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Amnesty pickt auch die Schweiz heraus

Rassistische Beleidigungen und Misshandlungen sind laut AI in der Schweiz Alltag. Keystone

Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International prangert Gewalt und Misshandlungen durch Polizisten gegen Asylsuchende und Rassismus gegenüber Schwarzen und Muslimen in der Schweiz an.

Amnesty führt in ihrem neusten Jahresbericht Fälle aus dem ganzen Land an.

Im Berichtsjahr 2002 registrierte Amnesty International (AI) weltweit Menschenrechtsverstösse in 151 Ländern. Dokumentiert sind das Schicksal gewaltloser politischer Gefangener, die Anwendung von Folter und Todesstrafe sowie extralegale Hinrichtungen und weitere Menschenrechtsverletzungen weltweit.

Polizeigewalt tötet

«Die Schweiz steht im Vergleich zu den andern westeuropäischen Staaten nicht schlechter da, aber auch keineswegs besser», sagt Amnesty-Sprecher Jürg Keller gegenüber swissinfo.

Der am Mittwoch veröffentlichte Jahresbericht dokumentiert für die Schweiz zwei Gerichtsfälle, in denen Polizeibeamten die Anwendung gefährlicher Zwangsmittel vorgeworfen wird. In beiden Fällen kam es dabei laut Amnesty zu einem so genannten «positionsbedingten Atemstillstand», die Opfer erstickten.

In einem Fall seien die Beamten freigesprochen worden, da sie mangels Schulung nicht von den Gefahren der angewandten Methode gewusst hätten, schreibt die Organisation.

Prozess im Gange

Im zweiten Fall, dem Tod eines 42-jährigen Türken nach einem Polizeieinsatz in Bern vom letzten Juli, läuft derzeit der Prozess. Das Urteil des Einzelgerichts Bern-Laupen wird am Freitag erwartet.

Im Berichtsjahr haben sich zudem laut AI Asylsuchende wiederholt darüber beklagt, sie seien im Transitbereich des Zürcher Flughafens misshandelt und in rassistischer Weise beleidigt worden.

Nach Angaben des im Bericht zitierten Europäischen Anti-Folter-Komittees wollten die Polizisten mit ihrem Verhalten Asylsuchende davon abhalten, ein Asylgesuch zu stellen. Oder sie wollten sie damit überzeugen, ihre Rückführung zu akzeptieren.

Amnesty stützt sich im Jahresbericht auch auf Angaben des UNO-Komitees gegen Rassendiskriminierung. Das Komitee zeigte sich «sehr beunruhigt» über die in der Schweiz anhaltende feindselige Haltung gegenüber Schwarzen, Muslimen und Asylsuchenden.

«Kampf gegen Terrorismus»

Seit dem Ende des Kalten Krieges war die Sicherheit der Menschen rund um den Erdball nie mehr so gefährdet wie heute. Regierungen auf der ganzen Welt hätten Milliarden zur Verbesserung der Inneren Sicherheit und für den «Kampf gegen den Terrorismus» ausgegeben, wird Amnesty-Generalsekretärin Irene Khan in einem Communiqué zitiert.

Der «Kampf gegen den Terrorismus» habe die Welt aber in keiner Weise zu einem sichereren Ort gemacht. Er habe im Gegenteil dazu geführt, dass die Menschenrechte eingeschränkt und das internationale Recht untergraben worden seien, sagte Khan.

Angst bekämpfen

Die Gräben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubens seien vertieft und «die Saat für neue Konflikte bereitet» worden. Die Anti-Terror-Kampagne habe ausserdem die Angst der Menschen – ob arm oder reich – verstärkt.

«Wir müssen der Manipulation der Angst widerstehen», sagte Khan weiter. Die Menschen müssten erkennen, dass Unsicherheit und Gewalt am besten durch verantwortungsvolle Staaten überwunden werden könne, welche die Menschenrechte respektierten.

«Vergessene Kriege»

Das Leben von Millionen von Menschen sei nämlich nicht durch Terrorismus gefährdet, sondern durch Korruption, unfähige Justiz- und Polizeiapparate, brutale Unterdrückung der politischen Opposition, das soziale Ungleichgewicht in ihren Ländern und Armut oder Krankheiten.

Irak dominierte Agenda

Irak habe die internationale Agenda des vergangenen Jahres dominiert. Gleichzeitig hätten jedoch zahlreiche «vergessene Kriege» in Ländern wie Kongo, Elfenbeinküste, Burundi, Tschetschenien, Nepal und Kolumbien Tausende von Menschenleben gefordert, sagte Khan.

Die grösste Herausforderung von Amnesty International sei es, die Aufmerksamkeit auf diese verborgenen Krisen zu lenken und die Rechte der vergessenen Opfer zu schützen.

Amnesty berichtet zudem von schweren Menschenrechts-Verletzungen in Israel und den Besetzten Gebieten. Obwohl diese Frage zu den meistdiskutierten Themen gehörten, unternehme die internationale Gemeinschaft praktisch nichts.

Einige Erfolge

Amnesty habe im letzten Jahr auch eine Reihe Erfolge verbuchen können, hiess es. So habe die Organisation unter anderem die Freilassung des russischen Gewissensgefangenen Grigory Pasko erreicht. In Sierra Leone sei die Lage der Justiz durch die Bildung eines Spezialgerichts verbessert worden.

Und die von Amnesty unterstützte Einsetzung des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sei ein wichtiger Schritt in Richtung einer grösseren weltweiten Verantwortung.

swissinfo und Agenturen

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