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Cancún: Knacknuss Landwirtschaft

Deiss will sich in Cancún für verkraftbare Landwirtschaftsreformen einsetzen. Keystone

Die Regierung hat am Mittwoch das Verhandlungsmandat für die fünfte WTO-Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko) beschlossen.

Auch für die Schweiz ist laut Bundesrat Joseph Deiss wichtig, dass die Konferenz bei der Landwirtschaft weiter kommt.

Ohne Resultate beim Agrardossier werde es wohl kaum möglich sein, zu den Industriegütern etwas zu entscheiden, sagte Wirtschafts-Minister Joseph Deiss vor den Medien.

Dies hätte Folgen für die gesamte Schweizer Wirtschaft und damit auch für die Landwirtschaft, konterte er allfällige Referenden im Fall einer Liberalisierung der Agrarwirtschaft.

Die Landwirtschafts-Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) sind eines der Schwerpunktthemen, mit denen sich die Minister vom 10. bis 14. September befassen. Joseph Deiss wird die Schweizer Delegation leiten.

Die Konferenz markiert die Halbzeit der vor zwei Jahren in Doha (Katar) lancierten Verhandlungsrunde. Diese soll am 1. Januar 2005 abgeschlossen sein.

Wie Bundesrat Deiss gegenüber swissinfo betonte, sei es wichtig, im Landwirtschafts-Dossier eine Einigung zu erzielen. “Denn die Doha-Runde setzte sich zu Gunsten der Entwicklungsländer ein.”

Schlüsseldossier Landwirtschaft

Bei der Knacknuss Landwirtschaft stehen sich Vertreter einer Marktöffnung und jene, die auch nichtkommerzielle Anliegen einbringen wollen, gegenüber.

Auf eine Marktöffnung und die Abschaffung von Einfuhrzöllen auf Agrar-Produkten und von Agrar-Subventionen drängen vorab Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie wollen Industrieländer mit ihren Agrarprodukten versorgen können.

Für Deiss ist klar, dass die Schweizer Landwirtschaft bis zu einem gewissen Grad geschützt wird: “Die Landwirtschaft dient nicht nur dazu, die Nahrungsmittel-Produktion zu schützen. Wichtig sind auch Umweltschutz und Tierschutz.”

Nicht zuletzt die Schweiz verlangt deshalb, dass auch nicht-kommerzielle Aspekte der Landwirtschaft berücksichtigt werden. So will die Schweiz etwa die kontrollierte Herkunftsbezeichnung (AOC) auch auf andere Produkte als Weine und Spirituosen ausdehnen.

Dies, um Liberalisierungen und die Verminderung von Inland- und Exportsubventionen abzufedern. Schweizer Bauern sollen so die Möglichkeit erhalten, Nischen im europäischen Markt zu besetzen, wie Deiss sagte.

Aus Schweizer Sicht ist neben der Herkunftsbezeichnung auch über die Deklaration von Produktionsmethoden und Tierschutz zu reden.

Gedämpfte Erwartungen

Der Volkswirtschaftsminister dämpfte allerdings allzu hohe Erwartungen: Man werde Mühe haben, solche Forderungen bei den Entwicklungsländern und anderen Gruppen durchzusetzen, sagte er. Am 21. August lagen für die Konferenz in Cancún allein im Agrardossier sechs Vorschläge auf dem Tisch.

Der Vorsitzende des WTO-Generalrates hat inzwischen einen Textentwurf vorgelegt, der allerdings von mehreren Staaten wenig begeistert aufgenommen worden ist. Er umfasst auch weitere Schlüsselbereiche der laufenden Verhandlungsrunde, unter anderen den Marktzugang für Industrieprodukte.

Die Schweiz mit ihren tiefen Zöllen im Industriebereich ist daran interessiert, den Marktzugang auch in anderen Ländern zu verbessern. Ob es schliesslich gelingen wird, Verhandlungen über die Themen Investitionen, Wettbewerb, Handelserleichterungen und öffentliches Beschaffungswesen einzuleiten, ist noch offen.

Zustande kommen sollte ein Beschluss über den Zugang zu Medikamenten für die ärmsten Länder. Eine Einigung in diesem Bereich soll Ländern, die keine Medikamente herstellen können, ermöglichen, Generika von patentierten Heilmitteln zu importieren.

NGO fordern Engagement für Entwicklungsländer

Der freie Handel soll nicht zu Lasten der Entwicklungsländer, Landwirtschaft und Umwelt vorangetrieben werden. Dies verlangen Schweizer Nichtregierungs-Organisationen (NGO) zwei Wochen vor der WTO-Ministerkonferenz in Cancún.

Bastienne Joerchel von der Schweizer Koordination gerechter Welthandel betonte vor den Medien in Bern, die Schweiz solle sich im mexikanischen Ort für die Anliegen der armen Länder einsetzen.

Wie Marianne Hochuli von der Entwicklungs-Organisation Erklärung von Bern (EvB) gegenüber swissinfo erklärte, begrüsst es die EvB, dass sich die Schweiz für eine multifunktionale Agrarwirtschaft einsetzt.

“Den Aspekt, dass Landwirtschaft nicht nur Handel bedeutet, sondern auch andere Werte wie das Recht auf Souveränität in der Landwirtschaft zum Beispiel, kann man auch auf Entwicklungsländer anwenden.”

Der Gruppierung gehören dreissig Gewerkschafts- und Bauernverbände sowie Umweltschutz- und Entwicklungs-Organisationen an.

swissinfo und Agenturen

Der Bundesrat hat das Verhandlungsmandat für die WTO-Konferenz in Cancún verabschiedet.

Die WTO-Ministerkonferenz in Cancún, Mexiko, findet vom 10. bis 14. September statt.

Wirtschaftsminster Joseph Deiss bezeichnet die Landwirtschaft als Schlüsseldossier.

Behandelt wird auch das Dossier der Industriegüter.

Zudem soll über den Zugang zu Medikamenten für die ärmsten Länder entschieden werden.

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