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Das gestresste Fischotterweibchen

Auf die Frage, ob die Tiere im Zoo gefangene Wildtiere seien, sagt der Zürcher Zoodirektor Alex Rübel ganz klar: nein, er glaube nicht, dass die Tiere sich als Gefangene fühlten.

Seine Aussage untermauert er mit einer Geschichte, die sich im Zoo zugetragen hat.

“Unser Fischotterweibchen hatte vier Junge und zog sie auf. Damit hatte es viel zu tun. Und wie beim Menschen auch, wurden die jungen Fischotter grösser und kamen in die Pubertät.

Da war es dann für die Mutter gar nicht mehr einfach. Es kam zu Spannungen in der Familie. Die waren nicht gross, aber doch merkbar.

Auf der andern Seite haben wir im Zoo Marder. Die fressen uns im Sommer, wenn sie Junge haben, ab und zu unsere Enten. Das wollen wir natürlich nicht und versuchten dies zu verhindern.

Deshalb werden die Marder, wenn sie Junge haben, nun mit Hackfleisch gefüttert. So hoffen wir, die Enten werden in Ruhe gelassen.

Dann lese ich auf dem Rapport eines Tierpflegers, man habe Fischgräte gefunden neben der Futterstelle der Marder. Das sei komisch. Was, fragten wir uns, fressen denn diese Marder wieder?

Das geschah einige Male, und wir begannen schliesslich, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen.

Was war geschehen? Das von seinen pubertierenden Kindern offenbar gestresste und wohl auch genervte Fischotterweibchen verliess in der Nacht – es hatte einen Weg gefunden – sein Gehege, um mal in Ruhe essen zu können. Am Morgen ging es wieder zurück. Aber es hatte die Nacht genutzt, um etwas Distanz vom Jungvolk zu gewinnen.

Obwohl es die Möglichkeit gehabt hätte, das Weite zu suchen, mit all den Konsequenzen natürlich, war es für das Fischotterweibchen klar, ich bin in meinem Gehege zu Hause, da ist mein Daheim. Es hatte offenbar nicht das Gefühl, es müsse aus einem Gefängnis ausbrechen.”

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