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Bogen von Brienz nach Bagdad führt über Bischkek

Renovierte Geigen für Bagdads Musikschule. swissinfo.ch

In der Brienzer Geigenbauschule flickt ein Stagiaire aus Kirgistan gebrauchte Violinen. Die Instrumente sind ein Geschenke für die Musik- und Tanzschule in Bagdad. Eine private Initiative.

Die Schenkung von Instrumenten ist die erste dieser Art für die Schule im Irak, die im Krieg von Vandalen verwüstet worden war.

Die Idee, Instrumente nach Bagdad in die Musikschule zu schicken, hatte der unterdessen verstorbene Schweizer Radio-Journalist Jean-Pierre Gerber. Die Schule war während des Kriegs von Vandalen völlig zerstört worden. Kurz vor seinem Unfalltod hatte Gerber seine Idee noch umgesetzt.

“In Bagdad war man sehr berührt vom Umstand, dass die Musikinstrumente von Privaten kommen. Man erachtet dies als ein sehr schönes Zeichen von Solidarität”, sagt Peter Schuler gegenüber swissinfo. Schuler, der sich um das Projekt kümmert, ist einer der Zuständigen der Vereinigung “Musik + Leben Schweiz”.

Das Projekt hätte ohne das Musikhaus Jecklin nie das Licht der Welt erblickt. In Bagdad sind schon rund 20 Instrumente angekommen. Weitere 80 sollen folgen, darunter Klaviere und Cembalos, Trompeten und Flöten. Aufgrund der derzeit sehr unsicheren, von Gewalt geprägten Lage im Irak wird mit der zweiten Lieferung vorerst noch abgewartet.

Unter den Instrumenten sollen sich diesmal auch wertvolle Objekte für den Orchestereinsatz befinden, und nicht nur Lern-Geräte.

Kunsthandwerker aus Kirgistan in Brienz

Die für Bagdad bestimmten Instrumente werden in der Brienzer Geigenbauschule restauriert. Es war Zufall, dass ausgerechnet die ersten Reparaturen von einem kirgisischen Kunsthandwerker ausgeführt wurden. Turatbek Akunovs Praktikum in Brienz wird von einem Hilfsprogramm getragen, das ihn in die Schweiz führte.

Turatbek Akunov verdankt die Möglichkeit, sechs intensive Monate in Brienz zu verbringen, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des Schweizer Aussenministeriums.

Simon Glaus, einer der Lehrer in Brienz, hatte Akunov vor drei Jahren während einer Reise in Kirgistan kennen gelernt. Dort fiel ihm dieser als begabter Holzbearbeiter auf. Akunov stellte auch kirgisische Volksmusik-Instrumente für das Konservatorium der Hauptstadt Bischkek her, und besitzt offenbar zwei goldene Hände.

So kam die Idee eines Praktikum-Aufenthaltes. Sechs Monate sind eine kurze Zeit. Doch Akunov kann nicht länger bleiben. Sein Stipendium läuft dann aus, und ausserdem muss er seine Familie unterhalten.

Sein Bad im Brienzersee hat er diesen Sommer genommen – und vielleicht reicht es noch, um wenigstens einmal mit den Skis die Piste runter zu fahren. Zeit zu verlieren hat er keine. Er glättet und hobelt das weiche Holz für seine erste Geige auch übers Wochenende.

“In wenigen Tagen kommt mein drittes Kind auf die Welt, das ich bis Ende Februar nicht sehen werde”, sagt der 39-jährige Kirgise in gutem Deutsch zu swissinfo. Gelernt hat er dies in den zwei Monaten, die er nun in der Schweiz ist.

Die erste Geige in drei Monaten

Seine erste Geige dürfte Akunov in drei Monaten fertig gebaut haben. Eine Arbeit, für die Studenten normalerweise deutlich länger benötigen.

Nicht nur im Irak, auch in Kirgistan gibt es einen grossen Bedarf nach Musikinstrumenten in gutem Zustand. In der zentralasiatischen Republik fehlt es an Musikgeräten, weil es an Kaufkraft fehlt.

Die Schulverantwortlichen in Brienz erklären, dass es in ganz Asien und in Russland auch an Handwerkern fehle, die Instrumente herstellen und reparieren könnten.

Dank dem Solidaritätsbogen, der die Schweiz, Irak und Kirgistan umspannt, werden die von Akunov restaurierten Instrumente in den Räumen der Bagdader Musikschule ertönen. Obschon vorerst der Lärm der Gewehre des Krieges, der noch nicht zu Ende ist, diesen schönen Moment noch verzögert.

swissinfo, Raffaella Rossello
(Übersetzung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Dank der Vereinigung “Musik + Leben Schweiz” und dem Musikhaus Jecklin liess sich die Aktion “Musikinstrumente für die Musikschule in Bagdad” verwirklichen.

Die Privat-Donationen – rund 20’000 Franken und über 100 Musikgeräte (unter anderem Klaviere, Cembalos, Flöten etc.) ermöglichen die Wiedereröffnung der Musikschule, die während des Kriegs von Vandalen zerstört wurde.

Die Geigenbauschule in Brienz ist die einzige dieser Art in der Schweiz. Sie beteiligt sich an dieser Aktion, indem sie die Saiteninstrumente restauriert.

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SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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