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Renaissance eines helvetischen Europa-Symbols

Nostalgische Postkutschenfahrt von Andermatt nach Airolo. swissinfo.ch

Die Aufnahme des alten Gotthard-Hospiz auf der Passhöhe in die Liste des europäischen Kulturerbes ist mit einem Festakt begangen worden. Bundespräsidentin Doris Leuthard wird das in ein Hotel umgebaute Hospiz am 1. August offiziell einweihen.

Es stammt vermutlich aus dem 13. Jahrhundert und ist das älteste Gebäude auf dem Gotthard-Pass; mit Sicherheit das geschichtsträchtigste.

Mehrfach ist das auf 2100 Meter über Meer liegende Haus umgebaut oder gänzlich neu gebaut worden.

Goethe war hier, Mendelssohn oder auch Wagner. An der Nordseite umschliesst das heutige Gebäude eine kleine Kapelle aus dem 16. Jahrhundert.

Ursprünglich als Haus des Priesters 1623 erstellt, wurde es im 18. Jahrhundert nach dem Niedergang der Lawine vom Monte Prosa als eigentliches Kapuziner-Hospiz neu aufgebaut und nach und nach vergrössert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brannte es bis auf die Grundmauern ab, wurde dann aber wieder aufgebaut. Allerdings geriet das Alte Hospiz im Sammelsurium der Gebäude mit der dominanten Sust und dem Hotel San Gottardo etwas in Vergessenheit – zuletzt wurde es nur noch teilweise vom Personal des benachbarten Hotels genutzt.

In Vergessenheit geraten

“Auch wir Tessiner hatten es vergessen”, räumt der freisinnige Ständerat Dick Marty ein. Er ist Präsident der Stiftung Pro San Gottardo, die das alte Hospiz seit 1972 besitzt und jetzt eine umfassende Renovation durchgeführt hat.

Diese Renovation war laut Marty nötig, um einen Ort von grosser symbolischer Kraft wieder herzustellen: “Der San Gottardo ist das wahre Symbol der Schweiz, nicht die Rütliwiese, die eher einen Mythos darstellt.”

Der Gotthard ist mit intensivem Strassen- und Bahnverkehr konfrontiert, dessen Symbol das Hospiz geblieben ist. Die europäische Dimension des Bauwerks ist auf dem Gotthardpass allgegenwärtig. Es ist der Treffpunkt der Reisenden auf dem Weg nach Süden und nach Norden.

Europäisches Kulturerbe

Genau aus diesem Grund hat das Bundesamt für Kultur das Gotthard-Hospiz zusammen mit der Kathedrale St. Peter in Genf und dem Schloss in La Sarraz auf die Liste des Europäischen Kulturerbes gesetzt.

Durch das Label soll die europäische Dimension von Kulturgütern, Denkmälern, städtischen Ensembles, Naturstätten sowie von Gedenkstätten in ihrer Bedeutung als Zeugen der Geschichte und des europäischen Erbes aufgewertet werden.

Seit wenigen Tagen prangt denn auch eine blaue Plakette mit der Aufschrift “Europäisches Kulturerbe” am Eingang des Hospiz, das nach dreijähriger Renovation in neuem Glanz erscheint und auf Ende Juli als Drei-Sterne-Hotel mit 14 Zimmern und 30 Betten sowie Gemeinschaftsräumen im ersten Stock eröffnet wird. Die Zimmer erhalten die Namen berühmter Persönlichkeiten, die früher im Hospiz genächtigt haben.

Das Hospiz wird nicht eigenständig geführt, sondern als Dependance des Hotels San Gottardo; zum Nationalfeiertag am 1. August wird es in Anwesenheit von Bundespräsidentin Doris Leuthard offiziell eingeweiht.

Identität des Gebäudes stärken

Die Renovation trägt die Handschrift der Architekten Quintus Miller und Paola Maranta aus Basel. Das Paar hat das Gebäude bis auf das erste Obergeschoss zurückgebaut und innerhalb der bestehenden Fassaden eine Holzkonstruktion in Ständerbauweise mit Bohlenfüllung errichtet.

