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Urvater des Techno tickt noch immer im Takt

Markante Stimme, markantes Gesicht: Dieter Meier ist weltbekannt. swissinfo.ch

Dieter Meier ist vor allem als die exzentrische Hälfte des erfolgreichen Schweizer Elektropop-Duos Yello bekannt. Und Yello als "Paten des Techno".

Meier ist jedoch nicht nur Musiker, sondern auch Autor, Filmemacher, Unternehmer sowie Biobauer und Winzer mit eigenem Gut in Argentinien. Im Gespräch mit swissinfo erklärt er, was ihn bewegt.

Yello sind der erfolgreichste Schweizer Musikexport der Gegenwart: Das Duo mit Soundtüftler Boris Blank und dem Sprechsänger Dieter Meier hat insgesamt 14 Millionen Platten verkauft. Songs wie “Oh Yeah” tauchen in Filmen, in der Werbung und in der TV-Serie “Die Simpsons” auf.

Ebenso wegweisend wie der Sound sind die Yello-Videoclips, denen Regisseur Dieter Meier immer eine eigenständige künstlerische Handschrift verleiht. Während Boris Blank das Studio nur selten verlässt, repräsentiert das markante Gesicht des Weltbürgers Dieter Meier das Schweizer Erfolgsduo.

Meier pendelt zwischen Argentinien, Zürich und Kalifornien, wo er auch Teilhaber eines Hightech-Unternehmens ist.

swissinfo: Was war das Geheimnis des Erfolges von Yello?

Dieter Meier: Das Geheimnis war, dass wir wirklich anders waren. Mein Partner Boris Blank und ich hatten keine musikalische Ausbildung. Wir mussten beide unseren eigenen Weg finden, uns mit Ton auszudrücken. Das führte zu einer gewissen Originalität, denn wenn man nicht Geige spielen kann, muss man einen anderen Weg finden, das Instrument zu brauchen.

Wir haben Samples verwendet, bevor das digital möglich war – wir warfen einfach einen Schneeball gegen ein Brett und nahmen das auf. Daraus entstand ein Loop (Tonbandschleife), und das war dann unsere Bass-Drum.

Wir waren im Grunde nichts als zwei Typen, die mit Geräuschen und Tönen spielten – das unterschied uns von anderen Musikern. Heute gelten wir als Techno-Pioniere. Am Anfang standen jedoch einfach zwei Dilettanten, die ihren eigenen Weg finden mussten.

swissinfo: Ihre Partnerschaft dauert schon sehr lange.

D.M.: Ja, das stimmt. Mittlerweilen sind es 29 Jahre und wir sind sehr gute Freunde. Unser heutiger Arbeitsprozess kann verglichen werden mit dem von zwei Schachspielern, die nicht an einem Tisch sitzen, sondern an zwei verschiedenen Orten: Auf den einen Zug hier folgt der nächste dort – und so weiter. Wir sitzen nicht wie eine Rockband in einem Studio.

Wir stehen kurz davor, eine neue Doppel-CD auf den Markt zu bringen. Alles ist etwas langsamer geworden, mit zunehmendem Alter wird man auch selbstkritischer. Als wir jünger waren, war die Entwicklung eines Musikstückes ein spontanerer Prozess. Wir haben aber bis heute ungemein viel Spass, Sounds zu entwickeln.

swissinfo: Auch Ihr Gutsbetrieb ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Wie schwierig war der Aufbau?

D.M.: Biologische Landwirtschaft ist auf der ganzen Welt ein schwieriges Unterfangen. In der konventionellen Landwirtschaft greift man zur Chemie, um Schädlinge oder Unkraut zu vernichten. Naturgemäss geht das in der biologischen Landwirtschaft nicht. Um Boden zu erhalten, der die richtige Beschaffenheit hat, um gute Ernten hervorzubringen, braucht es viel Zeit und Nerven. Am Anfang wird man vom Unkraut fast erwürgt.

Beim Wein war es anders. In Mendoza ist es ziemlich einfach, biologischen Wein zu produzieren. In der Reifezeit der Trauben hat es sehr viel Sonne und vor allem keinen Regen. Zur Bewässerung nutzen wir Schmelzwasser aus den Anden. Wir haben keinen Pilzbefall und kein Unkraut.

Viele andere Regionen sind für den biologischen Rebbau nicht so gut geeignet, weil sie feuchter sind, was oft zu Pilzbefall führt. Wenn man an einem solchen Ort auf den Einsatz von Fungiziden verzichtet, verliert man Trauben. Oder man muss ernten, bevor die Trauben ganz herangereift sind. Und eine Traube, die nicht zum exakt richtigen Zeitpunkt geerntet wird, macht nie einen wirklich guten Wein.

