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Aargauer Kunst-Sammlung ins beste Licht gerückt

Architekt Jacques Herzog vor dem neuen, erweiterten Aargauer Kunsthaus. Keystone

Das von den Schweizer Star-Architekten Herzog & de Meuron erweiterte Aargauer Kunsthaus hat am Samstag mit einem Kulturfest seine Tore geöffnet.

Die Sammlung von Schweizer Kunst, die als die bedeutendste im Land gilt, ist nun permanent und fast vollständig zu sehen.

Einen wahren Besucheranstrum hat Aarau am Samstag bei der Eröffnung des erweiterten Aargauer Kunsthauses erlebt. Kunsthausdirektor Beat Wismer zeigte sich vom grossen Interesse des Publikums “überrascht und erfreut”.

Wismer ist rundum zufrieden. “Die Erweiterung ermöglicht uns schlicht das Wichtigste, das es für ein Museum gibt: Wir können jetzt unsere Sammlung zeigen. Wir haben eine wunderbare Sammlung, die es wert ist, gezeigt zu werden”, frohlockt der Direktor des Aargauer Kunsthauses selbstbewusst.

Ein Museum müsse seine Werke buchstäblich ins beste Licht rücken. “Und ich bin sehr glücklich, dass wir ein sehr gutes Licht haben!”, so Wismer, der sich als grosser Bewunderer der Architekten Herzog & de Meuron zu erkennen gibt.

Besonders beeindruckt hat ihn der Respekt, den sie dem bisherigen Bau entgegenbrachten. Die Architekten hätten nicht nur die Qualitäten des “wunderschönen Baus” von 1959 erkannt, sondern diese auch in ihrem Erweiterungsbau weitergeführt.

Ausstellungsfläche verdoppelt

Mit der Erweiterung verfügt das Kunsthaus Aargau nun über die doppelte Ausstellungsfläche. Zwei Drittel der jetzt insgesamt 3000 Quadratmeter sind gemäss Wismer der Sammlung vorbehalten, das Parterre dient als Kunsthalle mit Wechselausstellungen.

Die Freude im Aargau geht über das Kunstsinnige hinaus. Mit dem von Herzog & de Meuron geschaffenen Juwel erhofft sich das Kunsthaus eine starke Positionierung im sich verschärfenden Konkurrenzkampf. Denn der Schweizer Museums-Markt ist mit seinen über 900 Institutionen übersättigt. Die Stadt- und Kantonsbehörden ihrerseits rechnen mit einem Mehrwert für den oft als Transitkanton betitelten Aargau.

Das hohe und lichtdurchflutete Foyer, das die Besucherinnen und Besucher mit Museums-Café und Buchhandlung empfängt, hat für Wismer eine fast spektakuläre Ausstrahlung, im Gegensatz zu den “zurückhaltenden” Ausstellungsräumen. Dank durchgängiger Glasfront wird das ganze Strassengeschoss in der Dämmerung “zum Lichtkörper, zum Anziehungspunkt in öffentlichen Stadtraum”, wie es im Projektbeschrieb der Architekten heisst.

Von Caspar Wolf…

In den von den Basler Architekten aufgefrischten alten Räumen erstrahlen die Bergdarstellungen Caspar Wolfs aus den Anfängen der Schweizer Malerei Ende des 18. Jahrhunderts, gefolgt von Schlüsselwerken von Anker, Böcklin, Hodler und Amiet.

… bis Fischli/Weiss und Hannah Villiger

Im neuen, von Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit dem Künstler Rémy Zaugg angefügten Teil sind logischerweise die zeitgenössischen und neuesten Arbeiten ausgestellt.

Präsent mit Werken sind, auch hier wie bei den “Altmeistern” beinahe selbstverständlich, die Crème de la Crème mit Jean Tinguely, Bernhard Luginbühl, Dieter Roth und Alberto Giacometti. Ebenso in Ton modellierte Bestandesaufnahmen von Fischli/Weiss, skurrile Skulpturen Roman Signers bis zu den Foto-Werken von Hannah Villiger.

Klare städtebauliche Aufwertung

“Unser Projekt hat ganz klar etwas zu tun mit dem ‘Dreigespann’ aus bestehendem Museum und benachbartem Regierungsgebäude, dem davor stehenden Aargauerplatz und der Stadt”, beschreibt Architekt Jacques Herzog die Ausgangslage gegenüber swissinfo.

