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Aus für Christoph Marthaler

Der umstrittene Christoph Marthaler kam auf die Saison 2000/01 nach Zürich. Keystone

Das Zürcher Schauspielhaus trennt sich auf Ende der Saison 2002/03 von seinem künstlerischen Direktor.

Unter Marthalers Leitung errang das Schauspielhaus zweimal den Titel “Theater des Jahres” im deutschsprachigen Raum.

Angesichts der stetig sinkenden Zuschauerzahlen sei klar geworden, dass Marthalers künstlerisches Konzept mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht weitergeführt werden könne, teilte der Verwaltungsrat am Samstag mit.

Auch die erhöhten städtischen Subventionen reichten nicht aus, um das Programm, wie die künstlerische Direktion es anstrebe, zu realisieren, heisst es in der Mitteilung.

Zudem seien die Zuschauer- und Abonnentenzahlen nochmals zurückgegangen. Seien vor der Ära Marthalers – also vor der Saison 2000/01 – pro Saison durchschnittlich 170’000 Zuschauerinnen und Zuschauer gezählt worden, so sei diese Zahl in der Saison 2001/02 auf 120’000 gesunken. Und dies, obwohl inzwischen nicht nur die Pfauenbühne, sondern auch der Schiffbau bespielt wurde.

Noch keine Einigung

“Ein Andauern dieser Lage würde ein Überleben des Schauspielhauses verunmöglichen”, schreibt der Verwaltungsrat. Er sei deshalb gezwungen zu handeln. Trotz mehrerer Gespräche mit Marthaler in dieser Sache – eine Lösung steht noch aus: Laut Mitteilung hofft der Verwaltungsrat, “mit ihm rasch eine einvernehmliche Einigung zu finden”.

Wer auf die Saison 2003/04 die künstlerische Leitung übernehmen wird, ist noch unklar. Eine Findungskommission mache sich nun unverzüglich auf die Suche nach möglichen Kandidaturen. Das Programm der nun kommenden Saison werde wie geplant gespielt. Vorgesehen sind 14 Premieren.

Hoffnung nicht erfüllt

Anfang Juni hatten die Zürcher Stimmberechtigten dem Schauspielhaus eine Erhöhung der jährlichen Subventionen um annähernd 3,9 Mio. auf 33,7 Mio. Franken jährlich gewährt.

Damit, hoffte man, sollte das Schauspielhaus die Turbulenzen um die Kostenüberschreitungen beim Schiffbau, sinkenden Abonnentenzahlen und leeren Zuschauerrängen hinter sich lassen und in ruhigerem Fahrwasser die Saison 2002/03 ansteuern können. Eine Hoffnung, die sich nun nicht erfüllt hat.

Jubel und Ärger

Die finanziellen Probleme des Schauspielhauses begannen mit Kosten-Überschreitungen von rund 11 Mio. Franken beim Bau der Schiffbauhalle. Dies zehrte die Geldreserven des Hauses völlig auf.

Mehrkosten verursachte auch der Betrieb der beiden zusätzlichen Bühnen (Halle und Box im Schiffbau) neben dem Haupthaus am Pfauen. Und schliesslich verursachte auch das neue Arbeitsgesetz dem Schauspielhaus zusätzliche (Finanz-)Probleme.

Von einem Teil des Publikums wurde Marthaler frenetisch bejubelt. Unter seiner Leitung errang das Schauspielhaus zweimal den Titel “Theater des Jahres” im deutschsprachigen Raum. Einen anderen Teil der Theaterfreunde aber vergraulte der als brilliant, aber eigenwillig geltende Marthaler mit seinem Spielplan und mit der kurzfristiger Streichung von Vorstellung. Langjährige Besucher des Schauspielhauses kündigten verärgert ihr Abo.

swissinfo und Agenturen

Das Publikum nahm Marthalers Inszenierungen unterschiedlich auf: Die einen waren begeistert, andere konnte damit nichts anfangen, wieder andere lehnten sie rundweg ab und blieben dem Theater fern.

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