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“Raketenmann” Yves Rossy überfliegt Ärmelkanal

Reuters

Als erster Mensch mit einem turbinengetriebenen Flügel auf dem Rücken hat der 49-jährige Schweizer Pilot am Freitag die symbolträchtigen 35 Kilometer von Calais nach Dover geschafft.

99 Jahre nach dem Franzosen Louis Blériot, der als erster Mensch mit einem Flugzeug über den Ärmelkanal geflogen war, hat der Schweizer Yves Rossy für eine weitere Pioniertat in der Luftfahrt gesorgt.

Mit einem turbinengetriebenen Flügel auf dem Rücken flog er einem Vogelmenschen gleich die in der Geschichte der Luftfahrt so symbolträchtigen 35 Kilometer von Calais in Frankreich nach dem britischen Dover.

“Ich bin sehr glücklich, es ist ein schönes Gefühl, etwas Grosses erreicht zu haben”, sagte Rossy nach seiner Landung auf der Insel. Sobald er in eine stabile Flugposition erreicht habe, habe alles einwandfrei geklappt.

“Als ich die Küste gesehen habe, war ich überzeugt, dass auch die Landung klappt”, so der Pionier. Auf die Frage, ob er nun ein Vogel sei, antwortete er lachend: “Ich bleibe ein Mensch, ich habe keine Federn wie die Vögel.”

Ahnen Blériot und Superman

In Dover setzte Rossy um 14.19 Uhr (MEZ) nach einem 13-minütigen Flug auf demselben Feld auf wie Blériot 1909.

Seinen Pionierflug startete Rossy in der Höhe von 2500 Meter mit einem Sprung aus einem Kleinflugzeug. Die vier kerosingetriebenen Turbinen hatte er bereits an Bord des Pilatus Porter gezündet.

Nach einer Phase des freien Falls klappte er die Flügel auf seinem Rücken auf und querte die Meerstrasse in einem leichten Sinkflug mit rund 200 Kilometern pro Stunde wie Superman. Vor der Hitze der vier Turbinen auf seinem Rücken schützte ihn ein wärmedämmender Anzug.

Eins mit Maschine und Luft

In der Luft ist Rossy nicht nur Pilot, sondern auch integraler Bestandteil des Flugkörpers. Bewegt er den Kopf seitwärts, fliegt er eine Kurve, beugt er den Rumpf vor oder zurück, sinkt oder steigt er.

Dieses enge Zusammenspiel zwischen menschlichem Körper und einem Karbonflügel inspirierte Rossy auch zu dem Namen, den er sich gab: Nicht Superman, sondern Fusionman.

Perfekte Landung per Fallschirm

Den Kanal überflog er in einer Höhe von 1500 Metern. Nach einem problemlosen Flug erreichte er früher als erwartet die weissen Klippen von Dover. Über dem Festland zog er eine Ehrenrunde, bevor er die Triebwerke abstellte, seinen gelbblauen Fallschirm öffnete und zusammen mit seinem Jetflügel präzise und sanft auf der Erde landete.

Rossy, von Beruf Linienpilot bei der Swiss und ehemaliger Pilot der Schweizer Luftwaffe, ist ein Pionier, aber kein Hasardeur. Er führte zwei Fallschirme mit sich, damit er im Falle eines Falles nicht dasselbe Schicksal erleidet wie Ikarus, der seinen Traum vom Vogelflug mit dem Leben bezahlte, weil er mit seinen Wachsflügeln der Sonne zu nahe kam.

Grosses Potenzial

Mit dem Flug über den Ärmelkanal hat Yves Rossy seinen Traum aber nicht ausgeträumt. Als nächstes will er mit seinen Düsenflügeln den Grand Canyon in den USA überqueren.

“Wir werden das Projekt weiterentwickeln, denn es besitzt grosses Potenzial”, ist der Schweizer überzeugt. Es fehle noch einiges, bis mit dem Jetflügel vertikale Aufstiege oder Flugakrobatik möglich seien.

Doch nach dem Pionierflug und anschliessendem Medienmarathon ruft schon bald wieder die Pflicht. Am Montag sitzt Yves Rossier wieder an seinem Arbeitsplatz: im Cockpit eines Airbus A320 der Schweizer Airline Swiss.

In seinem Arbeitsalltag ist Zürich-London seine Hausstrecke. Der Applaus seiner Passagiere nach der Landung dürfte dem vielseitigen Piloten gewiss sein.

swissinfo, Renat Künzi

Yves Rossys Pioniertat erfolgt 99 Jahre nach dem Erstüberflug des Ärmelkanals durch den Franzosen Louis Blériot.

Rund 170 TV-Stationen übertrugen den Flug des Schweizer Raketenmanns live.

Mit seinen kerosingetriebenen Turbinenflügeln verschmolz Rossy den Traum vom Vogelmenschen mit modernster Technologie.

Vor sechs Jahren begann er mit der Realisierung seines Traums; den Jungernflug absolvierte er vor vier Jahren.

Die Spannweite von Rossys Flugarmen aus Carbon misst 2,5 Meter. Das Gewicht beträgt inklusive den vier kleinen Turbinentriebwerken und Brennstoff 55 Kilogramm.

Mit den Jetflügeln sind Fluggeschwindigkeiten von bis 300 Kilometer pro Stunde möglich.

Rossy steuert mit seinen Flugapparat vorwiegend mit dem Kopf. Die einzigen Instrumente dabei sind die Augen, der Gashebel und ein Höhenmesser.

Im Mai hatte Rossy über die Schweizer Alpen einen erfolgreichen Testflug von fünf Minuten absolviert.

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