Reben, die nicht mit Chemikalien behandelt werden, haben reichhaltigere Trauben mit komplexeren Aromen. So macht die Arbeit wirklich Spass.

swissinfo: Gibt es einen Aspekt Ihrer Karriere, auf den Sie besonders stolz sind?

D.M.: Ich betrachte alles als Geschenk, von dem man nicht weiss, woher es kam. Ich bin glücklich über gewisse Dinge, könnte aber nie sagen, ich habe dies getan oder bin stolz auf jenes. Bei vielen Dingen habe ich versagt, andere wiederum sind gut herausgekommen.

Ich denke, es ist in erster Linie eine Fügung des Schicksals. Und dann Zufall, etwa in der Musik: Dass unser Stil weltweit ankam, war schlicht ein Glücksfall. Wie hätten wir – mit unserem winzigen Studio in einer alten Fabrik – je erwarten können, 14 Millionen Platten und CDs zu verkaufen?

swissinfo: Wie würden Sie Ihre Lebensphilosophie zusammenfassen?

D.M.: Zu den Grundpfeilern meiner Lebensphilosophie gehört es, jeden Tag etwas zu lernen. Und wenn etwas aussieht wie ein Misserfolg, sollte man dies nicht als etwas betrachten, für das man sich schämen muss. Misserfolg ist einfach eine andere Art Erfahrung; leider ist unsere Welt heute so auf Erfolg getrimmt, dass viele Leute Angst haben, ihren eigenen Weg zu finden. Ich denke, stolpern oder fallen zu können, ist eine Kunst.

Zudem ist mir der Dialog mit anderen Menschen sehr wichtig. Ich versuche herauszufinden, wo Gemeinsamkeiten liegen, was man miteinander tun kann. Dabei kann ich viel lernen. Es ist wahrscheinlich auch der Grund, wieso ich es liebe, Filme zu machen. Jeder steuert sein Talent bei, der Regisseur oder der Produzent muss all diese Talente zusammenhalten, damit am Schluss ein möglichst gutes Produkt herauskommt.

swissinfo: Sie verbringen einen grossen Teil ihrer Zeit im Ausland. Wie verwurzelt sind Sie mit der Schweiz?

D.M.: Ich fühle mich hier stark verwurzelt. Nichts kann die ersten Erfahrungen ersetzen, die man mit der Welt macht. Es ist wie eine Festplatte, die auf eine ganz bestimmte Art programmiert ist; meine Festplatte ist von Zürich programmiert. Ich liebe diese Stadt und freue mich immer, hierher zurückzukommen.

swissinfo-Interview: Isobel Leybold-Johnson, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Dieter Meier wird 1945 in Zürich geboren.

Nach der Matura studiert der Sohn eines Bankiers Jura; seine berufliche Laufbahn schien vorgezeichnet.

Stattdessen wendet er sich der Kunst zu, wird Profi-Pokerspieler und Golfer. In den späten 1970er-Jahren kommt Meier zusammen mit Boris Blank als Elektronikpop-Duo Yello zu Weltruhm. Die grössten Yello-Hits sind “The Race” und “Oh Yeah”.

Multitalent Dieter Meier ist auch Autor und Filmregisseur. Zur Zeit arbeitet er an seinem zweiten Buch. Und ein Film ist in Los Angeles in der Postproduktionsphase.

In den späten 1990er-Jahren kauft er in Argentinien Land. Auf der Ranch Ojo de Agua (Auge des Wassers) betreibt er biologischern Weinanbau; daneben ist er Biobauer und züchtet Rinder. In Zürich hat Meier zudem ein Restaurant und einen Laden, in dem er seine Bio-Produkte aus Argentinien verkauft.

Meier verbringt einen Teil des Jahres in Kalifornien, wo er ein Unternehmen hat, das digitale Audio-Mischpulte herstellt.

Die Single “Oh Yeah” wurde in mehreren Filmen verwendet, darunter “Ferris Bueller’s Day Off”, “The Secrets of My Success”, “Teen Wolf”, “Planes, trains and automobiles” und “K9”. Zudem in der TV-Serie “Die Simpsons” als Themensong für den Charakter Duffmann.

In Deutschland ist vor allem “The Race” bekannt; der Song war das Leitmotiv einer Pop-Show in den 1980er-Jahren. Zudem war er im Film “Nuns on the Run” zu hören.

Yello machte auch den Soundtrack von “Nuns on the Run” und “The Adventures of Lord Fairlane” und steuerte eine Aufnahme von “Jingle Bells” für “The Santa Clause” bei.

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