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Picasso – in Zürich mal anders

Picasso-Faltkalender aus dem Jahr 1970: Für jeden Monat ein Charakterkopf. ETH Zürich

Der St. Galler Schriftsetzer und Publizist Bruno Margadant hat seit 1949 über 380 Gebrauchsgrafiken von Pablo Picasso erworben.

Die Graphische Sammlung der ETH Zürich zeigt bis 30. Juni eine repräsentative Auswahl.

Weltberühmt ist Pablo Picasso als Maler, Zeichner, Keramiker, Bildhauer – und Grafiker. Seine Gebrauchsgrafik sei allerdings bisher, in der Schweiz zumindest, kaum wahrgenommen worden, heisst es in der Medienmitteilung der Graphischen Sammlung. Ihre Präsentation soll also eine Lücke schliessen.

Bruno Margadant war vorher schon ein leidenschaftlicher Sammler von politischen Plakaten gewesen. “Karten, Bücher, Noten: dies ist eine Kunst zum Gebrauchen – Picassos Werk, das in den Museen hängt, interessiert mich hingegen kaum”, so der Sammler in der ETH-Webzeitung. “Für mich ist nämlich der Begriff ‘Original’ in seiner von der Kunstwelt verwendeten Art irrelevant.”

Einsatz für den Weltfrieden

Zu sehen sind neben Postkarten, Illustrationen von Zeitschriften und Büchern auch zahlreiche Plakate, die Picassos politisches Engagement dokumentieren. Picasso hat seine Kunst als Waffe verstanden, mit der er sich für den Weltfrieden einsetzte. So ziert seine berühmte Friedenstaube zahlreiche Plakate des Weltfriedenskongresses, der erstmals 1949 in Paris stattfand.

Aufsehen erregte Picasso 1944, als er der Kommunistischen Partei Frankreichs beitrat. Die “Humanité”, das Organ der KPF, empfing “le plus grand des peintres aujourd’hui vivants” geradezu euphorisch, wie die Kuratorin der Ausstellung, Katja Herlach, anhand eines Zeitungsoriginals belegt.

Dass Picasso jedoch alles andere als ein blinder Parteigänger war, macht die Ausstellung ebenfalls deutlich. Als die “Lettres françaises” im März 1953 in einer Sondernummer zum Tod Stalins ein Porträt Picassos publizierten, trübte sich das Verhältnis des Künstlers zur KPF vorübergehend.

Der Grund lag darin, dass Picasso sich weigerte, den Diktator in der Tradition des Sozialistischen Realismus als reifen Helden der Revolution zu zeichnen. Stalin wirkt eher wie ein junger Mann der Strasse, stilisiert und mit einem leicht melancholischen Gesichtsausdruck. Das musste die Genossen erzürnen.

Lebendige Striche

Ein weiteres in der Ausstellung dokumentiertes Engagement Picassos war sein Eintreten für die republikanische Seite im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939). Berühmt sind in diesem Zusammenhang seine surrealen und heftig anklagenden Werke zur Zerstörung des baskischen Städtchens Guernica (1937).

Neben der politischen Gebrauchsgrafik sind in der Ausstellung zahlreiche Werke zu entdecken, die Picasso als Meister moderner Kunst und als Liebhaber des profanen Lebens bestätigen. Wenige Striche genügten ihm, um ein Tier, eine Eule, eine Ziege, eine Taube, einen Stier oder ein Kindergesicht zum Leben zu erwecken.

swissinfo und Karl Wüst, SFD

Der etablierte Kunstbetrieb hat Picassos Werk auf Plakaten, Karten, Kalendern oder Büchern stets wenig beachtet.

Der St. Galler Schriftsetzer und Publizist Bruno Margadant jedoch hat sich auf diese Art Kunst spezialisiert.

Seit Ende der 40er-Jahre hat sich der begeisterte Sammler politischer Plakate auch für Picassos Werke interessiert.

Die graphische Sammlung der ETH Zürich verschafft mit der über 380 Stücke umfassenden Sammlung nun einen Überblick.

Die Ausstellung bietet auch ein Begleitprogramm.
Zu erwähnen sind namentlich zwei Veranstaltungen mit Katja Herlach und Bruno Margadant (22. Mai, 12.30 Uhr).
Speziell ist auch ein Vortrag des Musikwissenschafters Walter Labhart zum Thema “Vom Ragtime zur Eluard-Vertonung – Picasso und die Musik seiner Zeit” (28. Juni, 18 Uhr).
Alle Veranstaltungen finden in der Graphischen Sammlung statt.

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