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“Diesen Platz gebe ich nicht mehr her”

Einen "nahen Verwandten der ausgestorbenen Gattung Genie" nannte eine deutsche Zeitung den Schweizer Kabarettisten Franz Hohler.

Wichtig für seinen Werdegang sei seine Grossmutter gewesen, verrät der Künstler selber.

In Biel sei er am 1. März 1943 geboren, steht überall zu lesen. Das sei nicht ganz richtig, räumt Hohler auf seiner “Homepage” ein. Wohl sei er dort im Kreisspital – im heutigen Kulturzentrum Pasquart – zur Welt gekommen. Doch sei es Usus, als Geburtsstätte den Wohnort der Eltern zur Zeit der Geburt zu bezeichnen.

Im Fall Hohlers wäre das Seewen im Kanton Solothurn. Als er dies bemerkt habe, so der Jubilar, habe sein Bild allerdings schon auf der literarischen Landkarte der Schweiz neben dem des “wahren” Bielers Robert Walser geprangt.

“Diesen Platz gebe ich nicht mehr her”, habe er bei sich gedacht.

Feines Sprachbesteck

Der Sohn eines Lehrerpaars wuchs ab dem 4. Altersjahr in Olten auf und schrieb seine Aufsätze beim selben Primarlehrer wie vor ihm Peter Bichsel. Wichtiger für seinen Werdegang sei freilich die Grossmutter gewesen, eine leidenschaftliche Schnitzelbank-Dichterin.

“Mir förche halt der Männerblick/ denn s Härz isch z gross und s Füdle z dick”, lautete eine ihrer Vers-Schöpfungen.

Der Enkel Franz focht mit feinerem Sprachbesteck. Als er 16 Jahre alt war, erschien seine erste Erzählung “Begegnung” im Oltener Tagblatt. Danach schrieb er Feuilletons, Musik-, Buch-, und Theaterkritiken.

Im Gymnasium trat er in Schülertheatern auf und gründete ein Kabarettensemble, das immerhin genug abwarf für eine Schottlandreise.

Durchbruch nach nur zwei Jahren

Hohler immatrikulierte sich in Zürich für Germanistik, Geschichte und Philosophie und später Romanistik. Mit 22 präsentierte er im Kellertheater der Uni sein erstes Kabarettprogramm “Pizzicato”, in dem er ein gutes Dutzend Musikinstrumente spielte. Die Kritiken waren herb, doch “Pizzicato” brachte es auf über 200 Vorstellungen.

1967 war sein Durchbruchsjahr mit dem ersten Erzählband “Das verlorene Gähnen und andere nutzlose Geschichten” sowie dem ersten “richtigen” Kabarettprogramm “Die Sparharfe”, welches das berühmte “bärndütsche Gschichtli” – im Volksmund als “Totemügerli” bekannt – enthielt.

Schreckmümpfeli in Schein-Berndeutsch



Tausende lernten das Schreckmümpfeli in Schein-Berndeutsch auswendig. In den 70er-Jahren gab es kaum eine gemütliche Runde, in der nicht der “Houderebäseler” und der “Schöppelimunggi” sich wegen einem “schlöözige Blotzbänggu am Fläre” beinahe “z’ Bätzi verminggleten”.

Dieser “nuesige Schiggeler uf em Lugipfupf” war die Fanfare für eine beispiellose Karriere. Hohler gab das Studium auf. Schrieb Bücher wie “Der Rand von Ostermundigen” (1973) und den Kinderbuch-Klassiker “Tschipo” (1978).

1973-1994 gestaltete er gemeinsam mit René Quellet 50 kultverdächtige Kinderstunden für “Das Spielhaus”.

Verballhornung von Don Quijote



Seine Themen-Kabaretts wie “Nachtübung” (1976) und “Drachenjagd” (1994) waren Renner im In- und Ausland. Sein Spielfilm “Dünki- Schott” (Verballhornung von Don Quijote, 1986) wurde von der Kritik zerzaust und vom Publikum geliebt.

Literaturpreis aberkannt



Mit “Die Rückeroberung” (1982), “Der neue Berg” (1989), “Die Steinflut” (1998) und “Zur Mündung” (2000) schrieb er sich in die erste Riege der Schweizer Literatur hoch. Lieder wie “Äs sy alli so nätt” (1982) und “Herr Oberschtdivisionär” (1983 nach Boris Vians “le déserteur”) gehörten zum Frechsten, was in der Schweiz gehört wurde.

Seine Anti-AKW-Folge “Kaiseraugst 2050” in der TV-“Denkpause” führte dazu, dass ihm der Kanton Zürich einen bereits zugesprochenen Literaturpreis aberkannte, worauf die Literaturjury zurücktrat. Als 1983 “Der Dienstverweigerer” aus der “Denkpause” gekippt wurde, erneuerte Hohler seinen Vertrag mit dem Fernsehen nicht mehr.

“Gutmensch vom Dienst”

Franz Hohler hängt der Ruf an, mit seinen vielfältigen Engagements für Umwelt, Immigranten, Dritte Welt, Pazifismus etc. als “Gutmensch vom Dienst” zu hausieren. Er unterstütze halt gern sinnvolle Sachen, ist seine klare Antwort.

Und ein klein wenig nütze es ja auch, gestand er “Greenpeace Schweiz” in einem Interview. Das Moratorium für den Bau von Atomanlagen, das gesteigerte Recycling-Verhalten und die Bio-Produkte beim Grossverteiler – womöglich sei er mit einem “halben Gramm auf der Meinungsbildungs-Waage” an diesen kleinen Erfolgen beteiligt.

Hohler-Gedichte auf Spanisch



Rechtzeitig zum sechzigsten Geburstag ist die erste spanische Ausgabe von Gedichten Franz Hohlers erschienen. Übersetzt wurden sie von dem auf Teneriffa (Spanien) geborenen und in Luzern lebenden Hans Leopold Davi.

Das bei Ediciones La Palma in Madrid erschienene Buch ist zweisprachig und trägt den Titel “Como presagio de una Nueva Epoca- Als Zeichen einer Neuen Zeit”. Es enthält ingesamt 25 Gedichte. Davon stammen 7 aus dem 1988 erschienen Band “Vierzig vorbei”. Bei den andern 18 Gedichten handelt es sich um bisher unveröffentlichte Werke.

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