hatte, sprach am Donnerstag von einem teuren “Riesenflop” und einem “Desaster für die Leitung des Projekts”, die seit Monaten Dutzende von Mitarbeitenden beschäftige.

Peinlich sei der Verzicht aber auch für die Universität Basel und den Nationalfonds, hiess es weiter. Es sei zu hoffen, dass der Nationalfonds, der Millionen an das Prestigeprojekt gezahlt habe, aus der “unglaublichen Fehlinvestition öffentlicher Gelder eine Lehre zieht”.

“Handlungsdruck bleibt”

Der Handlungsdruck bei psychischer Gesundheit bleibt, schreibt “sesam” auf seiner Webseite. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Europäische Ministerielle WHO-Konferenz zur Psychischen Gesundheit in Helsinki seien bereits vor Jahren zum Schluss gekommen, dass die psychische Gesundheit in den kommenden Jahrzehnten wesentlich über das Wohlergehen des Einzelnen und der Gesellschaft entscheiden werde.

Bereits heute seien Depressionen zur zweithäufigsten Ursache schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen und vorzeitiger Sterblichkeit geworden.

swissinfo und Agenturen

Erste Ideen für das Projekt “Swiss Etiological Study of Adjustement and Mental Health” (sesam) werden ab dem Jahr 2000 entwickelt.

Im März 2005 bewilligt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) sesam als Nationalen Forschungsschwerpunkt.

Darauf folgen Proteste wie derjenige der Organisation “Basler Appell gegen die Gentechnologie”, die verlangt, sesam die Unterstützung zu entziehen.

Verschiedene parlamentarische Vorstösse auf kantonaler (Basel) und nationaler Ebene werden eingereicht.

Die Ethik-Kommission beider Basel trägt im März 2007 der Kritik insofern Rechnung, als sie die Durchführung der Studie nur unter Auflagen bewilligt. Namentlich dürfen den Kindern keine Gewebeproben für DNA-Analysen entnommen werden.

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