Schwarz Erben – künftig straflos?

"Schwarzgeld-Erben" soll nicht mehr bestraft werden. Darüber diskutierte am Montag das Parlament. Machen Steueramnestien überhaupt Sinn?
Sachverhalt: Eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz erbt Geld, das der Erblasser bis zu seinem Tod unbemerkt am Fiskus vorbeigeschleust hat. Gegenwärtig gibt es für den Erben in diesem Fall nur zwei Handlungsmöglichkeiten: 1. Der Erbe macht reinen Tisch. Folge: Er bezahlt Nachsteuern plus Verzugszinsen. 2. Er hält das Geld weiterhin geheim. Folge: Er riskiert zusätzlich zu Nachsteuern und Verzugszinsen noch eine saftige Busse.
Unschuldig bestraft
In den Augen der Kantone Jura und Tessin ist dies ein Missstand, den es auszumerzen gilt. Schweizweit. Der Kanton Jura begründet seinen Vorstoss mit einer Rüge des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Gemäss diesem verstösst die Schweizer Regelung gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung.
Der Kanton Tessin hingegen kannte keine derartige Regelung vor Einführung der gesamtschweizerischen Steuerharmonisierung. Von 1987 bis 2001 wurde von einer Strafe befreit, wer ein vollständiges Inventar des Erbes vorlegte. Bezahlen mussten die Erben nur noch die Erb- und die direkte Bundessteuer.
Viel illegales Geld legalisieren
Der Kanton Tessin begründet seinen Vorstoss unter anderem damit, dass in den Jahren 1993 bis 1998 auf Grund von Selbstanzeigen fast 400 Mio. Franken legalisiert wurden. Kurzfristig erhöhten sich so die Einnahmen durch die Erbschaftssteuer, langfristig profitiere der Fiskus jedoch auch von ordentlichen Einnahmen, so lauten die Argumente der Tessiner.
Steuerexperten sind sich hier jedoch nicht ganz einig. Benno Torgler, Finanzwissenschaftler an der Universität Basel warnt vor zu grossen Erwartungen. «Der langfristige Effekt ist nicht so grossartig, wie der kurzfristige Effekt den Anschein erweckt.»
Tor für weitere Amnestien?
Und vor allem warnt er davor, die Erbamnestie gleich als Türöffner für weitere Amnestien zu benutzen, wie dies die ständerätliche Rechtskommission eigentlich tun möchte. Seit Jahren bestehen Pläne für eine generelle Steueramnestie in der Schweiz. Die Art und Weise ist jedoch umstritten.
Zwei Modelle stehen laut Rechtskommission zur Diskussion: Erstens eine Steueramnestie, die auf Strafsteuern verzichtet und die Nachsteuern reduziert. Diese wäre an eine Steuerperiode gebunden. Zweitens die Amnestie, die jeder Steuersünder einmal im Leben in Anspruch nehmen dürfte. Er müsste keine Busse bezahlen, dafür aber die Nachsteuern.
Letzte Amnestie vor 33 Jahren
Im Parlament wird die Idee einer Amnestie unterstützt, denn das letzte Generalpardon liegt 33 Jahre zurück. Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt, dass dadurch 11,5 Mrd. Franken Vermögen ans Tageslicht gebracht wurden.
Bürgerliche Politiker monieren, dass jede Generation Anrecht auf eine Steueramnestie hat. Als der Finanzminister im letzten Sommer einen Vorschlag dem Gesamtbundesrat unterbreitete, wurde dieser abgeschossen. Aus politischen und rechtlichen Gründen.
So wird eine Steueramnestie gegenüber den braven Steuerzahlern als ungerecht empfunden. Oder aber eine Antizipation einer Amnestie kann zu Steuerhinterziehung verleiten. Als Gegenargument kann geltend gemacht werden, dass die Steuermoral sich verbessert, da sich Ehrlichkeit bezahlt macht.
Steueramnestien wurden schon vielerorts realisiert: Unsere Nachbarländer Frankreich und Italien, aber auch Belgien und Irland haben Gnade vor Recht gelten lassen. Auch in vielen Ländern Lateinamerikas, Asiens und im pazifischen Raum wurden Steueramnestien durchgeführt. Hauptmotiv für solche Steuererlasse ist oft die kurzfristige Erhöhung des Steueraufkommens.
In der Kleinen Kammer jedenfalls wurde der Vorschlag des Kantons Jura angenommen, die Diskussion damit erneut lanciert. Die Standesinitiative des Kantons Tessin hingegen hatte keine Chance. Sie ging dem Ständerat zu weit. Doch bis eine Amnestie auch wirklich zu Stande kommt, muss sie das parlamentarische Prozedere durchlaufen.
Rebecca Vermot

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