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Christlichdemokraten ehren Joseph Deiss

CVP-Präsidentin Doris Leuthard an der Delegierten-Versammlung in Chur. Keystone

Im Zentrum der CVP-Delegierten-Versammlung stand die Ehrung des abtretenden Bundesrats Joseph Deiss und die Erklärungen von Doris Leuthard.

Obwohl nicht offiziell über die Partei-Präsidentin als mögliche Nachfolgerin von Deiss gesprochen wurde, überschattete diese Frage die Debatten über Asyl- und Ausländerpolitik sowie Swisscom.

An der Delegiertenversammlung der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) in Chur am Samstag warnte Joseph Deiss vor der allgemeinen Polarisierung in der Politik und vor allem in der Landesregierung (Bundesrat). «Wir müssen Sorge tragen zum Bundesrat», sagte der scheidende Magistrat.

Er sei immer glücklich gewesen, die CVP im Bundesrat zu vertreten, sagte Deiss. Nach 27 Jahren in der Politik habe sich ihm aber die Frage gestellt, ob er noch zwei, drei Jahre weitermachen oder jetzt aufhören solle.

Deiss: Lieber Konsens statt Konfrontation

Bei seinem Entscheid, den er als Resultat eines langen Reifungsprozesses bezeichnete, habe das Klima in der Politik und in der Landesregierung eine Rolle gespielt. Deiss versicherte, er setze auf Konsensfindung statt Konfrontation, auf Respekt statt Häme.

Oft werde vergessen, dass der Landesregierung in corpore die Funktion des Staatsoberhauptes zukomme. Und wer das Staatsoberhaupt verachte, halte auch nicht viel vom Land.

Nachfolge-Kandidatur: Nur offiziell kein Thema

Deiss wandte sich gegen die Polarisierung der Standpunkte im Bundesrat. Er hoffe, dass sich die CVP immer dafür einsetze, dass die Landesregierung ihre Aufgaben «in Würde und mit Weitsicht» erfüllen könne.

Die Kandidatur für den CVP-Sitz im Bundesrat war an der Delegierten-Versammlung offiziell kein Thema. Doch war die Nachfolge des zurücktretenden Bundesrats Deiss eines der grossen Themen am Rande der Versammlung. In den Überlegungen um die Nachfolge von Deiss tauchte unter anderem auch der Name des Bündner Regierungsrats Stefan Engler auf.

Die CVP hat ihre Kantonalparteien aufgefordert, Kandidaturen bis zum 15. Mai zu melden. Doris Leuthard blieb bei ihrer Aussage vom Freitag, sie habe eben erst damit begonnen, sich über eine Bewerbung Gedanken zu machen.

Mehr Visionen, weniger Kleinkrämergeist

Die CVP-Präsidentin, die sich nicht zu ihrer Favoritenrolle für die Deiss-Nachfolge äusserte, plädierte für mehr Visionen und weniger Kleinkrämergeist. Die Debatten im Nationalrat (Grosse Kammer) seien von Endlosdiskussionen um Kommas und Strichpunkte, Neid und Missgunst geprägt.

Neu und umso bedenklicher seien solche Denkmuster in der Landesregierung. Sachpolitisch kämen die wirklich wichtigen Dossiers so kaum noch vom Fleck.

In dieser polarisierten und schwierigen Ausgangslage müsse die CVP für die Menschen «jene Leuchttürme bauen, die wieder Halt vermitteln, Grundsatzfragen beantworten und langfristige Perspektiven aufzeigen», sagte die Parteipräsidentin.

Ja zum Ausländer- und zum Asylgesetz

Die Verschärfungen in der Ausländer- und der Asylgesetzgebung sind in der CVP zwar umstritten, doch eine deutliche Mehrheit will die Gesetzesänderungen. Die Delegiertenversammlung fasste für beide Vorlagen die Ja-Parole.

Damit entsprach die Versammlung den Empfehlungen der Parteileitung. Für ein Ja zum Ausländergesetz sprachen sich 153 Delegierte aus, dagegen stimmten 37. Die Ja-Parole zum Asylgesetz wurde mit 151 zu 45 Stimmen beschlossen.

In der Diskussion versicherten die Befürworter, die Missbräuche im Asylwesen liessen sich dank der Gesetzesänderungen effizienter bekämpfen. Insbesondere würden auch Rückführungen abgewiesener Asylbewerber eher möglich.

Die Gegner führten ins Feld, die heutige Gesetzgebung genüge, zumal die Zahl der Asylgesuche in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei. Vorbehalte gegen die Verschärfung der Gesetzgebung wurden vor allem von Delegierten aus den Kantonen Waadt und Genf geäussert.

Nein zum «Ausverkauf» der Swisscom

Neben dem Ausländer- und dem Asylgesetz befassten sich die Delegierten auch mit der Swisscom. Diese müsse wieder die Freiheit erhalten, sich im Ausland zu engagieren: Das wird in einer Resolution gefordert, welche die Delegierten mit 105 zu 18 Stimmen verabschiedeten.

Die CVP lehne einen Verzicht auf die Mehrheitsbeteiligung des Bundes an der Swisscom AG sowohl aus finanz- als auch aus staatspolitischen Gründen ab, sagte der Luzerner Nationalrat Franz Brun. Die CVP halte an der «51-Prozent-Regel» fest.

In der Resolution wird von der Landesregierung verlangt, sie müsse eine alternative Strategie entwickeln. «Nach einem negativen Parlaments- oder Volksentscheid muss der Swisscom die unternehmerische Freiheit für Auslands-Engagements zurückgegeben werden.»

Die Delegierten der CVP fordern ausserdem, der Kontrollverlust über die Infrastruktur des Festnetzes sei möglichst klein zu halten. Ausserdem müsse der Bundesrat auch seine Strategien zur Zukunft der Post und der Bahnen offen legen.

swissinfo und Agenturen

Die Christlichdemokratische Volkspartei ist seit 1891 in der Landesregierung vertreten.

Sie verfügte traditionell über zwei Bundesrats-Sitze.

Doch nach einer langen Reihe von Stimmanteils-Verlusten (von 20,2% 1983 auf 14,4% 2003) verlor sie Ende 2003 einen Sitz an die Schweizerische Volkspartei SVP.

Die CVP bewegt sich seit langem im politischen Mittelfeld und sucht den Konsens.

Sie leidet damit unter der zunehmenden Polarisierung in der Politik.

Der einzige Vertreter der Christlichdemokratischen Volkspartei in der Regierung, Joseph Deiss, hat am 27. April 2006 seinen Rücktritt aus dem Bundesrat angekündigt.
Diese Ankündigung hat für grosse Überraschung gesorgt.
Deiss verlässt die Landes-Regierung Ende Juli.
Über seine Nachfolge entscheidet das Parlament während der Sommer-Session im Juni.
Zur Zeit hat die CVP noch keine offiziellen Kandidierenden designiert.
Parteichefin Doris Leuthard wird aber bereits als grosse Favoritin gehandelt.

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