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Wahlen 2011 – eine Gebrauchsanweisung

Am 23. Oktober wählt das Schweizer Stimmvolk im In- und Ausland 200 Nationalräte und fast alle Ständeräte neu. Keystone

Am 23. Oktober wird die Schweiz ein neues Parlament wählen. Diese Wahl, die nur alle vier Jahre stattfindet, ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht unbedingt eine einfache Sache. Denn die Möglichkeiten, die Wahllisten abzuändern, sind vielfältig.

Die National- und Ständeratswahlen dienen dazu, die Sitze im Parlament zu erneuern. Laut Bundesgesetz müssen die Wahlen überall im Land gleichzeitig und unter gleichen Bedingungen stattfinden.

Die 200 Sitze der grossen Kammer (Nationalrat) werden unter den Kantonen proportional zu ihrer Bevölkerung aufgeteilt.

Derzeit fällt auf rund 38’500 Einwohner ein Sitz. Die sechs Kantone, die diese Schwelle nicht erreichen, haben trotzdem Anrecht auf einen Sitz.

Es werden auch die 46 Ständeratssitze (Sitze der Kantone) neu bestellt. Die Zahl der Vertreter ist für alle gleich: zwei Ständeräte pro Kanton und einer pro Halbkanton.

Die Durchführung der Ständeratswahlen basiert auf kantonalem Recht. Theoretisch könnten die Kantone diesen Wahltermin selber bestimmen, jedoch werden in der Praxis Stände- und Nationalratswahlen gleichzeitig durchgeführt.

Lediglich ein Kanton macht eine Ausnahme: Appenzell Innerrhoden. Der Ständeratssitz wird traditionell am letzten Sonntag im April an der Landsgemeinde bestimmt.

Proporz und Majorz gleichzeitig

Die Nationalratswahlen werden seit 1919 nach dem Proporzsystem durchgeführt.

Das bedeutet, dass die dem Kanton zur Verfügung stehenden Sitze proportional dem Resultat der teilnehmenden Parteien zugeteilt werden. In den sechs Kantonen, die nur einen Sitz haben, ist es de facto eine Majorzwahl.

Die Wahl des Ständerats hingegen wird in fast allen Kantonen nach dem Majorzsystem abgewickelt. Wer die meisten Stimmen erhält, ist gewählt. Eine Ausnahme bilden die Kantone Neuenburg und Jura: Sie wählen ihre Kantonsvertreter nach dem Proporzsystem.

Der Unterschied zwischen Majorz- und Proporzsystem hat einen gewissen Einfluss auf das Wahlverhalten. Beim Proporzsystem werden die gewonnenen Sitze zuerst der Partei zugeschlagen und erst dann auf die Parteikandidaten verteilt.

Deshalb ist es wichtig, dass zuoberst auf der Wahlliste der Name und die Nummer der bevorzugten Partei figuriert.

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Proporzwahl

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Bei der Wahl in den Nationalrat wird das Proporzwahl-System angewandt. Es heisst auch Verhältniswahl, das heisst, die Sitze werden im Verhältnis zu den erzielten Parteienstimmen auf die Parteien verteilt. Die Idee dieses Wahlsystems: Grundsätzlich stimmen die Wählenden für eine Partei und erst in zweiter Linie für eine Person. Zuerst werden die Parteistimmen ausgezählt, also die…

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Verschiedene Möglichkeiten

Wie wird ein Wahlzettel ausgefüllt? Nehmen wir das Beispiel eines fiktiven Bürgers aus dem Kanton Waadt, wo 18 Nationalratssitze zu vergeben sind.

Er hat sich für die Partei X entschieden. In den Unterlagen für die Wahlen erhält er vorgedruckte Listen aller Parteien. Die Listen enthalten 18 Linien mit den Namen von maximal 18 Kandidaten.

Die einfachste Option für unseren Bürger: Er wirft die Liste der Partei X unverändert in die Urne. So kriegt diese Partei 18 Stimmen und jeder auf der Liste stehende Kandidat eine Stimme.

Doch der Wähler hat mehrere Möglichkeiten, die Liste abzuändern. Wenn ihm ein Kandidat nicht passt, kann er dessen Namen streichen. Der Kandidat verliert eine Stimme, jedoch nicht die Partei.

Der Wähler kann auch einen bevorzugten Kandidaten kumulieren, das heisst er setzt dessen Namen ein zweites Mal handschriftlich auf die Liste. Mit diesem Vorgehen bleibt die Anzahl Stimmen für die Partei bei 18, doch der kumulierte Kandidat erhält zwei anstatt nur eine.

