Verhaltene Reaktionen auf Bush Wiederwahl

Die Wiederwahl von George W. Bush als Präsident der USA löst bei den Schweizer Parteien kaum Begeisterung und bei Wirtschaftskreisen Indifferenz aus.
Man erwartet nun eine vermehrte Politik des Dialogs und mehr Zusammenarbeit mit der UNO.
Die Wiederwahl von George W. Bush und die Niederlage von John Kerry sind am Mittwoch von den Schweizer Parteien vorwiegend vorhalten oder mit Enttäuschung aufgenommen worden.
Kritisiert wurde vor allem die Grossmachtpolitik Bushs. Die Parteien hoffen aber auf eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit.
«Wir hätten erwartet, dass die Dinge in den USA nun mit einem neuen Präsidenten anders laufen», sagte Jean-Philippe Jeannerat, Sprecher der Sozialdemokratischen Partei (SP). Die erste Präsidentschaft von Bush sei problematisch gewesen.
Enttäuscht zeigte sich auch Reto Nause, Generalsekretär der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP). Bush habe eine Politik verfolgt, die dem Grundsatz «Macht vor Recht» gefolgt sei, namentlich bei den Vereinten Nationen und beim Krieg im Irak.
In Bushs zweiter Amtsperiode rechnet Nause nicht damit, dass die USA zu einer Politik des Dialogs zurückfinden werden. Trotzdem erwartet Nause nun von Bush ein versöhnliches Zeichen gegenüber der UNO und Europa.
SVP kommentiert nicht, der Freisinn hofft
Ein «No Comment» zum Wahlsieg Bushs gab es von Ueli Maurer. Der Parteipräsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP) nehme grundsätzlich nie Stellung zu ausländischen Wahlen.
Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) erhoffte sich von der Wahl Bushs Kontinuität in der Aussenwirtschaftspolitik, die für das Exportland Schweiz besonders wichtig sei.
Er gehe davon aus, dass sich mit der Wiederwahl Bushs am derzeitigen aussenwirtschaftspolitischen Kurs der USA nichts ändere, sagte Parteisprecher Christian Weber.
Im Bereich der Sicherheitspolitik sei wünschenswert, dass Bush und die USA vom Unilateralismus wegkämen.
US-Defizite und Dollar wichtiger als Bush oder Kerry
Ob Bush oder Kerry gewinnt, war der Schweizer Wirtschaft eigentlich einerlei. Nach dem Sieg von George W. Bush stehen für sie aber gute Rahmenbedingungen im Zentrum.
Auch sollte sich Bush um die US-Defizite kümmern. Der wiedergewählte Präsident müsse die Ausgaben hinunterfahren und genaue Prioritäten festlegen, sagte Rudolph Walser, Chefökonom des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse.
Nachdem beide Lager während des Wahlkampfs zahlreiche Versprechen gemacht hätten, müssten nun die tatsächlichen Probleme gelöst werden. Das immense Doppeldefizit gehöre zweifellos dazu.
Talfahrt des Dollars könnte Problem werden
Die Präsidentschaftswahl habe nur einen geringen Einfluss auf die Weltkonjunktur in den kommenden sechs Monaten, so Walser. Es sei denn, die Talfahrt des Dollar gehe ungebremst weiter.
Walser erwartet von der neuen Bush-Regierung zudem, dass sie die internationalen Organisationen ernst nehme, insbesondere die Welthandelsorganisation (WTO).
Auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg), die sich nie zu den Kandidaten äussert, betont die Wichtigkeit der wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen, sagte SBVg-Sprecher James Nason.
Die Vereinigung fordert nun «moderate Steuern und offene Märkte», sowie den «graduellen Abbau» der Aussenbilanz- und Staats-Defizite.
Experten bemängeln die Spaltung innerhalb der USA
John Kerry als Herausforderer ohne echte Alternativen und eine gespaltene US-Gesellschaft – dies sind laut Schweizer Experten die Gründe für das Wahldrama in den USA.
Andreas Wenger, Sicherheitsexperte der ETH Zürich, sah diesmal keine Unregelmässigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen. Dass Ohio dieses Mal im Brennpunkt des Weltinteresses stand, sei reiner Zufall.
Zwar habe sich Bush vor vier Jahren als Mann des Volkes propagiert, doch sowohl innen- als auch aussenpolitisch seien die USA gespaltener als je zuvor.
Dies sei der Hauptgrund dafür, dass die Präsidentschafts-Wahl wie vor vier Jahren zur Zitterpartie geworden sei.
Gute Ideen, fehlende Organisation
John Kerry sei es nicht gelungen, glaubwürdige Alternativen zu Bush zu bieten, sagte Daniel Warner, Mitglied der «Democrats Abroad» in der Schweiz. Die Demokraten hätten zwar gute Ideen, doch fehle es ihnen an Organisation.
Der republikanische Amtsinhaber George W. Bush hat laut Warner die Wahlen haushoch gewonnen, und dies mit einer Rekordwahlbeteiligung von rund 60%. Und im Gegensatz zur letzten Wahl habe Bush nun auch das Volksmehr hinter sich.
Auch Robert Gebhardt, der Vertreter der Republikaner in der Schweiz, führt die Niederlage Kerrys auf dessen Verhalten zurück. «Kerry führte eine Anti-Bush Kampagne, ohne neue Ideen zu liefern.»
Fehlende Integrationsfigur
Der Zürcher Professor für Politische Philosophie, Georg Kohler, gibt zu bedenken, dass in den USA eine Integrationsfigur fehlt, die das Land einen und die tiefe Kluft zwischen dem weissen evangelikalen ländlichen und dem liberalen urbanen Teil der Gesellschaft überbrücken kann.
Zweifellos sei es eine der grössten Aufgaben von Bush in seiner zweiten Amtszeit, die Spaltung nicht noch zu vertiefen.
swissinfo und Agenturen
Der bis zuletzt offene Wahlkampf in den USA hat so viele Wähler mobilisiert wie seit fast 40 Jahren nicht mehr.
Laut dem Forschungsinstitut CSAE gingen rund 120 Mio. US-Bürger wählen.
Dies entspricht knapp 60% der Wahlberechtigten.
Vor vier Jahren (George Bush, Al Gore) waren es 54%.
Vor acht Jahren (Bill Clintons Bestätigung) waren es 49%.
In der Schweiz leben rund 15’000 registrierte US-Bürger.

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