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Schweizer mögen Zahlen mehr als Worte

Schweizer Erwachsene sind sehr gut im Alltagsrechnen, gut im Problemlösen, aber nur mittelmässig im Lesen. Das zeigt ein Sechs-Länder-Vergleich.

Die Schweizer Männer schnitten in der zum ersten Mal gemachten internationalen Erhebung in allen Tests besser ab als die Frauen.

In der Schweiz haben 16% der Erwachsenen Mühe, einen Text zu lesen. Dies ist ein Ergebnis der internationalen ALL-Erhebung über die Grundkompetenzen der Erwachsenen (Adult Literacy and Lifeskills Survey), die am Mittwoch in Bern vorgestellt wurde.

In den sechs Ländern Schweiz, Norwegen, Italien, Kanada, den USA und den Bermudas wurden Erwachsene in den vier Bereichen Lesen von Texten, Lesen von schematischen Darstellungen, Alltagsrechnen und Problemlösung geprüft.

Norwegen an der Spitze

Norwegen erzielte in drei von vier Testbereichen das Spitzenergebnis, während die Schweiz im vierten Bereich – der Alltagsmathematik – vorne lag. Mit einem guten Ergebnis im Problemlösen folgt die Schweiz Norwegen auf dem Fuss.

Die mittelmässigen Leistungen in den beiden Lese-Disziplinen bringen ihr hingegen nur den vierten Rang hinter Norwegen, Kanada und den Bermudas ein. Die USA liegen immer hinter der Schweiz, wenn auch manchmal nur knapp. In allen vier Testbereichen bildet Italien jeweils das Schlusslicht der Teilnehmerländer.

Bessere Integration gefordert

Was braucht es, um die Lesefähigkeit der Schweizer zu verbessern? Phillipe Hertig von der Sektion Bildungssysteme, Wissenschaft und Technologie im Bundesamt für Statistik gegenüber swissinfo: “Es ist nicht so, dass es nur Einwanderer sind, die nicht gut Lesen können. Aber gerade die Defizite bei Immigranten, die länger als fünf Jahre in der Schweiz sind, zeigen, dass es verstärkte Integrations-Anstrengungen braucht.” Zudem sollten Erwachsene generell mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung fordern.”

Überraschung bei den Geschlechtern

In allen vier Gebieten schnitten die Schweizer Männer besser ab als die Frauen. Dieses Ergebnis steht im krassen Gegensatz zum Befund der PISA-Studie, wonach bei den 15-Jährigen die Mädchen den Knaben deutlich voraus sind.

“Darüber sind wir etwas überrascht, und wir haben dafür auch noch keine Erklärung”, so Hertig. Frauen seien aber nach wie vor professionell nicht so aktiv wie die Männer, punkto Gleichstellung bestünden nach wie vor klare Defizite.

Auch regionale Differenzen

Innerhalb der Schweiz schneidet die deutsche Schweiz besonders im Alltagsrechnen, aber auch in den beiden Lesekompetenzbereichen besser ab als die übrigen Sprachregionen. Die französische Schweiz ist dafür im Problemlösen am besten, ohne jedoch die deutsche Schweiz klar zu distanzieren.

Gravierende Defizite

Ein bedeutender Anteil der Bevölkerung in den untersuchten Ländern verfüge nicht über das Mindestmass an Grundkompetenzen für eine volle Teilnahme an der modernen Gesellschaft, heisst es in der Studie.

In den teilnehmenden Ländern bewegt sich der Anteil zwischen 8 bis über 40%.

Handicaps der Einwanderer

In der Schweiz, in den USA und in Kanada haben die seit längerem (seit mehr als fünf Jahren) Eingewanderten klar unterdurchschnittlich abgeschnitten, die seit kurzem Eingewanderten hingegen nur wenig schlechter als die im Land Geborenen.

Darin widerspiegeln sich gemäss ALL geänderte Selektionskriterien bei der Einwanderung.

Ältere schneiden schlechter ab

In allen Ländern zeigt sich: Die Grundkompetenzen nehmen mit zunehmendem Alter immer schneller ab. In der Schweiz verfügen von der 16- bis 25-jährigen Bevölkerungsgruppe 9% nur über ein rudimentäres Textverständnis. Von den 26-bis 45-Jährigen sind es 12% und von den 45-bis 65-Jährigen bereits 21%, denen Texte Kopfzerbrechen bereiten.

Die Schweizer Rohdaten stammen aus 5120 Interviews. Im Herbst soll ein detaillierter Bericht über die Ergebnisse der Schweiz erscheinen. Fünf weitere Staaten werden in Kürze die ALL-Tests durchführen: Ungarn, Niederlande, Australien, Neuseeland und Südkorea.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Rohdaten der ALL-Untersuchung stammen aus 5120 Interviews, die 2003 bei Erwachsenen zwischen 16 und 65 Jahren gemacht wurden.
Bei der nächsten ALL-Studie werden auch Erwachsene in Ungarn, den Niederlanden, Australien, Neuseeland und Südkorea erfasst.

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