Der Bürger kann auch panaschieren. Dabei streicht er etwa einen Namen auf der Liste der Partei X und trägt stattdessen einen Kandidaten einer andern Partei ein. Diese Stimme geht an den Kandidaten und dessen Partei. Die Partei X kriegt in diesem Fall nur 17 Stimmen.

Schliesslich hat der Wähler die Möglichkeit, eine leere Liste auszufüllen. Für jeden auf der Liste eingetragenen Namen erhält die Partei wie auch der Kandidat eine Stimme.

Die Stimmen für die eventuell leer gelassenen Linien werden der Partei zugeordnet, falls der Wähler oben auf der Liste einen Parteinamen gesetzt hat. Ist dies nicht der Fall, gehen die Stimmen verloren.

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Majorzwahl

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Bei der Wahl in den Ständerat wird das Majorz- oder Mehrheits-Wahlverfahren angewandt. Es hat eine klare Mehrheitsbildung zum Ziel. Jene Kandidierenden, die am meisten Stimmen erzielt haben, erhalten die Mandate zugesprochen. Starke Parteien werden bei diesem System bevorzugt, Minderheiten gehen leer aus. Im Ständerat sind aus diesem Grund bisher nur die vier grossen Regierungsparteien vertreten.

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Normalerweise genügt ein Wahlgang

Das Auszählen der Wahlzettel erfolgt in zwei Durchgängen. In einem ersten Durchgang zählen die Stimmenzähler das Total der Parteistimmen aus. So wird im Proporzsystem die Anzahl der Sitze pro Partei bestimmt.

In einem zweiten Durchgang werden alle Stimmen der Kandidaten ausgezählt. Jene, die innerhalb der Partei am meisten Stimmen erhalten haben, teilen sich die zur Verfügung stehenden Sitze der Partei.

Das Proporzsystem benötigt keinen zweiten Wahlgang. Die meisten Namen der Gewählten sind am Abend der eidgenössischen Wahlen bekannt.

Bei den Majorzwahlen hingegen kann es zu einem zweiten Wahlgang kommen, wenn keiner der Kandidaten das absolute Mehr erreicht hat.

Der Nationalrat ist die Kammer, die das Schweizervolk vertritt. Er zählt 200 Mitglieder (Nationalräte).

Die Sitze sind unter den Kantonen proportional zu ihrer Bevölkerung aufgeteilt. Die Aufteilung geschieht auf der Grundlage der Volkszählung, die alle zehn Jahre durchgeführt wird. Die Kantone mit einer geringeren Bevölkerungszahl haben von Amtes wegen Anspruch auf einen Sitz. Die Kantone mit den meisten Volksvertretern sind Zürich (34), Bern (26) und Waadt (18).

Der Ständerat vertritt die Kantone. Unabhängig von Grösse und Bevölkerungszahl hat jeder Kanton Anrecht auf zwei Sitze, jeder Halbkanton auf einen Sitz, was ein Total von 46 Sitzen darstellt.

Beide Kammern haben die gleiche Entscheidungsgewalt. Damit ein Gesetz verabschiedet werden kann, braucht es die Übereinstimmung beider Kammern.

Die beiden Kammern tagen manchmal gemeinsam; man spricht dann von der VereinigtenBundesversammlung. Diese tagt hauptsächlich für die Wahl von Bundesräten, Bundesrichtern und eines Generals für die Armee im Kriegsfall.

In der Schweiz hat die Regierung keine Möglichkeit, dasParlament aufzulösen. Aber das Parlament hat auch keine Möglichkeit, die Bundesräte während der Legislatur abzuwählen – ausser bei gravierenden Fällen (Kriminalität, Verrat usw.).

In die Urne geworfene Wahlzettel können in bestimmten Fällen als ungültig erklärt werden:

Wenn es sich nicht um einenoffiziellen Wahlzettel handelt.

Wenn auf dem Wahlzettel eine Beleidigung oder Unsinn steht.

Wenn Änderungen auf einem Wahlzettel nicht von Hand gemacht wurden.

 

Wenn man mehrere Wahlzettel in die Urne wirft.

Wenn der Wahlzettel nicht anonym ist (Unterschrift).

Wenn auf dem Wahlzettel mehr Kandidatenals zurVerfügung stehende Sitze stehen.

Wenn die Angaben unleserlich sind.

Wenn auf dem Wahlzettel Kandidaten aufgeführt sind, dienichtauf den offiziellen Listen figurieren. Diese Regel gilt jedoch nur für die Wahl der Nationalräte. Bei der Wahl der Ständeräte können die Namen aller Bürger stehen, die die Kriterien der Wählbarkeit erfüllen.

(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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