Die Schweiz schaut nur zu

Die Fussball-WM in Südkorea und Japan hat begonnen. Die Schweiz ist nicht dabei. Daran haben wir uns (fast) gewöhnt.
Nachdem der alte und neue Schweizer FIFA-Präsident Sepp Blatter für Tage die Szene beherrschte, rollt nun der Ball. Im Eröffnungsspiel in Seoul besiegte Senegal überraschend Titelhalter und Mitfavorit Frankreich 1:0.
FIFA-Generalsekretär und Blatter-Gegner Michel Zen-Ruffinen verlässt die FIFA am 4. Juli. Die Anzeige gegen Blatter vor einem Zürcher Gericht wird zurückgezogen.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft wollte am Freitag die Ankündigung der FIFA gegenüber swissinfo nicht kommentieren und liess offen, ob die Untersuchungen gegen Blatter weiter gehen oder nicht. Zuerst müsse man überdies formal darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass die Anzeige zurückgezogen werde.
Nur noch ein Schiedsrichter
Ausser Top-Schiedsrichter Urs Meier – der vor rund drei Wochen den Champions League-Final in Glasgow gepfiffen hat – ist das Schweizerische vom grössten Sportereignis der Welt verschwunden.
«Trotzdem kann man nicht sagen, dass die Schweiz nichts von der WM in Fernost hat», sagt Pierre Benoit, Sprecher des Schweizerischen Fussballverbandes, SFV, gegenüber swissinfo. «Die Begeisterung und das Medieninteresse in den kommenden drei Wochen wirken sich sicher auch positiv auf den Schweizer Fussball aus.»
Vom SFV sind Präsident Ralph Zloczower und Vizepräsident Guido Cornella im Seoul. Sie nahmen beide am FIFA-Kongress teil. Vor Ort ist zudem Marcel Mathier, der Ehren-SVF-Präsident, der gleichzeitig die Disziplinar-Kommission präsidiert. Auch Sprecher Pierre Benoit geht demnächst nach Japan. Er wird dort verantwortlich für die Medienarbeit im Stadion Oita sein.
Schweiz erhält kein Geld von der WM
Die Fussball-WM gilt als ein riesiges Geschäft. Doch von den Geldern, welche in Japan und Südkorea umgesetzt werden, sehen die Nationen, die nicht an der Endrunde teilnehmen können, nichts.
Einzig die Einnahmen aus den Qualifikationsspielen gehen oder gingen in die Kasse des SFV. Die Schweiz spielte in der Gruppe 1, wo sie Vierte wurde, mit Russland, Slowenien, Jugoslawien, Färöer und Luxemburg um das Ticket an die WM.
Viel Geld haben diese Qualifiaktionsspiele allerdings nicht in die Verbandskasse gespült. Benoit: «Weil wir gegen Länder ausgelost worden sind, die auch im ‹fernsehtechnischen› Bereich unattraktiv waren.»
Privat-TV landete Coup
1994 hatte sich die Schweizer Fussballnationalmannschaft zum letzten Mal für eine WM-Endrunde qualifiziert. Pierre Benoit kann aber nicht sagen, wie viel Geld dem Verband durch die Nichtqualifikation entgeht.
Auch der Schweizerische Fussballverband hat nichts von den Fernseh-Übertragungen in der Schweiz. Aus Kostengründen verzichtet das gebührenfinanzierte Schweizer Fernsehen auf die Übertragung der Spiele. Hat aber in allerletzter Minuten noch ein Paket für Kurzberichte von vier Minuten pro Spiel eingekauft.
Für das Deutschschweizer Publikum springt der deutsche Privatsender SAT 1 mit seinem Schweizer Fenster in die Lücke und überträgt sämtliche 64 Spiele. «Dazu bieten wir alles, vom SMS-Service bis zu attraktiven Studiogästen von Pidu Zaugg (dem ehemaligen Nati- und GC-Trainer) bis hin zu Günter Netzer, der deutschen Fussball-Legende», sagt Andreas Waldis, Marketingleiter SAT 1 Schweiz.
Werbung und Sponsoring erfolgreich
Der Verkauf von Werbung laufe «extrem» gut, vermeldet Waldis weiter. Auch das Sponsoring sei toll. Die vom Mutterhaus gesprochene Risikogarantie werde nicht gebraucht. «Es wird sicher kein Defizit geben, im Gegenteil!» sagt Waldis.
Und noch etwas fügt der SAT 1 Schweiz-Sprecher genüsslich hinzu: «Der Hauptsponsor bei uns heisst Pepsi, während Coca Cola bei der FIFA Hauptsponsor ist. Auf dem Fernsehschirm der Schweiz werden sich demnach die beiden Softdrink-Giganten neben dem grünen Rasen duellieren.»
«Schweizer» Spieler
An der WM nehmen auch Spieler mit «Schweizer Vergangenheit» teil, wie der deutsche Nationalspieler Oliver Neuville, der bei Servette-Genf spielte oder der einst bei Lugano kickende Brasilianer Dida.
Im Eröffnungsspiel vom Freitag zwischen Frankreich und Senegal stehen auf Seiten der Afrikaner gleich vier «ehemalige Schweizer»: die früheren Xamaxien Henri Camara, Papa Bouba Diop, Malick Diop und Ex-Lausanne-Stürmer Pape Thiaw.
Zu den Aktiven, welche momentan ihr Brot bei einem Schweizer Verein verdienen, zählen der Luzern-Torhüter Ike Shorumnu aus Nigeria, St. Gallens Mittelfeldspieler Teboho Mokoena. Er kommt aus Südafrika, wie auch der FC Basel-Stürmer George Koumantarakis.
Das Fest mit der Autohupe
Die Schweiz wird aber auch auf einem ganz andern Gebiet von der WM hören: Via die Autohupen.
Wird die Türkei ein Spiel gewinnen, dann werden die türkischen Fussballfans in der Schweiz laut hupend durch die Ortschaften kurven. Gewinnen die Spanier, werden es die spanischen Fans auch tun. Gewinnen die Portugiesen oder die Kroaten oder die Slowenen, dann wird es ebenfalls laut in der Schweiz.
Gewinnen gar die Italiener, dann werden die Autohupen Hochkonjunktur haben. Gespannt darf man sein, wie das genau abläuft, finden die Spiele doch, auf mitteleuropäische Zeit übertragen, am Morgen und am Mittag statt.
Urs Maurer

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