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Das Jahrhundert des Bildes: Die Wissenschaft und die Freude am “Schönen”

Wie hat die Photographie das Jahrhundert wiedergegeben? Mit welchen Werkzeugen, welchen Tricks? Das dritte der zwölf vom Musée de l'Elysée in Lausanne ausgewählten Bilder: "Kompakte Lamellen des Schenkelhalsknochens".

Bretter für irgendeine Baustelle? Ein Chalet im Wallis in Vorbereitung? Nein, das nicht. Sondern ein schwindelerregendes Eintauchen in unser Inneres, ins Innere unseres Körpers, unserer Knochen.

Im 16. Jahrhundert hat der Niederländer Hans Jansen das Mikroskop erfunden. Im 17. konnte man zum ersten Mal Spermien, Bakterien und Muskelgewebestreifen betrachten. Aber erst seit der Erfindung des elektronischen Mikroskops zu Beginn der 30er-Jahre dieses Jahrhunderts können wirklich winzigste Kleinigkeiten erkannt werden. Jungfräuliches Terrain im Vergleich zu unserem guten alten Planeten, der bereits aus allen Blickwinkeln genauestens abgebildet wurde.

Das Bild, das wir hier sehen, haben wir Professor Pietro Motta zu verdanken, einem 1942 geborenen römischen Wissenschaftler. Die Knochenstruktur ist hier 1860 Mal vergrössert. “Das ist ein Farbbild. Es ist eine Photographie ohne eine zu sein”, fasst William Ewing zusammen. Denn das elektronische Mikroskop erfasst Elektronen, nicht Photonen. Aber es war natürlich ein Photoapparat, der das Bild festgehalten hat.

Das gefällige Braun dieses Schenkelhalses entspricht aber nicht der Realität, denn die Elektronen transportieren keine Farbe. Laut dem Direktor des Musée de l’Elysée hat Professor Motta beschlossen, seine Bilder zu kolorieren, weil eine Fernsehkette einen Beitrag über ihn machen wollte. Und wir wissen es alle: heutzutage ist schwarz-weiss nicht mehr gefragt. Farbe ist doch so viel schöner.

Das ist nicht besonders wissenschaftlich. Aber da die Farbpalette auch die Mannigfaltigkeit der Strukturen besser zur Geltung bringt, werden elektronische Bilder nun systematisch koloriert.

Das Phänomen ist nicht einzigartig. Auch zahlreiche Bilder aus dem Weltalls sind koloriert. Ausserdem: wir wissen heute alles, oder fast alles über die Morphologie der Dinosaurier. Aber was wissen wir über ihre Färbung? Auf die Gefahr hin, unsere Kinder zu enttäuschen: wenig oder nichts. Manchmal verträgt sich wissenschaftliche Strenge sehr gut mit ästhetischer Subjektivität … “Die Wissenschaft ist nie ein vollständig exakter Bereich”, stellt William Ewing fest.

Bernard Léchot

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