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“Keine 10’000 UBS-Steuersünder bei IRS gemeldet”

Wie geht es weiter im Steuerstreit? Das mögen sich vielleicht auch die Touristen fragen, die vom Dach des Rockefeller Center in New York auf das UBS-Gebäude blicken. Keystone

Es gab bisher weit weniger als 10'000 Selbstanzeigen von UBS-Kunden bei der US-Steuerbehörde. Zu diesem Schluss kommt FDP-Ständerat und Präsident der Parlamentariergruppe Schweiz-USA, Peter Briner, nach Gesprächen mit Finanzvertretern in New York.

In dem Abkommen, das den UBS-Steuerstreit beilegen soll, war im August 2009 die Übergabe von Informationen über 4450 amerikanische UBS-Kunden auf dem Weg der Amtshilfe vereinbart worden.

Die der UBS drohende Zivilklage, mit welcher die US-Steuerbehörde IRS die Herausgabe von 52’000 Kundendaten erwirken will, wurde daraufhin ausgesetzt. Sie kann aber reaktiviert werden, sollte das Abkommen nicht erfüllt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht befand vor einigen Wochen in einem Pilotentscheid, dass die Amtshilfe in rund 4200 von 4450 Fällen nicht möglich ist. Womit die Schweiz in der Frage erneut vor Problemen steht.

Nach dem Gerichtsentscheid, der nicht weitergezogen werden kann, waren in der Schweiz Hoffnungen aufgekommen auf eine mögliche Hintertüre: Es geht um eine Klausel in dem Abkommen, die vorsieht, dass die Zivilklage auch hinfällig werden kann, falls 10’000 UBS-Kunden der IRS von sich aus ihre Steuervergehen melden.

Davon sei man weit entfernt, sagte der freisinnige Ständerat und Präsident der Parlamentariervereinigung Schweiz-USA, Peter Briner, am Rande eines Mittagessens der Schweiz-Amerikanischen Handelskammer in New York. Briner nahm daran mit einer Delegation der Parlamentarier-Gruppe teil.

Bei Gesprächen einer Schweizer Delegation in Washington letzte Woche habe die US-Seite auf Einhaltung des Abkommens und Herausgabe der vereinbarten Daten beharrt.

“Von der Vereinbarung zum Staatsvertrag”

Für Briner scheint klar, dass man sich darauf einstellen sollte, dass es Nachbesserungen brauche. “Die Frage lautet: Wieviel ist es uns wert, mit den USA wieder geordnete Verhältnisse zu haben?”

Das Amtshilfe-Abkommen müsse wohl dem Parlament vorgelegt werden. Briner hofft, dass beide Kammern den Vertrag im Sommer verabschieden werden können.

Dies würde bedeuten, dass das Abkommen in einem künftigen weiteren Beschwerdefall vom Bundesverwaltungsgericht nicht mehr nur als Vereinbarung, sondern als Staatsvertrag betrachtet würde, ähnlich einem Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA).

“Dies wäre angesichts der starken Handelsbeziehungen im besten Interesse der Schweiz und der USA”, sagte Briner. Das Abkommen beinhalte nichts, was das mit den USA ausgehandelte neue DBA nicht auch tue.

Finanzminister Rudolf Merz hat bereits angedeutet, dass die Regierung das Abkommen dem Parlament vorlegen könnte. Als ersten Schritt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatte der Bundesrat aber auf weitere Gespräche mit Washington gesetzt.

Mit den neuen DBA wird sich die Kleine Kammer bereits in der Frühjahrs-Session befassen. Briner hofft, dass das DBA mit den USA bis im Sommer von beiden Kammern verabschiedet wird. Danach muss noch mit einem Referendum gerechnet werden.

“Ruf weiterhin intakt”

Die Delegation hatte auch Treffen in Washington geplant, etwa mit Vertretern des Kongresses. Dieser Teil der Reise fiel jedoch dem Schneesturm zum Opfer, der am Mittwoch in Washington das öffentliche Leben praktisch lahm legte.

Nach den Gesprächen der Parlamentarier-Delegation in New York mit Vertretern aus Finanz und Wirtschaft habe er den Eindruck, dass der Ruf der Schweiz nach wie vor intakt und gut sei, so Briner. Natürlich stehe die Schweiz in der Steuerstreitfrage etwas mit dem Rücken zur Wand, aber es gehe hier um einen Streit zwischen dem IRS und der UBS. “Die Amerikaner verwechseln die Schweiz nicht mit der UBS.”

Man merke auch, dass viele Amerikaner die Dinge weniger aufgeregt sähen. Man sei sich bewusst, dass die Welt sich drehe, Dinge sich veränderten und nicht alles bleibe, wie es immer war. Die Schweizer seien demgegenüber etwas dünnhäutig, weniger an Umgang mit Kritik gewohnt.

Die christlichdemokratische Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, die ebenfalls zur Delegation gehörte, ist der Meinung, dass die Schweiz in den grossen Debatten um Steuer- und Finanzpolitik grundsätzlich Druck stärker standhalten müsse. Für viele der anstehenden Fragen brauche es international ausgehandelte Lösungen, sei es im Rahmen der OECD oder anderer Institutionen.

Rita Emch, swissinfo.ch, New York

Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Beschwerde einer UBS-Kundin gutgeheissen, die sich gegen die Herausgabe ihrer Daten an die US-Behörden gewehrt hatte.

Der Entscheid wurde damit begründet, dass im konkreten Fall kein “Betrug und dergleichen” vorliege, der gemäss dem DBA zwischen der Schweiz und den USA von 1996 die Aufhebung des Bankgeheimnisses ermöglicht. Das Urteil ist abschliessend und kann nicht angefochten werden.

Das im UBS-Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA nach zähen Verhandlungen im August 2009 abgeschlossene Abkommen sei bloss eine so genannte generelle Verständigungsvereinbarung, argumentierte das Gericht. Diese biete keine Handhabe, um das einschlägige DBA von 1996 zu ändern oder zu ergänzen.

Angesichts der Bedeutung der Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA wurde die Parlamentariervereinigung Schweiz-USA 2001 ins Leben gerufen. Ziel der Vereinigung ist es, die Kontakte zwischen den Parlamenten der Schweiz und der USA zu intensivieren.

Heute gehören der privaten Vereinigung 60 Abgeordnete des Parlaments aus allen Parteien an. Präsident ist der freisinnige Ständerat Peter Briner.

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