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“Faktenfabrik” durch Bilaterale aufgewertet

Adelheid Bürgi-Schmelz, BFS-Direktorin: Zeigen, wie sich das Brutto-Sozialprodukt zusammen setzt. swissinfo.ch

Einer der bilateralen Verträge mit der EU hat bisher nur wenig Aufsehen erregt: Das Statistik-Abkommen. Es soll das Bundesamt für Statistik (BFS) aufwerten.

BFS-Direktorin Adelheid Bürgi-Schmelz im Gespräch mit swissinfo: Zwischen Sparzwängen und neuen Aufgaben.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) dient als Ur-Quelle nicht nur für die politischen Entscheidungsträger, sondern auch für politisch und wirtschaftlich Interessierte und für Stimmende. Als “Eidgenössische Faktenfabrik” ist das BFS auch dafür besorgt, dass das Bild der Schweiz, das man sich draussen in der Welt macht, klarer gezeichnet wird.

Dabei muss es seine Resultate präsentieren, ohne selbst allzu viel zu interpretieren – beispielsweise in der emotional hohe Wellen schlagenden Ausländer- und Integrationspolitik.

Das BFS war eines der ersten Ämter, die das “Entlastungsprogramm 03” (durchs Parlament verordnete Budgetkürzungen) zu spüren bekamen. Jetzt aber steht wegen dem bilateralen Statistik-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU ein Ausbau bevor.

swissinfo: Das BFS kommt seit einigen Jahren wegen interessanten Publikationen, aber auch wegen Sparzwängen vermehrt ins Gespräch. Wie gehen Sie damit um?

Adelheid Bürgi-Schmelz: Grundsätzlich freuen wir uns, wenn unsere Resultate wahrgenommen werden. Als Beiträge zur Information über die Schweiz insgesamt.

swissinfo: Auch wenn die Bundesmittel knapper werden?

A. B.-S.: Gerade dann ist es umso wichtiger, mit den bestehenden Mitteln eine eher grössere als geringere Wirkung zu erzielen.

Unsere Aufgabe liegt darin, die Wirklichkeit der Schweiz in Zahlen gefasst auszudrücken. Da müssen wir uns eben einiges einfallen lassen.

swissinfo: Wie ist das alles unter einen Hut zu bringen, wenn gleichzeitig überall eingespart werden soll?

A. B.-S.: Ein produzierendes Bundesamt wie unseres wird durch Sparmassnahmen gezwungen, die Produktion zurückzunehmen.

Deshalb haben wir im Rahmen des Entlastungsprogramms 03 mehrere Branchenstatistiken ganz oder teilweise einstellen müssen. Nicht nur die viel beachtete touristische Beherbergungs- oder Logiernächte-Statistik, sondern auch die Detailhandels-Umsätze und die Motorfahrzeug-Statistik.

Im Rahmen dieser Einstellung haben wir uns mit den wichtigsten Nutzern dieser Zahlen zusammengesetzt und Lösungen erörtert. Beispielsweise die Sicherstellen von Minimalst-Programmen, oder das Finden neuer Finanzierungs-Quellen.

swissinfo: Kommen Sie damit als Bundesamt in ein Auftragsverhältnis?

Ja. Das ist zum Beispiel der Fall bei der Beherbergungs-Statistik, die aus Spargründen eingestellt werden musste, jetzt aber dank Auftragsstellung und Partnern wieder aufgenommen werden konnte.

swissinfo: Wenn Sie das Budget für Ihr Amt vergleichen mit dem, was statistische Ämter im Ausland erhalten, sind Sie dann besser dran?

A. B.-S.: Nein. 2004 haben wir einen Vergleich mit anderen kleineren europäischen Ländern gemacht und festgestellt, dass das BFS vergleichsweise schwach auf der Brust ist.

Diese Situation wird sich für uns auch dann nicht verbessern, wenn aufgrund des bilateralen Statistik-Abkommens neue Aufgaben auf uns zukommen.

Dieses Abkommen wurde 2004 mit der EU abgeschlossen. Auf Schweizer Seite ist es bereits ratifiziert. Es dürfte einen erheblichen Ausbau der Wirtschafts-Statistik zur Folge haben.

Allerdings wären dafür auch erhebliche Mittel notwendig, die jetzt im Laufe des Jahres ins Budget reinkommen müssten.

swissinfo: Damit liessen sich auch gewisse, sogar in Europa noch gängige Klischees der Schweiz als Land der Uhren und Schokolade mit Zahlen und Fakten entkräften?

A. B.-S.: Ja. Wir zeigen auf, dass das tatsächliche Spektrum der wirtschaftlichen Aktivitäten viel breiter ist als im Ausland wahrgenommen. Von Maschinenbau über Chemie, Textilien, Detailhandel bis zu Gesundheit.

Die Palette ist sehr breit, und keiner dieser Bereiche schlägt ausserordentlich stark zu Buche.

Hier möchten wir eine Art Auslegeordnung machen und beispielsweise zeigen, wie sich unser Bruttoinland-Produkt zusammensetzt.

swissinfo: Sind Sie bei dieser Arbeit Druck ausgesetzt? Gibt es Leute oder Gruppen, die gewisse Daten lieber nicht publiziert sehen würden?

A. B.-S.: Bestimmt gibt es keine Departement-Chefs oder Bundesräte, die konkrete Aufträge über Resultate erteilen. Während den verschiedenen Etappen der Qualitätskontrolle kann jedoch ein ziemlicher Druck entstehen.

Vor der Publikation gibt es eine ständige Überprüfung der Zahlen mit den verschiedenen Akteuren. Da kommt es vor, dass ein Sozialpartner, ein Kanton, eine Gemeinde oder eine Branche aus Gründen der Opportunität plötzlich ausschert.

Das bringt dann alle anderen unter Druck und erschwert ein geordnetes Vorgehen. So ist es manchmal nicht ganz einfach, eine Homogenität unter den Partnern zu Stande zu bringen.

swissinfo: Sie haben einige Male sogar interveniert, als mit Ihrem Zahlenmaterial grober Unfug betrieben wurde.

A. B.-S.: Es gibt tatsächlich eine UNO-Charta für die öffentliche Statistik. Auch in der Schweiz gibt es eine Charta, die die öffentliche Statistik nicht nur verpflichtet, die Zahlen korrekt und nach wissenschaftlichen Methoden zu produzieren, sondern auch beim groben Unfug eine Richtigstellung gegenüber der Öffentlichkeit vorzunehmen.

swissinfo, Alexander Künzle

Eine wichtige Datenquelle für das BFS ist die Volkszählung. Diese erfolgte bisher nur alle 10 Jahre und sorgte immer für viel Emotionen.

Laut Adelheid Bürgi-Schmelz wird das System der Volkszählung nun modernisiert.

Anfang Juni entschied der Bundesrat, die Volkszählung 2010 erstmals über Einwohner- und Wohnungsregister vorzunehmen, und nicht mehr über flächendeckende Fragebögen, die schnell veralten.

Damit würde ein wichtiger Teil der Volkszählung verstetigt und aktualisiert.

Das BFS ist der wichtigste Statistik-Produzent des Landes.
Es hilft, die demokratische Debatte transparent zu machen.
Mit dem Integrationsprozess in Europa ist auch die Schweiz gefordert, vergleichbare Statistiken bereitzustellen.
Das BFS zählt rund 550 Mitarbeitende.
Das Jahresbudget beträgt (ohne Volkszählung) rund 82 Mio. Franken.
Jährlich produziert das BFS rund 100 Publikationen, 120 Pressemitteilungen und 100’000 Auskünfte.

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