Die Zielsetzung des Projektes von Herzog & de Meuron, mit dem sie den Wettbewerb 1997 zu ihren Gunsten entschieden hatten, bringt er wie folgt auf den Punkt: “Wir wollten den Platz, der kein Platz gewesen ist, zu einem Ort werden lassen, das Museum mit dem dahinterliegenden erhöhten Park verbinden und so die räumliche Beziehung zur Stadt verbessern. Diese Räume sollen kontinuierlich ineinander übergehen.”

Dach als Stadtterrasse

In dem Herzog & de Meuron das Dach des eingeschossigen neuen Ausstellungstraktes als erhöhte Stadtterrasse aus bewachsenem Tuffstein konzipierten, gelang ihnen sozusagen der städtebaulicher “Durchbruch”: “Dadurch wurde der Park mit dem Museum und dem alten Stadtzentrum zu einem Ganzen verschmolzen. Wir haben also der Stadt etwas hinzugefügt”, freut sich Herzog.

Von der Dachterrasse des erweiterten Kunsthauses lässt es sich nicht nur bestens auf die belebte Aarauer Bahnhofstrasse, sondern auch in den verglasten Innenhof hinunterblicken. Dieser dürfte zumindest im Sommer zum Zentrum des neugestalteten Kunsthauses werden. Wie das Dach hat auch er eine simple, aber “einleuchtende” Doppelfunktion: Er ist zusätzliche Ausstellungs-Fläche und Lichthof für die Ausstellungsräume im Erdgeschoss.

Selbstkritisches Auge

Herzog fügt zu jedem architektonischen Gelingen ein grosses Aber an: “Ich würde nie sagen, etwas sei uns besonders gut gelungen. Im Moment der Eröffnung, wenn ein Bau noch frisch ist wie jetzt, bin ich meistens etwas deprimiert, weil ich eher Fehler und Mängel entdecke als Sachen, die uns gelungen sind.”

Das habe mit der dreidimensionalen Realität der Architektur zu tun, die sehr komplex sei. Dadurch wird laut dem Architekten das Fehlerpotential sehr gross.

Den Spass am Bauen lässt sich Herzog deswegen aber nicht verderben. “Es ist grossartig, wenn ein Projekt in einer Stadt zu einem Teil der eigenen Biographie wird”, findet er. Und zu den Orten der Architektur Herzog & de Meurons habe er auch nach Jahren noch ein vertrautes Verhältnis.

“Als Architekt muss man sich auf einer Vertrauensebene mit einem Ort einlassen können. Man macht ja etwas für die Leute, die dort sind”, so Herzog weiter. Das bedeute, dass man sich sehr stark engagieren müsse für einen Ort. “Das ist sehr wichtig für unser Architekturverständnis.” Aus diesem Verständnis folge auch, dass das Büro sich nicht auf alle Projekte einlassen könne.

Der Fussball-Fan

Wenn Herzog gerne an seine “Tatorte” zurückkehrt, geschieht das nicht nur zur Überprüfung seiner Architektur. “Ich freu mich gerade in Museen wie hier in Aarau Werke zu sehen, die ich bereits kenne, beispielsweise die Arbeiten Hannah Villigers”, sagt Herzog.

“Das sind interessante Wiederbegegnungen, die mich fast mehr interessieren als die Architektur. Bei grossen Stadien, die wir in Basel und anderswo gebaut haben oder bauen, geh ich auch wegen dem Inhalt, nämlich dem Fussball!”

swissinfo, Renat Künzi

Herzog & de Meuron wurden diese Woche mit dem Stirling-Preis für das beste Bauwerk in Grossbritannien ausgezeichnet.
Den mit knapp 45’000 Franken dotierten Preis erhielten sie für das Laban Centre in London (Tanzakademie).
2001 waren sie mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet worden (Architekur-“Nobelpreis”).
Die “Museums-Architekten” werden immer mehr zu “Stadion-Bauern” (Fussball-Arena München 2006, Olympia-Stadion Peking 2008).

Der Kanton Aargau “schenkt” sich die Kunsthaus-Erweiterung durch Herzog & de Meuron zum 200-Jahr-Jubiläum.
Das Projekt war mit 17 Mio. Franken relativ billig.
Beteiligt sind auch der Aargauische Kunstverein (2,5 Mio.), die Stadt Aarau (2 Mio.) und die Aagauische Kantonalbank (1 Mio.).
Die Ausstellungsfläche wurde von 1700 auf 2900 m2 vergrössert.
Die Eröffnungs-Ausstellung heisst “Neue Räume”.

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