Belgrad misstraut Schweizer Berater

Serbiens Präsident Boris Tadic hat die Unabhängigkeit von Thomas Fleiner bei den Kosovo-Gesprächen angezweifelt. Er stehe Bundesbern zu nah.
Der Freiburger Staatsrechtler war im November zum Berater des serbischen Teams berufen worden.
Kurz vor der ersten Sitzung des neuen Verhandlungsteams über den künftigen Status von Kosovo, die am Dienstag beginnt, stellte Präsident Tadic gegenüber der Wochenzeitschrift «Nin» indirekt die Unabhängigkeit Fleiners in Frage.
Fleiner, Professor an der Universität Freiburg und Leiter des dortigen Instituts für Föderalismus, war für den Posten aus Belgrad von Slobodan Samardzic, dem Berater von Regierungschef Vojislav Kostunica, empfohlen worden, wie Belgrader Medien berichteten. Samardzic ist zurzeit am Freiburger Institut als Gastprofessor tätig.
Von dem Tadic-Kabinett kam kein Gegenvorschlag und Tadic selbst liess verlauten, «Fleiner ist ein Mann, der Standpunkte vertritt, die den Interessen Serbiens nahe stehen».
Nähe zu Bern
Anders äusserte er sich nun in dem Interview vor wenigen Tagen. Für sein Misstrauen führte er zwei Gründe an. Zum einen sei die Schweizer Regierung, insbesondere Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, früher für eine formelle Unabhängigkeit von Kosovo eingetreten. Belgrad andererseits ist um den Verbleib der Provinz in Serbien bemüht.
Tadic sagte weiter, er befürchte, dass Fleiner der offiziellen Position der Schweiz zu nahe stehe. Er wisse nicht, ob das Institut für Föderalismus unter dessen Führung aus dem Schweizer Budget finanziert werde, sagte Tadic. Das müsse man nun prüfen.
Nähe zu Kostunica
Als weiteren Grund für sein Misstrauen gab Tadic Fleiners Ehefrau an. Lidija Basta, selbst eine bekannte Belgrader Rechtsexpertin, soll eine langjährige Familienfreundin des serbischen Regierungschefs, Vojislav Kostunica, und dessen Gattin sein.
Kostunica und Tadic, die zusammen die serbische Verhandlungs-Delegation leiten, sind politische Erzrivalen, beispielsweise sind sie sich nicht einig über den künftigen Status von Kosovo.
Offensive von Fleiner
Fleiner bekundete darauf am Montag, er sei bereit, auf seine Beraterrolle zu verzichten, sollte seine professionelle und politische Unabhängigkeit angezweifelt werden.
Er erklärte, dass in der Schweiz Freiheit von Lehre und Forschung herrsche. Diese werde auch von den Ministern akzeptiert, wenn der Bund die Forschung finanziere. Zudem werde sein Mandat bei den Kosovo-Gesprächen nicht von der Schweiz, sondern von der serbischen Regierung getragen.
swissinfo und Agenturen
Die grösste ethnische Gruppe in Kosovo sind die Albaner. Trotzdem ist das Land technisch ein Teil von Serbien.
Seit 1999 steht die Provinz unter UNO-Verwaltung, demokratische Standards sind im Entstehen.
Das Land ist durch die Spannungen zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit gespalten.
Die serbische Minderheit in Kosovo wird derzeit von internationalen Friedenstruppen geschützt.
Fleiner, ein Experte für Föderalismus, multikulturelle Staaten und internationales Recht, ist seit 1984 Direktor des Institus für Föderalismus in Freiburg.
Er hatte bereits öfter für Ex-Jugoslawien gearbeitet, beispielsweise von 1992 bis 1993 als Missionsleiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
2003 beriet er zudem die serbischen Behörden bei der Gründung von Serbien und Montenegro.

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