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Mr Athen ist ein Schweizer Anwalt

Denis Oswald rauben die Olympischen Spiele den Schlaf. swissinfo.ch

Am 13. August beginnen die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen. Das lange Bangen, ob die Spiele in Griechenland stattfinden oder nicht, findet dann ein Ende.

Die schwierigste Mission in Athen liegt bei einem Schweizer: Denis Oswald überwacht als Kontrolleur des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) die Vorbereitungen.

«Ich habe nie sehr gut geschlafen», sagt Denis Oswald. Gründe dafür hat er genügend. Schon mehrfach erklärten die Medien die Sommerspiele 2004 in der griechischen Hauptstadt Athen für gefährdet: Stadion nicht gebaut, Strassen nicht fertig, Streiks auf den Baustellen, die Olympiade als Wahlkampf-Thema.

Kurz: Die Situation unter der Sonne Hellas hat sich lange Zeit als völlig verfahren präsentiert.

«Die Kandidatur von Athen war eine der schwierigsten», sagt Oswald aus Erfahrung. «Griechenland ist das kleinste Land, das bisher in modernen Zeiten die Sommerspiele organisiert hat. Und im Gegensatz zu Atlanta mussten grosse Teile der Infrastruktur – beispielsweise Elektrizität, Glasfaserleitungen und Transportsysteme – neu gebaut werden.»

Der 57-jährige Oswald ist Anwalt, Richter beim internationalen Sportsgerichtshof TAS, Direktor des internationalen Zentrums für Sport CIES und Dozent an der Universität Neuenburg. Als Präsident des Welt-Ruderverbandes FISA ist er Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.

Seit drei Jahren ist Oswald offizieller IOK-Koordinator der Athener Sommerspiele. Diesen nervenaufreibenden Job hat er im Sommer 2001 von seinem Vorgänger, dem heutigen IOK-Präsidenten Jacques Rogge, übernommen.

Athlet, Funktionär und Anwalt

«Es war Rogges erste Entscheidung als neuer IOK-Präsident, mir das Athener Dossier anzubieten», erklärt Oswald. Er habe sich zwei Tage Bedenkzeit ausbedungen – «und dann nach zwei Minuten zugesagt». Seine einzigen Bedenken seien gewesen, nicht genug Zeit für diese Spezialaufgabe aufbringen zu können.

Das Athener Mandat leistet das IOK-Mitglied in Fronarbeit. In seiner Anwaltskanzlei im siebten Stock eines Geschäftshauses mit Sicht auf den Neuenburger-See stapelt sich das Papier mit dem Briefkopf der fünf olympischen Ringe.

Auf den dicken Teppichen der umgebauten Wohnung zeugen Relikte von seiner langen Karriere als Athlet und Sport-Funktionär: Die Kopie der olympischen Flamme, eine Wappenscheibe der Schweizer Ruderer, eine runde Wanduhr und Modelle von Ruderbooten. Auf dem geräumigen Balkon steht ein Hometrainer.

Gelbe Karte für Griechenland

Die Unordnung spiegelt wohl seine über 25 Reisen nach Griechenland in den letzten drei Jahren. Alle sechs Monate stand eine offizielle Inspektions-Tour auf dem Programm.

Bei der letzten Kontrolle Anfang Mai konnte er endlich gute Noten vergeben: Das Olympia-Stadion für 55’000 Personen erhielt symbolträchtig sein Dach. Bis dahin hatten Oswald die schleppenden Bauarbeiten Sorgen bereitet.

«Die IOK-Kommission war in ständigem Kontakt mit der alten und der neuen Regierung. Wir mussten ihnen gelegentlich klar machen, dass das Image des Landes als Geburtsstätte der Olympischen Spiele auf dem Spiel steht.»

Via Medien zückte Oswald auch mal die gelbe Karte, setzte sanften Druck auf. Aber er verteilt auch Komplimente: «Man muss diplomatisch genug sein, um die Menschen nicht zu demotivieren. Am Ende realisierten die Griechen in vier Jahren, was sonst in sieben Jahren gemacht wird.»

Terror aus erster Hand: München 1972

Ein Bereich wird Oswald aber weiter Bauchschmerzen bereiten, und zwar bis zum Verlöschen der Olympischen Flamme an der Abschluss-Zermonie: Die Sicherheit. «Für das IOK hat die Sicherheit und das Attentats-Risiko oberste Priorität», betont Oswald.

Einen Angriff auf Olympische Spiele hatte Oswald als Ruderer an den Sommerspielen 1972 in München hautnah erlebt. «Mein eigener Wettkampf war schon vorbei. Ich wollte bis zum Ende bleiben und anderen zuschauen.»

Als ein palästinensisches Kommando ins Olympische Dorf eindrang und israelische Athleten erschoss, war dieser Plan augenblicklich begraben. «Ich reiste sofort zurück in die Schweiz.»

Terror-Anschlag wäre das Ende der Spiele

Deshalb ist für ihn klar: «Ein Anschlag wäre das Ende der Spiele in Athen.» Seit dem 11. September 2001 werde noch stärker auf die Sicherheit geachtet, und er versichert: «Noch nie wurde soviel für eine Veranstaltung unternommen. Aber ein Null-Risiko gibt es nicht.»

Insgesamt 70’000 Sicherheitsleute, darunter Soldaten der NATO, werden die Spiele bewachen. Die Kosten für die Sicherheit zu Luft, Land und See belaufen sich auf eine Milliarde Euro (rund 1,5 Mrd. Franken).

«Verstehen sie, warum ich jetzt noch schlechter schlafe», schliesst Oswald augenzwinkernd.

swissinfo, Mathias Froidevaux und Philippe Kropf, Neuenburg

Athen 2004 sind die XXVIII Olympischen Sommerspiele.
Dauer: 13. bis 29. August.
28 Sportarten, 28 Austragungsorte.
10’500 Sportler.
5500 Funktionäre.
21’5000 Medienleute.
70’000 Soldaten und Sicherheitsleute.

Denis Oswald, *1947, verheiratet, ein Sohn. Sportarten: Rudern, Laufen, Fahrrad- und Skifahren.

Im National-Ruderteam 1968-76, 13x Schweizer Meister.

An Olympischen Spielen Mexiko (1968), München (1972) und Montreal (1976). 1974 4. Platz an Ruder-WM.

Seit 1991 Mitglied IOK. Seit Sommer 2001 Vorsitzender Koordinierungs-Kommission Athen.

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