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America’s Cup: Alinghi sticht endlich in See

Leinen los! Team New Zealand (hinten) fordert Defender Alinghi heraus. Keystone

Das Schweizer Segelsyndikat Alinghi verteidigt in Valencia ab Samstag die begehrteste Seglertrophäe. Die Crew um Ernesto Bertarelli wird von Team New Zealand herausgefordert.

Wer als erster fünf Regatten gewonnen hat, darf die begehrte Kanne mit nach Hause nehmen. Die Chancen sind für Defender und Herausforderer intakt.

Die Sensation hat eigentlich bereits am 2. März 2003 stattgefunden: Damals gewann Newcomer Alinghi überraschend die 5. Regatta in Serie gegen Titelverteidiger Team New Zealand und damit den begehrten America’s Cup, die prestigeträchtigste Seglertrophäe der Welt.

Zum ersten Mal seit 152 Jahren, als die Briten die allgemein als “hässlich” verschriene Kanne an die Amerikaner abgeben mussten, kehrte der Meistertitel nach Europa zurück. Und es war mit dem Schweizer Industriellen Ernesto Bertarelli ausgerechnet ein Binnenländer, der das zustande gebracht hatte.

Der Traum aller Touristik-Manager

Doch nach dem Cup ist vor dem Cup: Kaum war die Kanne in Genf angekommen, begann das Alinghi-Team mit den Vorbereitungen für die Verteidigung des Titels. Das Reglement will es, dass dem Cup-Gewinner so ziemlich alle Freiheiten gelassen werden, wie und wo er seinem Herausforderer die Stirn bieten will.

Natürlich kam der Genfersee als Austragungsort nicht in Frage, und so erhielt Alinghi Angebote aus aller Welt. Die Szenerie für den America’s Cup (AC) abgeben zu dürfen gilt als grosse Ehre und ist lukrativ.

Die Wahl fiel schliesslich auf die spanische Hafenstadt Valencia, wohl auch als Reverenz an König Juan Carlos, selber ein begeisterter Segler. Zumindest die Hoffnungen der Touristik-Manager haben sich bereits erfüllt: Eben konnte Valencia den fünfmillionsten Besucher im eigens erbauten AC-Park begrüssen.

Revanche für die Neuseeländer

Derweil waren das Alinghi-Team und die elf Herausforderer nicht untätig. Es galt, eine neue Mannschaft zusammenzustellen oder noch besser, die alte möglichst bei der Stange zu halten.

Neue Boote mussten gezeichnet und gebaut werden, jedes der zwölf Teams musste in Valencia seine eigene Basis einrichten, bis am vergangenen 3. April mit den Ausscheidungsrennen begonnen werden konnte.

Diese gipfelten im Louis Vuitton Cup (18. April bis 12. Juni), der Regattaserie, in welcher der Alinghi-Herausforderer erkoren wurde. Das Rennen machte schliesslich das Emirates Team New Zealand, also die Crew aus Neuseeland, die vor vier Jahren schmählich gegen Alinghi untergegangen war.

Viel Geld im Spiel

Die Spielzeuge von Buben und Männern unterscheiden sich vor allem im Preis, wird oft gesagt. Tatsächlich mussten die einzelnen Teams und deren Chefs viel Geld in die Hand nehmen, bis sie fit waren für Valencia 2007. Auf 160 Mio. Franken beläuft sich – offiziell – das Budget von Alinghi.

Kein Problem für Team-Chef Ernesto Bertarelli: Mit an Bord als Hauptsponsor ist die Schweizer Grossbank UBS, der es 30 Mio. Franken wert ist, mit ihrem Logo auf den Alinghi-Rümpfen und –Segeln zu glänzen.

Und schliesslich wird’s auch Bertarelli selber nicht am nötigen Kleingeld mangeln, besonders seit er mit dem Unternehmen Merck einen potenten Käufer für sein Familienunternehmen Serono gefunden hat.