Die Zimmer sind alle in warmen Holz gehalten, unter dem Giebel gibt es sogar eine Suite. Die doppelverglasten Fenster wirken wie natürliche Landschaftsbilder im Raum. Die Nasszellen sind elegant schwarz gekachelt. Moderne Wärmepumpen sorgen dafür, dass es im Gebäude behaglich ist und warmes Wasser aus den Duschen kommt.

Die Renovation des alten Hospizes, das hinter den anderen Gebäuden zurückversetzt liegt, war für die Architekten in der Verbindung von Tradition und Moderne eine grosse Herausforderung. “Wir wollten das Gebäude in seiner Identität stärken, daher haben wir es um eine Etage aufgestockt”, meint Quintus Miller.

5 Millionen investiert

Die Giebelfassade auf der Südseite mit den kleinen Fenstern erscheine wie ein “aufrechtes Murmeltier, das nach Süden schaut”; die Nordfassade erhielt markante Dachgauben, welche die Nutzung als Hotel spiegeln.

Die Stiftung Pro San Gottardo hat rund 5 Millionen Franken in die Renovierung des Alten Hospiz gesteckt. Vorläufig wird nur an einen Sommerbetrieb während der Öffnungszeiten des Passes gedacht.

Doch Dick Marty hat schon einen Traum: “Ich hoffe, wir können auch im Winter für einige Wochen öffnen, wenn auf dem Pass alles ruhig ist.” Die Anreise wird dann natürlich beschwerlicher – es braucht Schneeschuhe oder Tourenski.

Gerhard Lob, San Gottardo, swissinfo.ch

Die Stiftung Pro San Gottardo wurde am 15. Februar 1972 gegründet.

Ziel der Stiftung mit Sitz in Airolo (Kanton Tessin) ist es, “die Umwelt auf dem Gotthardpass und den Hospiz als Zeugnis unserer nationalen Geschichte und der Schweizerischen Freiheit und Unabhängigkeit zu schützen” (Art. 2 der Statuten), sowie “aus eigener Initiative die Aufwertung vom Gotthard, die Veröffentlichung historischer, wissenschaftlicher und künstlerischer Werke, und die Sammlung von Mineralien, Dokumenten und Stichen der Region zu fördern” (Art. 3).

Als Stiftungsgründer fungierten die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Kantone Tessin und Uri, die Gemeinde Airolo, der Heimatschutz und Pro Natura.

Die Stiftung hat die Gebäude auf dem Pass gekauft: Das Alte Hospiz und das Hotel San Gottardo.

Die Poststelle und der Kiosk wurden saniert und renoviert und eine Jugendherberge gebaut.

1982 wurde die Restaurationsarbeit der Kapelle beendet, zwischen 1982 und 1986 hat die Stiftung die Renovierung der alten Sust realisiert, wo heute das am 1. August 1986 eingeweihte Nationale St. Gotthard-Museum seinen Sitz hat.

Zwischen 1992 und 1995 wurde die Renovierung des Hotels San Gottardo realisiert und das “Museo Forte Ospizio San Gottardo” eingerichtet.

Das neueste Werk der Stiftung ist die Renovierung des Alten Hospiz.

Das Europäische Kulturerbe-Siegel ist eine staatliche Auszeichnung für Kulturdenkmale, die auf europäischer Ebene als bedeutend erachtet werden.

Die Initiative für ein “Europäisches Kulturerbe-Siegel” ging 2006 zunächst von einzelnen europäischen Staaten aus (namentlich Frankreich und Spanien).

Anlass waren die gescheiterten Volksabstimmungen in den EU-Mitgründungs-Staaten Frankreich und Niederlande über eine gemeinsame Verfassung der EU im Jahre 2005, nach denen das Bewusstsein der Bevölkerung für Europa gestärkt werden sollte.

Der Initiative schlossen sich weitere EU-Länder sowie die Schweiz als Nichtmitglied an.

Die Länder vergeben das Siegel an Stätten “mit grenzüberschreitendem oder gesamteuropäischem Charakter”.

Dabei wählen diese die Kulturgüter jeweils in eigener Verantwortung aus.

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