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Liechtensteins Bankgeheimnis bröckelt

Der liechtensteinische Erbprinz Alois (links) und Regierungschef Otmar Hasler informieren in Vaduz über das "neue Bankgeheimnis" im "Ländle". Keystone

Beim Bankgeheimnis kann sich die Schweiz nicht mehr hinter dem "Schmuddelkind" Liechtenstein verstecken: Das Fürstentum weicht das Bankgeheimnis auf und bekennt sich zum globalen OECD-Standard für Steuerzusammenarbeit.

Liechtenstein hebt den Schutz des Bankgeheimnisses von ausländischen Steuerhinterziehern bei begründetem Verdacht auf. Bei bestehenden ausländischen Kunden will Liechtenstein bilaterale Lösungen für die Legalisierung bestehender Schwarzgelder auf dem Finanzplatz aushandeln und damit potenzielle Steuerhinterzieher nicht einfach fallen lassen.

Mit einer “Einigung auf ein gemeinsames Verständnis zur Regelung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Steuerverpflichtungen” will Vaduz laut Regierungschef Otmar Hasler sogar über den OECD-Standard hinausgehen.

Das Fürstentum will den Kunden die Möglichkeit geben, steuerkonform zu werden. Wie solche Amnestie-Lösungen im Einzelnen aussehen sollen, gab die Regierung nicht bekannt.

Sie rief Banken und Treuhänder auf, ihre Kunden zur freiwilligen Offenlegung von nicht deklarierten Guthaben zu ermutigen und sie dabei zu unterstützen.

Der liechtensteinische Bankenverband begrüsst die “Liechtenstein Declaration” der Regierung. Eine verstärkte Steuerkooperation, ein Informationsaustausch auf Anfrage, stehe nicht im Widerspruch zum Schutz der Privatsphäre, der vor dem ungerechtfertigten Zugriff Dritter weiterhin gewährleistet sei.

Einen automatischen Informationsaustausch lehnen Bankenverband und Regierung aber grundsätzlich ab.

Keine freiwillige Aktion

Liechtensteins Kooperationsbereitschaft erfolgte nicht freiwillig. Wäre das Land am kommenden Treffen der Industrie- und Schwellenländer (G20) auf eine angekündigte Schwarze Liste geraten, hätte das schmerzhafte Konsequenzen für den liechtensteinischen Finanzplatz bedeutet. Dasselbe Damoklesschwert hängt auch über dem Finanzplatz Schweiz, der anders als Liechtenstein, bisher nicht auf einer schwarzen OECD-Liste steht.

Zudem hat die Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Europäischen Union und in den USA dafür gesorgt, dass jedem Steuerfranken nachgejagt wird.

Den USA gegenüber hat Liechtenstein bereits im Dezember 2008 Zugeständnisse gemacht. Im Verhältnis zu Washington gilt die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ab 2010 nicht mehr.

Druck auf die Schweiz steigt

Laut der Regierung des Fürstentums war Finanzminister Hans-Rudolf Merz über die Kursänderung des Fürstentums informiert. Der Bundesrat will die Entscheidung der liechtensteinischen Regierung und die möglichen Folgen erst analysieren.

So äussert sich Merz derzeit nicht zur Lockerung des liechtensteinischen Bankgeheimnisses. Gegenüber dem Westschweizer Fernsehen verwies er auf die Bundesratssitzung vom Freitag, 13. März.

Der Bundespräsident hält es für möglich, dass die Situation nach der Liechtensteiner Initiative nun für die Schweiz noch schwieriger wird. Zudem könnte auch die Schweiz auf die erweiterte “Schwarze Liste” der G20 geraten.

Angesichts dieser drohenden Gefahr hatte Merz am letzten Sonntag zusammen mit Luxemburg und Österreich eine gemeinsame Verteidigungslinie aufzubauen versucht.

Und der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück signalisierte kürzlich, die Schweiz hätte weniger Pressionen zu gegenwärtigen, wenn sie künftig bei Steuerhinterziehung ausländischen Behörden auf Anfrage hin helfe.

Kapitulation auf breiter Front

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist über die neue Situation nicht beunruhigt. Sie bekräftigte aber ihren Widerstand gegen einen automatischen Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten, wie ihn die EU-Staaten kennen.

Laut SBVg-Sprecher James Nason kommt für die Schweiz eine Art “fishing” nach Bankdaten nicht in Frage.

Vor Liechtenstein hatten in den vergangenen Tagen auch Singapur und Hongkong Einlenken auf den OECD-Standard signalisiert.

Und der zwischen Spanien und Frankreich gelegene Kleinstaat Andorra will spätestens bis Ende November dieses Jahres sein Bankgeheimnis aufheben.

Damit werde der Austausch von Bankinformationen im Rahmen bilateraler Abkommen mit anderen Ländern möglich, teilt das kleine Fürstentum in den Pyrenäen mit.

swissinfo, Etienne Strebel

Das Fürstentum Liechtenstein ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage.

Die Souveränität liegt sowohl beim Volk als auch beim Fürsten.

Liechtenstein weist das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit auf: 169’000 Schweizer Franken pro Erwerbstätigem (2005).

In Liechtenstein gibt es 45’000 steuersparende Stiftungen bei 35’000 Einwohnern.

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