Bertarellis Geste

Noch mehr Geld, nämlich 200 Mio. Franken, hatte der amerikanische Herausforderer BMW Oracle zur Verfügung. Aber gerade das Abschneiden des amerikanischen Bootes zeigt, dass mit Geld allein nicht alles zu richten ist. Die Amerikaner, die in den vergangenen 152 Jahren meist Cupsieger oder zumindest Herausforderer waren, landeten diesmal im Louis Vuitton Cup bloss auf dem 2. Platz.

Dagegen hatte das neuseeländische Team 2003 nach der demütigenden Niederlage gegen Newcomer Alinghi zunächst grosse Geldsorgen. Es war dann ausgerechnet Ernesto Bertarelli, der den Kiwis mit einem 12-Millionen-Kredit aus der Patsche half – und sich damit einen formidablen Gegner heranzog.

“Ein America’s Cup ohne Neuseeländer wäre wie eine Fussball-WM ohne Brasilianer”, soll der Alinghi-Chef seine Geste begründet haben.

Team New Zealands Boss Grant Dalton andererseits wird nicht müde zu betonen, der Kredit sei bis auf den letzten Rappen zurückbezahlt. Als Hauptsponsor der Neuseeländer firmiert inzwischen die in Dubai beheimatete Fluglinie Emirates.

Geheimwaffe SUI 100?

Und so werden also die Kiwis ab 23. Juni versuchen, Alinghi die silberne Kanne wieder abzujagen. Gesegelt wird in einer “Best-of-nine-Serie”. Sieger ist, wer in maximal neun Rennen als erster fünf Siege auf dem Konto hat.

Welches Team dies sein wird, darüber mögen auch Fachleute keine Wetten abschliessen. Die Neuseeländer haben bis jetzt seglerisch einen sehr starken Eindruck hinterlassen, so die einhellige Meinung.

Andererseits kann Bertarelli auf ein eingeschworenes Team zählen. 70 Prozent seiner Mannschaft waren schon 2003 mit dabei. Als Geheimwaffe gehandelt wird auch die SUI 100, das neuere der beiden Alinghi-Boote, das vermutlich gegen die Kiwis zum Einsatz kommt – und gegen das noch niemand gesegelt hat.

swissinfo, Ulrich Goetz, Valencia

Nach jahrelangen Streitereien um Design-Regeln wird der Cup seit 1992 nur noch mit Booten ausgetragen, die den Bestimmungen der “International America’s Cup Class” (IACC) entsprechen.

Die Rumpflänge wurde auf 26 Meter festgelegt, die Breite darf 4,5 Meter, das Gewicht 24 Tonnen nicht überschreiten. Die 33 Meter hohen Masten tragen maximal 320 Quadratmeter Segelfläche (am Wind).

In den Augen von Laien gleichen sich die “America’s Cupper” beinahe wie ein Ei dem andern. Entscheidend sind aber kleine Details und Tricks, die von Auge kaum auszumachen sind.

18 Mann (ein Passagier inklusive) finden auf einer IACC-Yacht Platz (Frauen sind nicht gefragt…).

Steuermann, Taktiker, Stratege und Navigator bestimmen, wo es lang geht, der Rest der Crew liefert vor allem die Muskelkraft an den Winschen.

Während die Neuseeländer mit zwei Ausnahmen ihre Crew aus eigenem Boden heranzogen, dienen im Alinghi-Syndikat Segel-Söldner aus neun Nationen.

Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli ist als Stratege der einzige Schweizer an Bord. Er behält fortwährend die Position des Gegners aus Neuseeland im Auge.

Ed Baird, Steuermann
Brad Butterworth, Taktiker
Ernesto Bertarelli, Gegner-Beobachtung
Pieter van Nieuwenhuyzen
Curtis Blewett
Francesco Rapetti
Josh Belsky
Mark McTeigue
Matt Welling
Simon Daubney
Lorenzo Mazza
Will McCarthy
Warwick Fleury
Murray Jones
Dean Phipps
Rodney Ardern
Juan Vila

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