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Der Präsident zieht Bilanz

Eine seiner Auslandreisen führte Bundespräsident Leuenberger im November nach Kenia. Keystone

Der schweizerische Bundespräsident Moritz Leuenberger will 2007 noch einmal für die Landesregierung kandidieren. Dies sagte er anlässlich seiner Bilanz zum Präsidialjahr.

Als Hauptmotivation für eine weitere Legislaturperiode gab der Zürcher Sozialdemokrat die Wiederherstellung des angeschlagenen Kollegialitätsprinzips im Gremium an.

Als Verfechter des Kollegialitätsprinzips will er sich weiter dafür einsetzen, dass die Regierung ihre “überparteiliche Durchschlagskraft” behält. 2006 habe des Kollegium trotz Provokationen gut funktioniert, sagte der sozialdemokratische Bundesrat.

Das Kollegialprinzip stehe heute zur Diskussion. In die Überzeugung für ein gut funktionierendes Kollegium habe er dieses Jahr viel investiert, so Leuenberger.

Bundesrat darf nicht “auseinanderfallen”

Je mehr sich einzelne Mitglieder des Bundesrates in die Tagespolitik, ins Parteiengezänk und in den Wahlkampf einmischten, desto lauter werde der Ruf nach einem Bundespräsidenten ertönen, der über den Parteien stehe, sagte Leuenberger weiter. Soweit dürfe es aber nicht kommen. Die Regierung dürfe nicht “auseinanderfallen”.

Das Siebnergremium funktioniere und habe auf “Provokationen” besonnen reagiert. Der Bundesrat müsse geschlossen auftreten, auch wenn sich einzelne Mitglieder mit einem Kompromiss gegen die eigene Partei stellen und diese für den Kompromiss gewinnen müssen, sagte der Regierungspräsident.

Nicht wegen Blocher

Ob er bei einer Wiederwahl die ganze Legislatur erfüllen werde, liess Leuenberger, der seit 1995 der Landesregierung angehört, offen. Er wolle das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) nicht wechseln. Er bleibe aber nicht, um es für Christoph Blocher zu sperren. Vieles sei offen. Möglicherweise werde ja der Bildungsbereich im UVEK konzentriert.

Ein ideales Rücktrittsalter für ein Bundesratsmitglied gebe es nicht. Es gebe Amtsdauern zwischen zwei und 32 Jahren. Diese seien abhängig von der Person und dem Alter. “Wenn man nur auf das Alter abstellen würde, käme ich nicht als erster dran, sagte der eben 60 Jahre alt Gewordene.

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Kollegialität

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Kollegialitätsprinzip ist im Regierungs- und Verwaltungsorganisations-Gesetz festgeschrieben. Es ist eine Organisationsform und Methode der Entscheidfindung, praktiziert in den leitenden staatlichen Gremien der Schweiz (z.B. Kantonsregierungen, Landesregierung). Die Kollegialbehörde fasst Beschlüsse gemeinsam und trägt dafür gemeinschaftlich die Verantwortung, auch wenn einzelne Mitglieder persönlich dagegen sind. Über die persönliche Haltung der einzelnen Mitglieder und die geführte…

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Unverständnis im Ausland

Innenpolitisch habe die Rotation des Bundespräsidiums eine Kohäsionsfunktion, sagte Leuenberger in seiner Rede. Aussenpolitisch sei diese aber ein Nachteil. Denn sie erschwere es, persönliche Bekanntschaften zu schliessen und politische Diskussionen auf einer menschlichen Basis zu führen. Im Ausland werde der Wechsel teilweise nicht verstanden.

Die Doppelfunktion als Bundespräsident und Departementschef sei zu bewältigen. Gemäss einer Statistik des UVEK war der Zürcher Sozialdemokrat je hälftig mit präsidialen und departementalen Verpflichtungen beschäftigt. Bis Ende Oktober betrug der Aufwand, den das Präsidenten-Amt mit sich brachte, 575 Stunden.

Der Jugend Mut machen

Verglichen mit seinem ersten Präsidialjahr 2001, das von Katastrophen geprägt gewesen sei (Brand im Gotthard-Strassentunnel, Amoklauf von Zug, Grounding der Swissair), sei 2006 ein anstrengendes, dichtes, aber doch harmonisches Jahr gewesen, bilanzierte Leuenberger. Als Leitmotive habe er für sein zweites Präsidialjahr die Jugend und Afrika gewählt.

Es sei ihm darum gegangen, die Jugendlichen zu politischem Engagement zu ermuntern und ihnen konkret zu zeigen, was man in der Politik bewirken könne. Die Wahl Afrikas als aussenpolitischen Schwerpunkt habe seine Funktionen als Bundespräsident und als Umweltminister zusammengeführt.

Verglichen mit 2001 haben die Auslandkontakte laut Leuenberger massiv zugenommen. Das sei auf die “recht schwierige” Zusammenarbeit mit der EU und die Mitwirkung in der UNO zurückzuführen. Dabei habe er festgestellt, dass das Ansehen der Schweiz in der Welt sehr hoch sei, namentlich wegen ihrer Entwicklungs- und humanitären Hilfe, schloss Leuenberger.

swissinfo und Agenturen

Moritz Leuenberger wird 1946 geboren.

Politisiert wird der Pfarrerssohn als Student der Rechte an der Universität Zürich während der 1968er-Bewegung.

Mit 26 Jahren übernimmt er das Präsidium der SP der Stadt Zürich.

Von 1974 bis 1983 ist er Mitglied des Zürcher Stadtparlaments.

1979 schafft er den Sprung in den Nationalrat.

1991 bis 1995 ist er Regierungsrat des Kantons Zürich.

Der 59-jährige Sozialdemokrat und Jurist Leuenberger ist seit 1995 Mitglied des Bundesrates. Er ist Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Nach 2001 ist er 2006 zum zweiten Mal Bundespräsident.

Von Moritz Leuenberger sind im Limmatverlag Zürich zwei Bücher mit Reden und Texten erschienen: “Träume & Traktanden” sowie “Die Rose und der Stein”.

Jedes Jahr wird ein Mitglied der siebenköpfigen Schweizer Landesregierung (Bundesrat, Exekutive) zum Bundespräsidenten gewählt.

Er gilt in dieser Zeit als Primus inter pares, das heisst Erster unter Gleichgestellten, und leitet die Bundesratssitzungen. Das Amt ist repräsentativ und nicht mit zusätzlicher Macht verbunden.

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