Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Asylinitiative: Bundeskanzlei will Neuzählungen

Die gewogenen Stimmzettel müssen nun von Hand ausgezählt werden. Keystone

Etliche Gemeinden haben für die Auszählung der Asylinitiative technische Hilfsmittel verwendet. Nun gehts ans Nachzählen - von Hand.

Das definitive amtliche Abstimmungsresultat zur Asylinitiative wird frühestens im Februar vorliegen.

Nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Bern und verschiedene Gemeinden in zwölf Kantonen Stimmzettel der SVP-Asylinitiative nicht von Hand ausgezählt hatten, hat die Bundeskanzlei reagiert.

In einem Brief ersucht Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz alle Kantone, bei ihren Gemeinden nachzufragen, welche Methode für die Erhebung der Ja- und Nein-Stimmen angewandt worden ist. Bei Bedarf sollen sie eine gesetzeskonforme Nachzählung von Hand zu verlangen.

Genauigkeit unbestritten…

Die Bundeskanzlei bestreitet zwar nicht, dass sich Abstimmungs-Ergebnisse mit technischen Hilfsmitteln genau ermitteln lassen, zum Beispiel mit Zählmaschinen oder Waagen.

Am Abstimmungsausgang – dem Nein zur Asylinitiative der SVP mit einem Volksmehr von 3422 Stimmen – sollen jedoch keine Zweifel entstehen. Die Bundeskanzlei will auch allfälligen Abstimmungs-Beschwerden den Wind aus den Segeln nehmen.

“Wir sind sicher, dass die technischen Geräte, die von den Kantonen zur Stimmauszählung verwendet worden sind, korrekt funktionieren. Es ist aber kein technisches Problem. (…) Das Problem ist, dass wir diese Art der Stimmenzählung legalisieren müssen”, sagt Hansruedi Moser, Pressesprecher der Bundeskanzlei.

Zudem muss der Bund explizit den Einsatz technischer Hilfsmittel zur Eruierung der Stimmenzahlen erlauben. Ausser Genf scheint keine der Gemeinden, welche Hilfsmittel verwendet haben, eine Bewilligung eingeholt zu haben.

… aber gegen herrschendes Recht

Der Politologe Alexander Trechsel arbeitet für das “Forschungs- und Dokumentationszentrum Direkte Demokratie” in Genf. Er sieht in den fehlenden Bewilligungen denn auch die grösste Schwierigkeit: “Das Problem ist vor allem, dass die Kantone das Recht nicht respektiert haben. Artikel 84 des Gesetzes über die politischen Rechte erlaubt nur die Auszählung der Stimmzettel von Hand.”

Trechsel meint weiter: “Das Vorgehen ist irregulär, ein Rekurs ist möglich.”

Unterschiedliche Reaktionen

Einige Kantone haben auf das Schreiben der Bundeskanzlerin nicht sehr erfreut reagiert.

So erklärt etwa der Leiter des Aargauer Wahlbüros, Urs Meier, dass im Aargau wahrscheinlich schon seit über zehn Jahren Banknoten-Zählmaschinen zum Einsatz kämen: “Das ist nichts Neues und war schon immer so. Der Bundeskanzlei war das auch bekannt. Es gibt keine Veranlassung, die Resultate noch einmal nachzuzählen – ausser wir bekommen den Befehl dazu.” Ähnlich äussern sich auch die Verantwortlichen des Kantons Luzern.

Der Zürcher Regierungsrat will ebenfalls nicht nachzählen lassen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die eingesetzten Zählmaschinen falsch gezählt hätten, lässt die Zürcher Regierung verlauten.

Die Stadt Thun hat die Nachzählung am Mittwoch durchgeführt, die Abweichungen waren gering: Die Zahl der Ja-Stimmen sank um 16, während 11 Nein-Stimmen mehr ausgezählt wurden.

Die Stadt Bern hat bereits am Dienstag bekannt gegeben, von Hand nachzählen zu lassen.

Dagobert Cahannes, der Medienbeauftragte des Kantons Solothurn, sagte gegenüber swissinfo: “Wir haben eine Umfrage bei allen 126 Gemeinden des Kantons gestartet.” Der Kanton verpflichte die Gemeinden aber nicht zum Nachzählen.

Dagobert Cahannes zweifelt nicht an der Richtigkeit der durch Maschinen erhobenen Resultate. Er will auch bei künftigen Urnengängen nicht auf technische Hilfsmittel verzichen. “Wir werden in Bern um eine Bewilligung nachsuchen”, sagte er weiter.

Dem Solothurner Anliegen kommt die Bundeskanzlei entgegen. Bis zur Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar soll mit den Kantonen eine Lösung gefunden werden.

Gianpiero Gianella, Sekretär des Tessiner Staatsrates, erklärt das Zählprozedere: “Im Tessin werden die Stimmzettel in den kommunalen Abstimmungsbüros immer von Hand ausgewertet. Man teilt die Zettel in Ja und Nein auf und schickt das Resultat an die Staatskanzlei. Bei Wahlen erfolgt eine elektronische Zählung. Dieses Informatik-System ist seit 1979 in Betrieb.”

Der Kanton Graubünden wird Nachzählungen veranlassen. Und der Nidwaldner Landschreiber Joseph Baumgartner sagt: “Wir müssen wieder von vorne anfangen: Drei Viertel der Gemeinden zählen bei uns nicht mehr von Hand aus.”

swissinfo, Etienne Strebel und Agenturen

Die SVP-Asyl-Initiative ist dank einer hauchdünnen Mehrheit von 3422 Stimmen verworfen worden.
An der Abstimmung beteiligten sich 2’240’000 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Gut ein Drittel der Kantone gebrauchte vom Bund nicht genehmigte technische Zählhilfen.
Die Bundeskanzlei verlangt, dass die mit Zählmaschinen oder Waagen ausgezählten Stimmzettel von Hand nachgezählt werden.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft