The Swiss voice in the world since 1935

Die Invaliden-Versicherung muss sparen

IV-Entlastung durch erschwerten Zugang zur IV-Rente und Lohn- und Mehrwert-Steuer-Zuschläge. Keystone

Die Schweizer Regierung hat am Mittwoch die definitive Botschaft für die 5. Revision der Invaliden-Versicherung (IV) verabschiedet.

Das Projekt strebt 20% weniger neue Renten an und eine Erhöhung von Lohnbeiträgen und Mehrwertsteuer, um die Finanzschwierigkeiten der IV zu beheben.

Der Bundesrat will mit der 5. IV-Revision den Zugang zur IV-Rente erschweren und die Wiedereingliederung verstärken. Damit soll das Sozialwerk entschuldet werden. Behindertenverbände und Linke reagierten zufrieden, bürgerliche Parteien skeptisch.

Im Zentrum stehen Massnahmen zur Früherfassung und zur beruflichen Eingliederung, wie Bundesrat Pascal Couchepin sagte. Es dürfe nicht attraktiver sein, eine Rente zu beziehen, als zu arbeiten.

Zudem wird der Rentenanspruch strenger gefasst. Einzelne IV-Leistungen werden abgebaut. Die Anzahl Neurenten soll im Vergleich zu 2003 um 20% gesenkt werden.

Weiter will die Landesregierung die IV mit einer Erhöhung der Lohnbeiträge von 1,4% auf 1,5% entschulden. Da dies zur Sanierung nicht ausreicht, soll die Mehrwertsteuer zu Gunsten der IV um 0,8 Prozentpunkte angehoben werden.

Damit werde die IV ab 2009 wieder schwarze Zahlen schreiben, sagte Couchepin. Er hoffe, die Revision könne auf Anfang 2007 in Kraft gesetzt werden. Bis 2024 soll auch der Schuldenberg von über 6 Milliarden abgetragen sein.

Früh erfassen und intervenieren

Um den Anstieg der IV-Rentner vorab unter jüngeren Menschen zu bremsen, will der Bundesrat die Massnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung verstärken. Dazu soll sofort und flächendeckend ein System zur Früherfassung jener Personen eingeführt werden, die aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig werden.

Ergänzt werden soll dieses System durch neue Massnahmen der Frühintervention ohne aufwändige Abklärungen durch die IV-Stellen. Primäres Ziel ist die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes oder – wo dies nicht möglich ist – die Eingliederung an einer neuen Stelle innerhalb oder ausserhalb des Betriebs.

Höhere Hürde durch engeren Invaliditätsbegriff

Im Gegenzug schränkt die Revision den Anspruch auf die IV-Rente ein. Eine Rente gibt es nur noch, wenn die Eingliederungsmassnahmen zum vornherein aussichtslos sind oder trotz den Bemühungen der gesetzlich zur Mitwirkung verpflichteten Betroffenen nicht zum Ziel führen. Der Invaliditätsbegriff wird enger gefasst.

IV-Renten sollen frühestens sechs Monate nach der Anmeldung bei der IV ausgerichtet werden. Die Mindestbeitragsdauer für den Anspruch auf eine Rente wird von zwei auf drei Jahre verlängert.

Gezielte Sparmassnahmen

Weiter schlägt er gezielte Sparmassnahmen vor. 116 Millionen sollen mit der Abschaffung der laufenden Zusatzrenten für verheiratete IV-Rentner gespart werden, 102 Millionen mit dem Wegfall des Karrierezuschlags auf den Renten. Medzinische Behandlungen soll – mit Ausnahme jener bei Geburtsgebrechen – die Krankenversicherung bezahlen.

Auf der Einnahmenseite will der Bundesrat den hälftig von Versicherten und Arbeitgebern bezahlten Lohnbeitrag von 1,4% auf 1,5% erhöhen und jährlich 303 Millionen gewinnen.

Kritik von den Bürgerlichen

Bei den bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden stossen die Vorschläge des Bundesrats auf harsche Kritik. Sie lehnen höhere Lohnbeiträge und den Zuschlag auf der Mehrwertsteuer ab.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) will stattdessen die Anzahl der ausbezahlten Renten nach unten drücken. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) geht davon aus, dass mit weniger Neurenten mehr Einsparungen als die vom Bundesrat veranschlagten jährlichen 600 Mio. Franken möglich sind, nämlich bis zu 1 Mrd. Franken.

Genugtuung bei den Linken

Zufrieden sind die Behindertenverbände und die Linke. Die Sozialdemokratische Partei (SP) stellte sich hinter die geplante Anzahl-Verringerung der neuen IV-Renten, der Früherkennung und der Frühintervention.

Gewerkschaftsbund und SP sind aber überzeugt, dass für die Sanierung der IV der Anteil des Bundes am Erlös aus dem Verkauf des Nationalbankgoldes von 7 Mrd. Franken eingesetzt werden müsse.

Gescheiterte Volksabstimmung

Die Bemühungen um eine Sanierung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der IV sind am 16. Mai 2004 an der Urne gescheitert.

Das Stimmvolk lehnte es damals ab, die AHV mit 1% und die IV mit 0,8% mehr Mehrwertsteuer zu sanieren.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Regierung will zwischen 2007 und 2025 pro Jahr 596 Mio. Franken im Budget der Invaliden-Versicherung (IV) einsparen.

Der Abschluss 2004 der IV endete mit einem Defizit von 1,6 Mrd. Franken und Schulden von über 6 Mrd. Franken.

In der dem Parlament übermittelten 5. Revision möchte die Regierung die Anzahl der neuen Renten um 20% reduzieren und gewisse Leistungen abschaffen.

Mit der Schweiz verbunden

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft