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Kanton Bern im Streit mit Turnverband

Die Turner der Welt bleiben dank der Arbeit in Moutier im Gleichgewicht. Keystone

Der Internationale Turnverband (FIG) mit weltweit 35 Mio. Mitgliedern hat seinen Sitz im 8000-Seelenort Moutier im Berner Jura.

Zwischen dem FIG und dem Kanton Bern hängt der Haussegen schief, es droht ein Wegzug. swissinfo sprach mit Norbert Bueche, ehemaliger FIG-Generalsekretär.

Bueche war von 1988 bis 2004 Generalsekretär des Internationalen Turnverbandes und ist seither Ehren-Vizepräsident eines der ältesten Sportverbände der Welt.

swissinfo: Der FIG hat seine Absicht wiederholt, Moutier zu verlassen, weil der Kanton Bern dem Verband die Steuern nicht erlassen will. Es scheint, dass Neuenburg in die Bresche springen will. Ist dem so?

Norbert Bueche: Nein, die Absicht Moutier zu verlassen, haben vier Leute aus dem Exekutivausschuss erst einmal als Absicht geäussert. Die endgültige Entscheidung fällt der Ausschuss erst im Oktober.

Es ist ja noch überhaupt nicht gesagt, dass uns der Kanton Neuenburg die Steuern erlässt. Das muss das Parlament entscheiden. Die Sache ist also noch nicht gegessen.

swissinfo: Vor 15 Jahren hat der FIG entschieden, nicht in eine grosse Stadt zu ziehen, sondern aufs Land nach Moutier. Was waren die Beweggründe?

N.B.: Anfang der 80er-Jahre zählten wir rund 60 Mitgliedländer, heute sind es gegen 130. Die Aufgaben damals waren weniger umfangreich. Vier Angestellte reichten aus, diese zu bewältigen.

Die Förderung des Turnsportes wurde für den Weltverband immer wichtiger und umfangreicher. Wir mussten mehr Personal anstellen. In den letzten zwei Jahrzehnten sind es vier Mal mehr geworden.

Unsere alten Räumlichkeiten in Lyss, zwischen Biel und Bern wurden zu klein. Da der Turnverband nicht so reich ist wie andere internationale Sportverbände, suchten wir einen Hauptsitz, den wir bezahlen konnten. Moutier hat sich hier angeboten.

Wir wollen unser Geld lieber in die Förderung der Turnerinnen und Turner stecken als in Prestigesitze. Und dass ich unweit von Moutier wohne, hat den Entscheid auch etwas gefördert.

swissinfo: Ist es nicht auch so, dass sie in Moutier, eingezwängt zwischen zwei Schluchten, weniger mobil sind und deshalb die Aufgaben der FIG nicht mehr alle wahrnehmen können?

N.B.: Auf keinen Fall. Moutier liegt verkehrstechnisch nicht schlechter als Neuenburg, Yverdon oder gar Bern. Zürich ist per Auto eineinhalb Stunden entfernt, Basel eine Stunde und Genf zwei. Und mit den heutigen Kommunikations-Möglichkeiten muss keine internationale Organisation mehr in die Zentren ziehen.

Der FIG ist ja nicht die einzige internationale Sportorganisation, welche ihren Sitz auf dem Land hat. Denken Sie an den Internationalen Skiverband in Oberhofen am Thunersee. Oberhofen zählt 2200 Einwohner.

swissinfo: Viele internationale Organisationen haben ihren Sitz in der Schweiz. Was hat eigentlich den Internationale Turnverband bewogen, vor rund 70 Jahren in die Schweiz zu kommen?

N.B.: Unsere Organisation wurde 1881 gegründet. Sie wurde lange Zeit nur von einem Präsidenten, einem Sekretär und einigen Führungskräften geleitet, wobei anfänglich lediglich etwas Korrespondenz zu erledigen war. Bis 1932 befand sich der Sitz des Verbandes jeweils dort, wo der Präsident wohnte.

Später wurden die Aufgaben zahlreicher. Der Verband brauchte einen ständigen Sitz. Die Schweiz drängte sich aus mehreren Gründen auf: Wegen ihrer Neutralität, der wirtschaftlichen Stabilität und der Stabilität des Schweizer Frankens.

Heute noch hat unser Land einen guten Ruf. Die seriösen Mitarbeiter werden geschätzt, ebenso ihre gute Ausbildung und nicht zuletzt die Kenntnis der Fremdsprachen.

Aber diese Pluspunkte werden nicht vererbt, sie müssen immer wieder erworben werden. Ohne ständige Anstrengung geht es nicht. So gesehen ist es gar nicht sicher, dass die Internationalen Organisationen für immer in der Schweiz bleiben.

swissinfo-Interview Raphael Donzel
(Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer)

Der FIG sind sieben Turndisziplinen angeschlossen, darunter das Geräteturnen, Rhythmische Gymnastik und Trampolin.
Mehr als 130 Landesverbände mit über 35 Mio. Mitgliedern gehören zum FIG.
Der Schweizerische Turnverband zählt rund 500’000 Mitglieder.

1881: Der Europäische Turnverband (FEG) wird gegründet.
1921: FEG wird unbenannt in Internationaler Turnverband (FIG).
1973: FIG bezieht ihre ständigen Büros in Lyss bei Bern.
1991: Der Verband zieht nach Moutier um. Heute arbeiten dort 18 ständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
2005: André Gueisbuhler wird Generalsekretär und Nachfolger von Norbert Bueche.

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