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Kaukasisches Friedensorchester in der Schweiz

Das Kaukasische Kammerorchester unterwegs in der Schweiz. (swissinfo)

Wegen des Kriegs mit Russland war es für das Kaukasische Kammerorchester äusserst schwierig, aus der georgischen Hauptstadt Tiflis auszureisen. Nun starten die Musiker von Ascona aus ihre kleine "Friedens-Tournee" durch die Schweiz und Italien.

Dem Dirigenten Uwe Berkemer und den Musikern waren die Strapazen noch anzumerken. Über 20 Stunden dauert die Reise, um von Georgien in die Schweiz zu kommen. “Als wir am Montag starteten, fielen noch russische Bomben auf Tiflis”, erzählt Berkemer gegenüber swissinfo.

Die Bomben trafen auf Häuser in der Nachbarschaft. “Die Panik war gross, mein Haus hat auch gewackelt”, erinnert sich der Dirigent. Ein Musiker sagte deshalb ab. Er wollte seine hochschwangere Frau nicht in der grossen Ungewissheit alleine zu Hause lassen.

Der Flughafen in Tiflis war geschlossen. Daher musste das ganze Ensemble per Charterbus in die armenische Hauptstadt Eriwan fahren. Von dort ging es per Flugzeug weiter in die Schweiz und schliesslich ins Tessin.

Gast am Monte Verità

Der Monte Verità ob Ascona beherbergt das Orchester im Rahmen seiner Aktivitäten zur Förderung der Menschenrechte. Das “Caucasian Chamber Orchestra” ist nicht irgendein Orchester, sondern eines, dass aufzeigen will, dass es trotz unterschiedlicher ethnischer Herkunft möglich ist, zusammen zu arbeiten und Musik zu machen.

In dem kleinen Ensemble sind Berufsmusiker mit russischen, georgischen und armenischen Wurzeln sowie solche aus Dagestan vertreten. Die Hoffnung ist, auch Tschetschenen und Aserbaidschaner für das Ensemble zu gewinnen.

Hinter der Initiative steht der deutsche Dirigent Uwe Berkemer, der seit 2000 in Tiflis lebt. Er hatte auf einem Gastspiel die georgische Violinistin Bela Makharadze kennengelernt, sich verliebt und dann geheiratet.

Ethnische Spannungen überwinden

Durch das Leben in Georgien begann Uwe Berkemer bald die ethnischen, religiösen und kulturellen Spannungen zu verstehen, welche die Krisenregion des Kaukasus auszeichnen. Und er wollte mit seiner Arbeit, mit der Musik, etwas unternehmen, um diese Spannungen zu überwinden.

Deshalb gründete er 2003 das Kammerorchester mit Musikern aus allen Ecken des Kaukasus. Unter grossen Schwierigkeiten tritt das Orchester seither in der Kaukasus-Region auf. Denn nicht überall wird die Friedensbotschaft des Orchesters geteilt.

Finanziell ist die Zukunft des Ensembles unsicher. Bis Ende 2007 war das Orchester als permanentes Berufs-Ensemble aktiv. Dann brach die Finanzierung weg. Seit Januar 2008 kann das Orchester nur noch für Projekte zusammenarbeiten, was auch direkt mit der schwierigen politischen Situation im Land zusammen hängt.

Schweizer Dokumentarfilm

Die Arbeit des Orchesters haben die beiden Tessiner Filmemacher Mario Casella und Fulvio Mariani im Dokumentarfilm “Grozny Dreaming” festgehalten. Die Voraufführung fand in Ascona in Anwesenheit der Orchestermitglieder statt.

Die Regisseure hätten diese Film gerne am laufenden internationalen Filmfestival von Locarno gezeigt. Und wegen der jüngsten Entwicklung im russisch-georgischen Konflikt wäre der Film topaktuell gewesen. Zum Ärger der Regisseure war das Filmfestival nicht auf das Angebot eingestiegen.

Dabei wurde der Film vom Bundesamt für Kultur, von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und dem Schweizer Radio und Fernsehen italienischer Sprache (RTSI) gefördert. Zudem gaben der Kanton Tessin und Migros Kulturprozent Beiträge.

Das Projekt der Tournee des kaukasischen Kammerorchester steht unter der Schirmherrschaft der Unesco und wird auch im Rahmen der Partnerschaft mit der Stadt Venedig organisiert. In der Schweiz stehen Konzerte in Ascona, San Bernardino und Luzern an. In Italien in Venedig und Verona.

swissinfo, Gerhard Lob, Ascona

Das Kammerorchester mit Musikern aus verschiedenen kaukasischen Republiken und sein Dirigent haben einen gemeinsamen Traum: Sie wollen durch die gepeinigte Region touren und beweisen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist.

Der grösste Traum wäre es, im Nordkaukasus – in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny – aufzutreten. Doch es ist schwierig, das Vorhaben zu verwirklichen.

Der Film erzählt an Hand einiger Schlüsselfiguren aus dem Leben der Musiker, zeigt Sequenzen aus ihren Heimatdörfern mit ihren Familien, Filmmaterial aus Archiven und historischen Filmen zur Erinnerung an die Zeit der UdSSR sowie Kriegsbilder aus der Region.

Den Abschluss bildet ein Konzert ohne Publikum im Denkmal zur russisch-georgischen Freundschaft.

Das Kaukasische Kammerorchester tritt in Ascona (13.8.), in St. Bernardino (15.08) und in Luzern (19.08) auf.

Danach folgen Konzerte in Venedig (21.08.) und Verona (22.08).

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